[Debatte-Grundeinkommen] Anmerkungen zum R. Roth-Text: BGE als Subvention

Herbert Schliffka herbert.schliffka at web.de
Mo Mai 21 19:09:45 CEST 2007


Liebe Listenteilnehmer,


folgenden Text verfasste ich für meine Freunde des Achberger
Arbeitszusammenhangs, der ja auch den Kern desjenigen Menschenkreises
bildet, die ein "Initiative für eine demokratische und soziale Offensive"
anstreben oder sich zumindest dafür interessieren.



In einem begleitenden Anschreiben teilte ich den Freunden mit, worum es mir
hier geht:

"Ich füge Euch einen Vortrag von Rainer Roth, der in "labournet"
veröffentlicht ist, und einen Begleitbrief mit Anmerkungen von mir zum
Roth-Text, im Anhang bei."

"Diese Anmerkungen werde ich dann auch als einen Diskussionsbeitrag zum
Thema, das Roth im Vortrag behandelt, in verschieden
Diskussions-Mailinglisten (des Netzwerk GE, der BAG-GE und der Attac-AG -
Genug für alle) veröffentlichen und an "labournet", mit der Bitte um
Veröffentlichung, schicken."

"Der Vortrag von Rainer Roth hat den Titel:

Bedingungsloses Grundeinkommen - flächendeckende Lohnsubvention!

Er wurde bei einer Veranstaltung von Ver.di und EhE e.V. in Duisburg am
19.01.2007 gehalten

http://www.labournet.de/diskussion/arbeit/existenz/roth3.html



Wer sich für Positionen zum bGE aus dem konservativen Lager interessiert,
die Roth in seinem Text als "neoliberale" bzw. als kapitalistische
kritisiert, kann sich diese unter folgenden Internetadressen anschauen:



http://www.buergergeldportal.de/

http://www.pro-buergergeld.de/

http://www.d-althaus.de/index.php?id=52

http://www.capital.de/politik/100005121.html



Ich meine, wir sind nun schon relativ weit in die Positionen von "links" und
"rechts" zum bGE, Bürgergeld, Grundsicherung usw. eingedrungen. Und man kann
als vorläufiges Ergebnis dieses Durchgangs sagen, dass wir auch bei der
Debatte zum bGE auf der Grundlage anthroposophischer Sozialwissenschaft - in
vielem ähnlich wie B. Hardorp, G. Werner, sowie Daniel Häni und Enno Schmidt
von der Schweizer Initiative GE - in gewisser Weise einen "3. Weg" zwischen
den "linken" und "rechten" Positionen beschreiten - so wie wir seit dem
letzten Drittel des 20. Jahrhunderts einen solchen Weg angestrebt haben auch
in Bezug auf die beiden großen Ideen des 19. Jahrhunderts, des Liberalismus
einerseits und des Sozialismus andererseits, die dann - jeweils einseitig -
die geistigen Grundlagen waren für die beiden Gesellschaftssysteme, die sich
im 20. Jahrhunderts feindlich gegenüberstanden. Die Kraft (im Denken und als
soziale Bewegung) zur notwendigen Synthese konnte sich - trotz guter
Ansätze - bisher nicht im genügend großen Umfang bilden.

Doch der gemeinsame Kampf für ein bedingungsloses Grundeinkommen, der viele
Kräfte zusammenführt, wird uns ein großes Stück weiterbringen auf dem Weg zu
einer freien und solidarischen Gesellschaft mit dem Antlitz des Menschen, in
der die mündigen Menschen selber gleichberechtigt an den Gesetzgebungsakten
der Rechtsgemeinschaft beteiligt sind und damit das herrschende,
undemokratische Prinzip überwinden, durch dass sie ihre Rechte von einem
vormundschaftlichen parlamentarischen Gesetzgeber vorgesetzt bekommen."



Die von mir angeschrieben wurden, wissen natürlich worum es bei dem
angedeuteten gesamtgesellschaftlichen Konzept eines 3. Weges" geht.

