[Debatte-Grundeinkommen] [Gr.NetzGE] Grundeinkommen_und_Konsumsteuer, Widerspruch_in_sich?

Ernst Ullrich Schultz eusidee at web.de
Sa Dez 19 23:32:29 CET 2009


Hallo, liebe MitstreiterInnen,
lieber Mathias,
obwohl ich nicht gerade ein Freund von Spitzfindigkeiten bin, juckt es  
mich doch, mich mit dem  Kartoffel-Beispiel zu beschäftigen. Es geht, wenn  
es richtig sehe, um die Abgabe der Steuern. Warum soll der Bauer Steuern  
zahlen, wenn die Ware beim Großhändler verdorben ist? Den Verlust wird er  
doch indirekt auch tragen müssen, eventuell sogar im Regress. Es geht doch  
bei der Konsumsteuer immer um das Ergebnis der Wertschöpfung! Ich möchte  
ein positive Beispiel bringen. Jemand hat eine Idee, eine Erfindung und  
muss zuerst einmal Muster bauen lassen. Bezahlt er dafür gleich  
Unternehmens-, Einkommenssteuer etc. dann ist das innovationsfeindlich,  
finde ich.
Gerade das letzte Beispiel von Matthias, nämlich Mineralöl, spricht  
eindeutig für eine konsequente Konsumbesteuerung. Die Mineralölsteuer  
sorgt doch dafür, dass der Staat die Straßen bauen kann etc. Leider sind  
die Flugzeuge steuerbegünstigt, was zur Verzerrung des Wettbewerbs führt  
und Umweltprobleme verstärkt.

Ansonsten wünsche ich allen Freunden des bedingungslosen Grundeinkommens  
und solchen, die es noch werden, eine schöne Weihnacht und ein  
schwungvolles 2010, und noch mehr Schwung für das BGE,
Herzliche Grüße,
Ernst Ullrich Schultz

