[Debatte-Grundeinkommen] Kompetenz zur Freiheit

Matthias Dilthey info at psgd.info
So Dez 6 14:51:07 CET 2009


Hallo Liste,

in diesem von Jörg Drescher geschilderten Zusammenhang ist auch die 
Unterscheidung von "Selbstentfaltung" und "Selbstverwirklichung" zu sehen.

Die Selbstentfaltung hat immer "solidarischen Charakter"; d.h. die eigene 
(Selbst-)Entfaltung endet da, wo die Selbstentfaltung eines Anderen 
eingeschränkt wird.
Bei der Selbstverwirklichung wird diese Grenze vom Selbstverwirklicher nicht 
zwingend beachtet. Selbstverwirklichung kann auch auf Kosten der Mitmenschen 
gehen.

Während der "Neo-Liberale Staat" die Freiheit im Sinn von Selbstverwirklichung 
auffasst, begreift der "Emanzipatorische Sozialstaat" Freiheit im Sinn von 
Selbstentfaltung.

Siehe dazu auch:
http://tinyurl.com/yzccajw



Herzliche Grüße

Matthias Dilthey

Platenstraße 21
91054 Erlangen
Tel.: 09131/29889

Am Sonntag, 6. Dezember 2009 13:44:32 schrieb Joerg Drescher:
> Hallo Christine,
>
> natürlich kann man im Grundeinkommen eine "Freiheit zur Kompetenz" sehen,
> was allerdings nicht gleichbedeutend mit der "Kompetenz zur Freiheit" ist.
> Man kann auch nicht bestreiten, daß jeder Mensch die Anlagen für die
> "Kompetenz zur Freiheit" besitzt (Könnensgesellschaft). Allerdings
> beinhaltet die "Freiheit zur Kompetenz" ebenfalls, diese "Anlagen zur
> Kompetenz" nicht zu nutzen (Freiheit heißt auch, "nein" sagen zu können).
> Doch jede (persönliche) Anlage muß sich entwickeln (können) - daher die
> Forderung "Freiheit zur Kompetenz". Ich würde eher "Entwicklung der
> Kompetenz" fordern, was in diesem Fall der Emanzipation gleich kommt
> (verstanden als "Erlangen der Kompetenz zur Freiheit"). Dies steht sehr
> stark mit Bildung in Verbindung (bzw. mit den Ideen der Aufklärung nach
> Kant).
>
> Das interessante an dieser Geschichte ist, daß es im gemeinschaftlichen
> Rahmen eher funktioniert (unter Verwandten, Nachbarn und Freunden), als im
> gesellschaftlichen Rahmen (Individualisierung). Hintergrund ist, daß die
> Verbundenheit der Menschen untereinander in Gesellschaften abnimmt - und
> mit der fehlenden Verbundenheit geht das Vertrauen gegenüber anderen
> (Fremden) zurück. Entsprechend hilft auch ein Homo Faber (nach Arendt)
> nicht wirklich weiter (obwohl anzustreben), da er sich bei Fremden nie
> sicher sein kann, ob er es mit einer Person zu tun hat, die die gleichen
> Werte (des Homo Faber) vertritt. Arendt hat dem Homo Faber den "Animal
> laborans"
> gegenübergestellt - und ein Homo Faber kann sich zumindest sicher sein, daß
> er es mit einem solchen zu tun hat (grob nach Arendt ist der "Animal
> laborans" ein Wesen, das allein zur Existenzsicherung arbeitet, was auch
> der Homo Faber tut, wobei sich dieser zusätzlich durch seine Arbeit
> entfaltet - während der "Animal laborans" im erarbeiteten Produkt nur den
> Nutzen sieht, wertet der Homo Faber den Schaffensprozess mit ein, da dieser
> das Menschsein enthalte).
>
> Vielleicht drehen wir uns bei der Diskussion auch ein wenig im Kreis, weil
> die einen unter "Kompetenz" die individuellen
> Fähigkeiten/Fertigkeiten/Motivationen nur in Bezug auf das Individuum
> verstehen, während es mir dabei um einen Bezug auf andere Individuen ging:
> "Die persönliche Freiheit endet dort, wo die Freiheit eines anderen
> eingeschränkt wird". Um die "Freiheit eines anderen" zu erfassen, bedarf es
> einer gewissen "Kompetenz" (ein Grundeinkommen - so die Diskussion hier in
> der Ukraine - erweitert nur die "monetäre Kompetenz", die sich auf die
> "Freiheit zu geben und zu nehmen" auswirkt). In einer
> Grundeinkommensgesellschaft, in der jeder ein Mehr an monetärer Freiheit
> erhält, kann man sich weiterhin nicht sicher sein, ob sein Gegenüber die
> "Kompetenz zur Freiheit" erlangt hat. Es bleibt beim Vertrauen in die
> "Kompetenz zur Freiheit".
>
> Viele Grüße aus Kiew,
>
> Jörg (Drescher)
> Projekt Jovialismus
> http://www.iovialis.org
>
>
>
> ----- Original Message -----
> From: "Christine Ax" <ax at fhochx.de>
> To: "'Joerg Drescher'" <iovialis at gmx.de>;
> <debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>
> Cc: "'Agnes Schubert'" <Agne.s at gmx.de>
> Sent: Sunday, December 06, 2009 10:59 AM
> Subject: AW: [Debatte-Grundeinkommen] Kompetenz zur Freiheit
>
>
> Die Freiheit zur Kompetenz ist mehr als Gedankenkonstrukt. Frei machen
> nur Kompetenzen die Menschen ganz praktisch befähigen, ihre Freiheit zu
> leben. Es geht als auch darum, dass Menschen über die
> praktischen/beruflichen Fähigkeiten verfügen, die sie frei machen, das
> zu leben, was sie sind und was sie brauchen. Ein philosophischer
> Freiheitsbegriff und Geld alleine reichen nicht für ein gutes Leben, das
> findet nicht im Kopf statt sondern in der echten, lebendigen Welt. Im
> Austausch mit der Natur. Im Austausch zwischen Menschen. Mein Vorschlag
> "Die Könnensgesellschaft" plädiert für Arbeit unter den Bedingungen der
> Freiheit UND der Kompetenz.. Es brauch also Menschen, die von klein auf
> oder auch im Laufe des lebens befähigt werden, im Austausch mit anderen
> Menschen ihre Freiheit und ihre Fähigkeiten/Kompetenzen zu leben. Ich
> bin ein großer Anhänger von Hannah Arendt und ihrem Konstrukt des Homo
> Faber. Der Homo Faber braucht neben seinen Fähigkeiten die
> Rahmenbedingugnen sie zu leben.. das kann privateigentum sein oder auch
> Gemeinschaftseigentum.. auf jeden Fall mehr als ein freier Will oder nur
> geistige Kompetenzen .. die gute Nachricht daran ist: Das geht. Wo
> beides zusammenkommt, können Menschen in Freiheit ihr Fähigkeiten und
> Kompetenzen leben und weiter entwickeln. Das Grundeinkommen ist unter
> solchen Bedingungen der Nährboden auf dem die Freiheit gelebt werden
> kann. Aber ohne das Menschen Fähigkeiten leben und Entfalten können
> macht es weder froh noch reich (ich rede nicht von Geld sondern von
> "blühenden Menschen")
>
> Gruß!
> Christine Ax
> www.koennensgesellschaft.de




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