Wer von Euch, die jetzt per Mailingliste informiert werden, wissen will, was
damit gemeint ist, kann sich darüber zum einen auf den Dokumentationsseiten
der Achberger Initiative für die "Dreistufige Volksgesetzgebung"
informieren. Sie trat im Herbst 2005 in Entgegensetzung zu der damals
laufenden "neoliberal" geprägten Kampagne "Du bist Deutschland" in einer
Kampagne mit dem Namen "Wir sind Deutschland" auf, in der Deutschland nicht
im nationalistischen Sinne, sondern ausschließlich als zu demokratisierende
Rechtsgemeinschaft ins Bewusstsein gehoben werden sollte.

Dort finden sich auf der Dokumentationsseite auch Texte zu dem, was hier
"Dritter Weg" genannt wird und es sind vor allem wichtige Texte zu finden
für diejenigen, die sich in der "Mailingliste Debatte Grundeinkommen" mit
Beiträgen zu Thema "Demokratie" geäußert haben:
http://www.wirsinddeutschland.org/dokumentation.htm



Aktuelleres zu diesem "Dritter Weg" findet man dann auf der Internetseite
der IG-EuroVision in der dazu eingerichteten Rubrik:
http://www.ig-eurovision.net/dritterweg.htm



Nun aber soll der Text mit meinen Anmerkungen zum Vortrag von Rainer Roth
folgen.

Der besseren Lesbarkeit wegen füge ich ihn auch als rtf-datei im Anhang bei.



Mir mit freiheitlich, demokratischen und solidarischen Grüßen

Herbert Schliffka





Liebe Freunde,



den beigefügten Vortrag von Rainer Roth, der im "labournet" veröffentlicht
ist, halte ich für eine wichtige Ergänzung zu den bisherigen Versendungen
der letzten Zeit, die da waren:



  1.. die Nachbereitung der Arbeit während unserer Tagung zum Jahreswechsel,
bei der wir begonnen haben, das Thema bedingungsloses Grundeinkommen im
Lichte des sozialen Hauptgesetzes gemeinsam zu bearbeiten.
  2.. der Briefwechsel mit Christian Vierl zum Pilotprojekt "Bürgerarbeit"
für Sachsen-Anhalt in Bad Schmiedeberg, das er mit dem Thema 
"Grundeinkommen"
in Verbindung gebracht hatte.
  3.. meine Anmerkungen zum Interview von Benediktus Hardorp und Götz Werner
im Steuerberater Magazin
  4.. der Briefwechsel mit Benediktus Hardorp, der sich aus diesen
Anmerkungen ergeben hat.


Der Text von Rainer Roth enthält eine marxistischen Analyse und eine sich da
heraus ergebende Kritik am bedingungslosen Grundeinkommen, wie es vom
"Netzwerk Grundeinkommen" und der Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen
(BAG-GE) in der Links-Partei und ihren Protagonisten Ronald Blaschke und
Katja Kipping (MdB, Fraktion Die Linke) gefordert wird.



Wer nicht die ganzen 8 Seiten des im Internet veröffentlichten Vortrags von
R. Roth lesen will, für den füge ich einen etwa 1-seitigen Auszug daraus
hier in dem Text direkt anschließend ein. Er enthält Aussagen von Roth, von
denen ich meine, es lohnt sich sie zu hinterfragen.

Es folgent nun der Textauszug (danach füge ich dann meine Anmerkungen dazu
an):



1-seitiger Auszug aus dem in "labournet" veröffentlichten Text von:

Rainer Roth

Bedingungsloses Grundeinkommen - flächendeckende Lohnsubvention!

Vortrag bei einer Veranstaltung von Ver.di und EhE e.V. in Duisburg am
19.01.2007

http://www.labournet.de/diskussion/arbeit/existenz/roth3.html



III) Jetzt zur Sache (Seite 2)

Es ist völlig richtig, ein höheres Grundeinkommen für Erwerbslose zu fordern
und die gegenwärtigen Bedingungen zu bekämpfen, unter denen es gezahlt wird.
Es ist auch richtig, dass es für diejenigen Erwerbslosen, die für das
Kapital auf Dauer überflüssig sind, ohne Bedingungen gezahlt werden sollte.
(Beispiel: 58er Regelung)

In dem Moment aber, wo ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Menschen
verlangt wird, gehen die Wirkungen dieser Forderung weit über das Interesse
von Erwerbslosen hinaus, ihre Lage zu erleichtern.

