[Debatte-Grundeinkommen] Debatte-grundeinkommen Nachrichtensammlung, Band 36, Eintrag 23

Manfred Bartl sozial at gmail.com
Di Mär 25 22:13:56 CET 2008


Hallo, Eckhard!

Ausgezeichnete Ausführungen!

Eine Ergänzung möchte ich anbringen: Man betrachtet das Grundeinkommen
oft unter rein finanziellen Gesichtspunkten (z. B. in der Form "Kosten
des Grundeinkommens"), aber das reicht vorne und hinten nicht. Das
bedingungslose Grundeinkommen ist vor allem soziologisch und
volkswirtschaftlich zu analysieren.

Ein wichtiger Punkt dabei sind auch die Absichten hinter verschiedenen
Steuern. Steuern sind schließlich nicht allein Mittel zum Zweck der
Staatsfinanzierung, sondern auch Steuerungsmechanismen. So hat Götz
Werner zwar absolut Recht, dass Unternehmen letztlich keine Steuern
zahlen, weil sie alle Steuerzahlungen als Kosten auf die Preise
umlegen. Doch wichtig ist, an welchem Punkt ihrer Produktionskette
Unternehmen Steuern auf bestimmte Produkte oder Prozesse zahlen bzw.
verrechnen müssen. Fallen alle diese Steuern weg, gehen auch die
Einflussmöglichkeiten des Staates auf diese Produkte und Prozesse
verloren.

Wenn man bedenkt, dass unser gesellschaftlich größtes Problem heute
die nahezu unbeschränkte Freiheit der Unternehmen ist ist, wäre ein
weiterer Verlust der Kontrolle über diese aufgrund des
kapitalistischen Gewinnmaximierungsstrebens amoralischen Entitäten
kontraproduktiv. Um nicht zu sagen fatal!