> Hallo Kai,
>
> zum einen hast Du völlig außer Acht gelassen, dass eine Besteuerung einer
> nachhaltigen Substanz bedarf.
> Zum anderen sollte einmal die Frage geklärt werden, was Wertschöpfung
> eigentlich ist und wie Wertschöpfung entsteht.
>
> Verteilen kann man auf Dauer nur das, was auch  
> erwirtschaftet/wertgeschöpft
> wurde. Und kann man Wertgeschöpftes vernichten?
>
> Nehmen wir als Beispiel die Kartoffel:
> Die Kartoffel wächst auf Grund von Mutterboden, Wasser und Sonne.  
> Verbleibt
> sie in der Erde, wurde kein "Wert geschöpft". Also hat der Grundbesitzer  
> auch
> keinen Ertrag und kann folglich längerfristig auch keine Substanz-Steuer
> zahlen. Es sei denn, man möchte völlig unnötiger Weise den Grundbesitzer
> enteignen (= Kommunismus).
>
> Entnimmt der Grundbesitzer die Kartoffeln (erntet), hat er noch immer
> keinerlei Wertschöpfung betrieben.
> Lässt er die Kartoffeln durch Ernte**Arbeit**er ernten, hat er zwar seine
> Substanz geschmälert, denn er muss den Arbeitern Lohn zahlen, aber er  
> hat noch
> immer keine Wertschöpfung betrieben.
> Lässt er die Kartoffeln durch eine solar (oder mit selbst erzeugtem Bio-
> Kraftstoff) betriebene Erntemaschine aus dem Boden buddeln, hat er auch  
> noch
> keine Wertschöpfung betrieben. Denn die Kartoffeln verfaulen, wenn sie  
> nicht
> rechtzeitig verbraucht werden.
>
> Verkauft der Bauer (= Grundbesitzer) nun die geernteten Kartoffeln an den
> Großhändler, betreibt er Wertschöpfung. Und genau ab diesem Punkt kann  
> eine
> nachhaltig ausgelegte und gerechte Besteuerung greifen.
> Man besteuert den Verkauf an den Großhändler, denn für den Bauern ist der
> Wertschöpfungs-Prozess abgeschlossen. Der Bauer kann auf Grund des  
> Verkaufs
> und der damit vollzogenen Wertschöpfung nachhaltig, d.h. jedes Jahr bei
> eingebrachter Ernte und Verkauf des Ernteguts, leisten.
> (Für die Marxisten unter uns:) Dabei spielt es keine Rolle, ob die Ernte  
> von
> Menschenhand oder durch die Maschine eingebracht wurde; geerntete  
> Kartoffel
> ist geerntete Kartoffel.
>
> Die stichhaltige Begründung, warum die Besteuerung **genau** an diesem  
> Punkt,
> nämlich dem Verkauf, ansetzt: Die Produktion erfolgt auf Grund von  
> Leistungen
> aus dem Allgemein-Gut. Erde, Sonne Luft und Wasser gehören allen  
> Menschen auf
> der Erde. Der Bauer hat, auch mit einem nach heutigen Recht gültigen
> Kaufvertrag, lediglich ein Nutzungsrecht erworben, das es allen Menschen
> gegenüber abzugelten gilt.
> Wer ein Eigentumsrecht an Erde, Sonne, Luft und Wasser zu haben glaubt,  
> soll
> bitte erläutern, woher er das Recht nimmt. Ein solchermaßen behauptetes  
> Recht
> ist sicherlich auf (Waffen-)Gewalt aus früheren Zeiten zurückzuführen und
> entweder heute nicht mehr gültig (nach heutigen Maßstäben zu unrecht
> erworbener Besitz) oder er soll es mit Waffengewalt verteidigen können  
> müssen.
> Dann gilt eben das Recht "des Stärkeren". Was nicht vertretbar ist, ist  
> eine
> unberechtigte "In-Eigentum-Nahme", die nachträglich per Gesetz  
> legitimiert
> wird. (Das geht auch aus unserer heutigen Rechtssprechung hervor, die
> lediglich den Begriff "In-Besitz-Nahme" kennt. Während Eigentum nicht
> verjähren kann, kann Besitz jedoch schon verjähren.)
>
> Somit ist eine Besteuerung/Abgabe-Belegung der verkauften Kartoffeln
> (verkaufte Kartoffeln=Wertschöpfung) legitim. Zumindest in soweit, wie  
> diese
> Steuern/Abgaben den Menschen in der Region (die auch ein Staat oder alle
> Menschen dieser Erde sein kann) zurückverteilt werden.
> Eine Besteuerung des Lohns der beteiligten (Ernte-)Arbeiter ist zu diesem
> Zeitpunkt in keiner Weise zu rechtfertigen, weil die Wertschöpfung  
> (sowohl
> monetär, als auch real) erst mit dem Verkauf oder Verzehr der Kartoffeln
> beginnen bzw. enden kann. Die Arbeit der Erntearbeiter ist dem Verkauf  
> jedoch
> vorgelagert und ist wertschöpfungslos, wenn die Kartoffeln nicht verkauft
> werden, sondern vergammeln.
>
> Soweit besteht Übereinstimmung zwischen Götz Werner und dem  
> Dilthey-Modell.
> Und den Transfergrenzen-Modellen (wie z.B. Althaus) ist die Berechtigung  
> zur
> Steuererhebung auf Arbeitslohn zu dem Wertschöpfungs-Zeitpunkt  
> "Erntearbeit"
> genommen.
>
> Nun befinden sich die Kartoffeln beim Großhändler und werden dort  
> (maschinell
> oder durch Menschen) nach Größe und Güte sortiert, und in jeweilige
> Packungsgrößen zusammengestellt.
> Findet beim Großhändler überhaupt eine Wertschöpfung statt?
>
> Ich denke schon, denn die Sortierung der Kartoffeln macht Sinn.  
> Festkochend,
> Mehlig, Groß, Klein vermeidet Ausschuss in der Weiterverarbeitung. Sodann
> organisiert der Großhandel die Verteilung zu den Menschen.
> Doch wann erfolgt die Wertschöpfung beim Großhandel?
>
> Bestimmt nicht in dem Augenblick, in dem Mensch oder Maschine sortiert,
> sondern erst, wenn die Säcke oder Säckchen an den Einzelhandel verkauft  
> und
> von diesem bezahlt sind.
> Schon wieder keine Legitimation, Steuern nach dem Transfergrenzen-Modell
> (Lohnsteuer) zu erheben, weil der Zeitpunkt der Wertschöpfung voraus  
> gelagert
> ist. Und weil die Kartoffeln noch immer verderben können, wenn es dem
> Großhändler nicht gelingt, die Ware rechtzeitig zu verkaufen.
>
> Jetzt beginnen aber auch die Differenzen zwischen Götz Werner und dem  
> Dilthey-
> Modell. Wenn nämlich die Kartoffeln beim Großhändler unter gehen  
> (verderben),
> sagt Götz Werner, dass überhaupt keine Wertschöpfung stattgefunden hat  
> und
> entbindet Großhändler und Bauer von einer Steuerabgabe (durch den
> Vorsteuerabzug beim Großhändler).
> Dilthey sagt, der Großhändler hat "wertgeschöpfte Ware" erhalten. Warum  
> soll
> den Menschen die Wertschöpfung des Bauern vorenthalten bleiben (also zur  
> BGE-
> Finanzierung beitragen), nur weil der Großhändler zu unfähig war, die
> Wertschöpfung des Bauern weiter zu tragen?
>
> Ähnliches trifft auf die Verschwendung von z.B. Energieträgern (Erdöl)  
> zu.
> Nach Götz Werner werden alle Produkte über den Vorsteuer-Abzug vom
> Leistungsbeitrag zum BGE befreit, bis sie vom Endverbraucher im Land
> buchungstechnisch bezahlt werden. Egal, ob sie durch Unfähigkeit,  
> Verderb,
> Diebstahl, Korruption oder Export nicht im Land vom Endverbraucher  
> bezahlt
> werden, fällt kein Beitrag zum BGE an.
>
>
> Sorry wegen der Länge des Beitrags ...
>
> Matthias Dilthey
>
> Platenstraße 21
> 91054 Erlangen
> Tel.: 09131/29889
>
> Am Sonntag, 13. Dezember 2009 18:02:39 schrieb Kai.Ruesen:
>> Wir haben eine Mischung aus Ertrag-, Substanz-, Verbrauch- und
>> Verkehrsteuer. Und bei dieser Mischung sollte es auch bleiben.
>
> _______________________________________________
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