Denn die Bedingungslosigkeit schließt ein, dass für Dutzende Millionen
Lohnabhängige nicht mehr der Lohn und die von ihm abgeleiteten Zahlungen wie
Renten, Arbeitslosengeld usw.. Grundlage für die Bestreitung ihrer
Lebenshaltungskosten sind, sondern aus Steuern bezahlte staatliche
Leistungen.

Die Bedingungslosigkeit verwandelt das Grundeinkommen in eine massive
flächendeckende Lohnsubvention, die das Tarifsystem und das
Sozialversicherungssystem von der Wurzel her angreift und auch tendenziell
an die Stelle eines gesetzlichen Mindestlohns tritt. Die Bedingungslosigkeit
verwandelt das Grundeinkommen in ein Trojanisches Pferd, mit dem
Flächentarifverträge völlig untergraben werden.

Aber nein, antworten Vertreter des BGE: Das wollen wir doch gar nicht. So
sprach Katja Kipping, stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei und eine
der SprecherInnen des Netzwerks Grundeinkommen davon, dass " sagen wir 1.000
Euro Grundeinkommen zum Lohn dazu kommen ". (jw 18.12.2006) Ebenso äußert
sich auch ihr Mitarbeiter Roland Blaschke.

Ob ein staatliches Grundeinkommen zum Lohn dazu kommt, wird aber letztlich
nicht durch politische Absichtserklärungen entschieden, sondern durch die
Gesetze des Arbeitsmarkts.

Die Arbeitskraft ist eine Ware, die zu einem bestimmten Preis verkauft wird.
Der Preis dieser Ware ist der Lohn. Der Lohn dient nicht dazu, "die
Leistung" oder "die Arbeit" abzugelten, sondern dazu, dass Arbeitskräfte
ihre Arbeitskraft täglich wiederherstellen sowie den Nachwuchs an
Arbeitskräften großziehen können. In demselben Umfang, in dem dieser Zweck
aus Steuermitteln befriedigt wird, müssen die Käufer der Ware Arbeitskraft
nicht mehr über den Lohn für die Erhaltungskosten der von ihnen gekauften
Ware aufkommen.

Wenn Preise von Waren aus staatlichen Mitteln gedeckt werden, sinkt der
Preis für den Käufer dieser Ware. Das gilt nicht nur für Subventionen des
Preises der Ware Arbeitskraft, sondern auch für Subventionen des
Kohlepreises, für Subventionen der Fahrpreise für öffentliche Verkehrsmittel
usw..

Die Finanzierung der Reproduktionskosten aus Steuermitteln macht
Lohnsenkungen möglich.

Das BGE wird von seinen VertreterInnen zu einem Zeitpunkt in den Mittelpunkt
des Interesses der Sozialen Bewegungen gestellt, in dem das Kapital sein
Interesse an Lohnsubventionen in verschiedenen Formen stärker zum Ausdruck
bringt.

a) Die CDU will Löhne mit 50% Steuermitteln befristet subventionieren, wenn
über 50-jährige oder unter 25-jährige eingestellt werden.

b) Die SPD favorisiert z.Zt. die Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge
alleinstehender Arbeitnehmer durch den Staat bis zu einem Vollzeiteinkommen
von 750 Euro, bzw. Paaren bis zu 1.300 Euro. Der Nettolohn würde sich damit
um rd. 150 bzw. 260 Euro erhöhen.

Zweck ist nicht, Arbeitsanreize für an Lohnarbeit desinteressierte
Erwerbslose zu erhöhen. Letzter Zweck ist, die Lohnkosten für das Kapital zu
senken, teurere durch billigere Arbeitskräfte zu verdrängen und damit die
Profite zu steigern.

Jede Verbilligung der Ware Arbeitskraft für den Käufer dieser Ware ist ein
Anreiz die Bruttolöhne zu senken, sofern das aufgrund der jeweils noch
bestehenden Tarifstrukturen möglich ist. Je stärker Lohnsubventionen
ausgebaut werden, desto stärker wird der Anreiz für das Kapital und der
staatlichen Arbeitgeber, aus dem jetzigen Tarifvertragssystem auszutreten,
um die Möglichkeit in Anspruch zu nehmen, die Bruttolöhne zu drücken.