Gruß
Manfred


2008/3/24 "Eckhard Rülke" <ERuelke at gmx.de>:
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> Hallo,
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> Ja, der Herr Götz Werner ist schon genial. Ich vermute, dass die
> Falschannahmen, die in der Zuschrift von Dimiti stehen, in Wirklichkeit
> nicht so von ihm gesagt worden sind. Aber er schafft es mit einer Fülle
> richtiger und halbrichtiger Formulierungen genau diese Wirkung bei seinen
> Zuhörern zu erzeugen.
>
>
>
> Aber es ist eben überhaupt nicht so, dass die Großverdiener in Deutschland,
> ihre Einkommenssteuer auf Preise umlegen könnten. Die zahlen einfach jedes
> Jahr einen beträchtlichen Betrag ans Finanzamt und tragen damit zur
> Finanzierung der Allgemeinkosten der Gesellschaft bei. Und dieser Berag
> steht ihnen dann für ihren privaten Verbrauch nicht mehr zurVerfügung. Das
> ist zur Zeit in Deutschland Recht und Gesetz, auch wenn es den Betroffenen
> natürlich weitgehend nicht gefällt.
>
>
>
> Wenn man diese Steuereinnahme abschafft, ändert sich an irgenwelchen Preisen
> gar nichts. Nur jeder Steuerpflichtige hat soviel mehr in der Tasche, wie er
> bisher Lohn- und Einkommenssteur zahlen mußte. Bei den Großverdienern ist
> das ein riesen Batzen, bei den meisten anderen vergleichsweise wenig.
>
> Über 20% der steuerpflichtig Beschäftigten bekommen keine Cent mehr, weil
> sie so wenig verdienen, das sie bereits jetzt keine Lohnsteuer zahlen.
>
>
>
> Denn der Steuerfreibetrag ist erarbeitetes Geld, das ohne Steuerabzug
> ausbezahlt wird. Aber wenn man einkaufen geht, zahlt man automatisch
> Mehrwertsteuer - eben auch auf das Geld aus dem Steuerfreibetrag. Der
> Steuerfreibetrag ist also JETZT SCHON NICHT von der Lohn- und
> Einkommenssteuer belastet - wohl aber von der Mehrwersteuer.
>
>
>
> Nun muß man als nächstes die Mehrwertsteuer erhöhen, um wieder soviel
> Einnahmen zu haben, wie zur jetzigen Zeit mit der Lohn- und Einkommenssteuer
> - damit ist dann also noch kein BGE finanzierbar, sondern es können nur die
> jetzt schon gewährten Leistungen bezahlt werden. Für den Großverdiener ist
> das insgesamt ein Plus-Geschäft, weil er viel mehr Einkommenssteuern spart
> als er mehr Mehrwertsteuer bezahlt. Für die große Mehrzahl der Arbeitnehmer
> ist es ein Minusgeschäft, weil sie durch den Lohnsteuerwegfall nur wenig
> oder gar nichts gut gemacht haben, aber ihr gesamtes Einkommen
> mehrwertsteuerpflichtig ausgeben - eben auch den Steuerfreibetrag. Damit ist
> der Vorteil des Steuerfreibetrages bereits zu diesem Zeitpunkt - VOR der
> Einführung des BGE - abgeschafft. Und die Mehrwersteuerquote ist
> notwendigerweise bereits zu diesem Zeitpunkt um ein Vielfaches höher als
> jetzt.
>
>
>
> Und genau das muß man bei dem Götz-Werner-Modell endlich mal deutlich
> auseinander halten:
>
> Erste Phase: Abschaffung aller Besteuereung von Einnahmen und Ersatz durch
> höhere Mehrwertsteuer.
>
> Und erst danach weitere Mehrwertsteuererhöhung zur Finanzierung des BGE.
>
> Das Erste hat mit dem Zweiten eigentlich überhaupt nichts zu tun. Nur Herr
> Götz Werner schafft es, das als Einheit erscheinen zu lassen.
>
>
>
> Etwas muß ich natürlich anerkennen: Die Steuerzahlungen der UNTERNEHMEN
> finden sich tatsächlich in den Preisen wieder. Ob bei Wegfall aller
> Unternehmenssteuern alle Unternehmer so kulant sind, den gesamten
> Einsparbetrag in Preissenkung umzumünze, ist nichts als eine wünschenswerte
> Positivannahme, um uns den Götz-Werner-Vorschlag schmackhaft zu machen.
>
>
>
>
> Viele Grüße
>
> Eckhard
>
>
>
>
> ----- Ursprüngliche Nachricht -----
> Von: Dimitri Schachmann
> Gesendet: 23.03.08 12:36 Uhr
> An: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
> Betreff: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Debatte-grundeinkommen
> Nachrichtensammlung, Band 36, Eintrag 23
>
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>
> Hallo allerseits,
>
>
> ich dachte mir, ich schreibe auch mal was. Dabei möchte ich auf die
> Argumentation von Eckhard Rülke eingehen.
>
> Du, Eckhard, schreibst zu recht, dass nach dem Modell von Götz Werner auch
> alle bisherigen Transferleistungen, das Kindergeld z.B., von der
> Mehrwertsteuererhöhung finanziert werden müssten. Das wäre aber noch keine
> Mehrbelastung. Das wäre nur eine UMSCHICHTUNG der Steuerlast, denn jetzt
> wird das ja auch bezahlt, dann aber an die Endpreise weitergegeben. Die
> Mehrbelastung wäre dann nur die Differenz zwischen den aktuellen
> Transferleistungen und dem Grundeinkommen. Allzu viel wäre das nicht, denn
> selbst die, die heute vermeintlich wenig bis keine Leistungen erhalten,
> haben immernoch ihren Steurefreibetrag, der oft größer als ein
> vorgeschlagenes Grundeinkommen ist. Es ist nicht so, dass dann zu den
> heutigen Ausgaben 82 Millionen mal das Grundeinkommen dazu kommen würde,
> denn jetzt schon erhalten alle den größten Teil dieses Grundeinkommens. Es
> fehlt also nicht mehr viel, plus die Abschaffung des idiotischen Zwangs zur
> Arbeit.
>
> An anderer Stelle hast du geschrieben, dass eine Mehrwertsteuer von 100%
> nötig wäre. Wenn sich aber diese Zahl durch Umschichtung aller bisherigen
> Steuerabgaben ergeben würde, dann würde ich da auch kein Problem sehen. Man
> zahlt ja trotzdem nicht mehr. Ich persönlich halte 60% MWS für realistisch.
>
> mfg aus Nürnberg
>
> Dimitri Schachmann
>



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