Diese Marktgesetze wirken unabhängig vom Willen von Politikern. Sie setzen
sich durch, auch wenn Kräfte, die den staatlichen Einfluss für
ausschlaggebend halten, verkünden, sie würden sich nicht durchsetzen.
Politiker haben häufig Illusionen in die Reichweite der Politik gegenüber
der Ökonomie."



Es folgen nun meine Anmerkungen zum vorherigen Text-Auszug und danach noch
einige zum Gesamttext von R. Roth

Der Lohnsubventions-Effekt durch das bGE

Der Lohnsubventions-Effekt müsste wegen der Globalisierungsprozesse als der
gegenwärtig wichtigste Aspekt des bGE begriffen werden.

Aber er wird in dem wiedergegebenen Text-Auszug von R. Roth "verteufelt",
denn diese globale Ebene der Analyse behandelt sein Text gar nicht.

Er bewegt sich im Radius einer "Froschperspektive", aus der heraus er zwei
Forderungen bei Tarifverhandlungen oder durch Gesetzesmaßnahmen erkämpfen
will:

1. einen hohen "Mindestlohn" und 2. einen höheren "Regelsatz" für ALG
II-Empfänger.

So will er rein quantitativ die "Grundsicherung" der "Lohnabhängigen" und
der "Erwerbslosen" verbessern. Den Lohnsubventions-Effekt, der durch das bGE
bewirkt wird, sieht er als schädlich für diesen aktuellen, konkreten Kampf
an, durch den diese beiden Arten von Mindesteinkommen ermöglicht bzw.
verbessert werden sollen.

Er sieht gar nicht, dass der von Marx analysierte "Klassen-Kampf", den das
"Proletariat" gegen das "Kapital" nach Ansicht von R. Roth im gegenwärtigen
Kapitalismus bei den Tarifverhandlungen zu führen hat, längst sekundär
geworden ist, weil sich nun die global agierenden Unternehmen und deren
Finanziers in einem Vernichtungswettbewerb gegenseitig bekämpfen.

Alle anderen Unternehmen, sowie die "Lohnabhängigen" und der Staat sind
dieser primären, "neoliberal" bezeichneten Logik dieser Auseinandersetzung
unterworfen.

Davon kein Wort bei R. Roth.

Aus der Sicht der "Offensive" dagegen, sehen wir - neben dem
Abgaben-Paradigmenwechsel - gerade diese Lohnsubvention als das wichtigste
Ergebnis des einzuführenden bGE an, um der Niedergangsspirale entgegenwirken
zu können, die durch die gegenwärtig bestimmende Form der Globalisierung
entsteht. Diese Form wird bestimmend, wenn die Globalisierungsprozesse sich
ungehindert an der neoliberalen Ideologie des Vernichtungs-Wettbewerbs
orientieren, dem die Unternehmen nun auf "Wohl und Wehe" weltweit
unterworfen sind.

Dieser Vernichtungs-Wettbewerb wird mit dem Wort "Freiheit" beschönigt, denn
dies ist die wesensgemäße Bezeichnung für das Ideal der gegenwärtigen
Entwicklung des individuellen Menschen und des geistig-kulturellen
Funktionssystem der Gesellschaft, in welchem die Individuen wesensgemäßen
der Souverän sind. So wird die Fratze der "neoliberalen" Ideologie und ihrer
Logik verschleiert.

Jede Form der Unternehmens-Assoziierung wirkt dieser Logik entgegen.

Diese Erkenntnis ist grundlegend.

Und das heißt im Falle des bGE, es wird eine Subventionierung der Arbeit in
Einzel-Unternehmen durch eine ganz konkrete Teilassoziierung der Unternehmen
einer Volkswirtschaft bewirkt, die vom Gesetzgeber beschlossen und vom Staat
kontrolliert sein wird. Denn alle Unternehmen werden dann im Bereich eines
Staatsgebietes als eine Art Gesamtassoziation zusammen das bGE aufbringen
und entlasten damit die Einzelunternehmen teilweise von er Aufgabe der
Einkommenszahlung. Das besagt ja der Begriff der Subvention (Siehe dazu
meinen "Paradigmenwechsel-Text" im Lesebuch).

Selbstverständlich heben Teilassoziierungen in einen begrenzten Gebiet nicht
die herrschende Logik auf, sondern sie stärken nur die assoziierten
Unternehmen in diesem Kampf gegen Unternehmen in anderen Gebieten der Welt.
Aber sie sind Schritte zur Gesamtassoziierung, die dann die
Vernichtungslogik aufhebt.

Die so häufig gehörte Rede von der Standortpolitik und die Versuche, das
politische System zumindest in Teilbereichen über seine nationalstaatlichen
Grenzen hinaus zu transnationalen Gebilden zu verbinden, sind Symptome für
das Bestreben durch Assoziationen in Weltregionen, dort die
Überlebenschancen der Unternehmen im Vernichtungswettbewerb zu erhöhen. Die
EU ist Vorreiter in der Welt bei der Schaffung gemeinsamer Rechtsordnungen
für einen gemeinsamen Wirtschaftsraum in der Weltregion Europa.

Einerseits sollen damit die Unternehmen in Europa für diesen Existenzkampf
besser gerüstet werden, andererseits wollen die Staaten den "galoppierenden"
Machtverlust, den sie durch den Globalisierungsprozess zu erleiden haben,
aufhalten oder mindern.

Auch die Gewerkschaften, als Organisationen der Lohnabhängigen, müssen
diesen Machtverlust erleben, den sie bisher nicht aufhalten noch
kompensieren können.

Doch die Unternehmen in Europa werden nur dann in diesem Kampf besser
gerüstet sein, wenn in der EU einerseits der Paradigmenwechsel von der
einkommensbezogenen Steuer- und Sozialabgabe zur konsumbezogenen
Umsatzabgabe der Unternehmen vollzogen und andererseits das bGE realisiert
sein wird. Und letzteres wird im Grunde nur durch das erstere möglich
werden - auch wenn heute noch viele anderer Ansicht sind.

Erst wenn dadurch die Unternehmen gestärkt sein werden, wird auch der
Machtverlust des Staates und der Gewerkschaften gestoppt. Denn die
Unternehmen hätten dann in der EU die besten Rahmenbedingungen für ihr
Überleben. Sie würden dann hier produzieren und verkaufen wollen. Dadurch
wären sie wieder für staatliche Vorgaben und gewerkschaftliche Forderungen
empfänglich und durch gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen zu treffen.

Diesen Gedankengang können aber diejenigen nicht denken, die aufgrund ihrer
ideologischen Einstellung per se Unternehmer als zu bekämpfende Feinde
ansehen.



So kommt es dann dazu, dass Roth folgende Logik beschreibt:

"Die Arbeitskraft ist eine Ware, die zu einem bestimmten Preis verkauft
wird. Der Preis dieser Ware ist der Lohn. ... Wenn Preise von Waren aus
staatlichen Mitteln gedeckt werden, sinkt der Preis für den Käufer dieser
Ware. Das gilt nicht nur für Subventionen des Preises der Ware Arbeitskraft,
...

Die Finanzierung der Reproduktionskosten aus Steuermitteln macht
Lohnsenkungen möglich."

Roths grundlegende Ausgangsthese, dass Arbeitskraft eine Ware ist, wie jede
andere Ware auch, wollen wir hier erst einmal unhinterfragt lassen.

Richtig an dieser Aussage ist, dass die Arbeitskraft in privatkapitalistisch
geordneten Staaten - und das sind seit 1989 ja fast alle Staaten der Welt -
so gedacht und deshalb rechtlich so behandelt wird, als sei es so wie Roth
es beschreibt. Die Bezeichnung "Arbeitsmarkt" sagt schon alles. Roths These
trifft also gegenwärtig auf der Ideologie- und Rechtsebene größtenteils zu.



Kommen wir nun zum Kernthema zurück, der Subventionierung der "Ware
Arbeitskraft" durch das bGE. Sie macht "Lohnsenkungen" für die
Einzelunternehmen möglich, dass zeigt Roth ganz richtig.

Doch "Lohnsenkungen" sind für Roth, wie für viele "Linke", die so denken wie
er, per se schädlich, auch wenn sie für den Einkommensbezieher gar keinen
realen Einkommensverlust bedeuten. Denn diese "Lohnsenkung" ist ja in
Wirklichkeit das Ergebnis einer Aufteilung des Einkommens, das weiterhin in
gleicher Höhe bezogen wird, denn der "abgesenkte Lohn" wird ja durch das bGE
in voller Höhe ausgeglichen.

Dass diese Art von "Lohnsenkungen" nach Einführung ihres bGE-Modells
eintritt, wird von "linken" bGE-Befürwortern geleugnet. Die Vorstellung, die
diese Leugnung enthält, stellt Roth zurecht in Frage, weil er sie als
unrealistisch begreift.

Die Vorstellung dieser linken bGE-Befürworter implizit sogar eine
Einkommenserhöhung, weil sie anstreben, dass zum bisherigen Nettoeinkommen
obendrein noch das bGE hinzugefügt werden soll. Das dies real möglich sein
wird (also ohne eine dementsprechende Inflation zu bewirken oder ohne das
dies durch den von Roth aufgezeigten Arbeitsmarktmechanismus verhindert
werden wird) bezweifelt Roth meiner Ansicht nach zu recht.

Anders als bei anderen Modellen wird dann außerdem die Frage der
Finanzierung des bGE zu einer wahrscheinlich unüberwindbaren Hürde.
Jedenfalls wird die dadurch implizit angestrebte "Umverteilung von oben nach
unten" zu einer zusätzlichen Hürde für die Verwirklichung des bGE.

Doch auch das Modell von B. Hardop und G. Werner impliziert eine (zumindest
nominale) Lohnerhöhung. Sie wird durch den von ihnen geforderten
Paradigmenwechsel bei den Steuern bewirkt, wenn der bisherige Bruttolohn
dann zum Nettolohn wird. (Siehe Interview im Steuerberatermagazin Jan./Feb.
2007).

Diese beiden Formen der Einkommenserhöhung, die sich als Nebenwirkungen "wie
von selbst" einstellen, halte ich im Lichte des oben angegebenen
Subventionierungs-Ziels nicht für sinnvoll.

Dagegen ist als sinnvoll festzuhalten: Die von Roth beschriebene
"Lohnsenkung", die durch das bGE vollständig ausgeglichen wird, schadet
keinem und ist zielführend.

Sie schadet keinem, weil sie weder zu einem Verlust, noch zu einem Zuwachs
an real verfügbaren Einkommen bei den einzelnen Einkommensbezieher führt.
Sie hilft aber schwachen Unternehmen, die alleine keine angemessen hohe
Löhne zahlen können, weiter zu existieren. Deshalb erhält sie auch
Arbeitsplätze in unserem Wirtschaftsraum. - Also hilft sie allen.

Natürlich könnten im Zuge der notwendigen Umstellungen bewusst - z. B. zur
Binnenmarktbelebung oder zur Abstandsverringerung bei der Einkommensschere -
zusätzliche Maßnahmen beschlossen werden. Dadurch könnten ergänzend zum bGE
niedrige und nicht so hohe mittlere Einkommen als Ergebnis gesonderter
Vereinbarungen bei Tarifverhandlungen oder durch Gesetze erhöht werden.



Jedenfalls ermöglicht diese - für den Einkommensempfänger rein nominelle -
"Lohnsenkung" vielen Unternehmen ihre Konkurrenzfähigkeit im globalen
Vernichtungs-Wettbewerb der Unternehmen zu erhalten, wenn außerdem noch der
Paradigmenwechsel im Abgaben-System beschlossen wird.

Die Unternehmen aus Niedriglohnländer, die dort oft ohne oder mit nur sehr
geringen Abgaben für Umweltschutz und für soziale Sicherungssysteme
produzieren dürfen, müssen dann, wenn sie ihre Produkte und Dienstleistungen
bei uns verkaufen wollen, genau dieselben Abgaben zahlen wie
Inlandsproduzenten. Das ist nur durch den Paradigmenwechsel, also durch eine
vollständige Umstellung der Steuer- und Sozialabgaben von der
einkommensbezogenen zur konsumbezogenen Umsatzabgabe zu erreichen.

Beide Neureglungen zusammen würden die Niedergangsspirale, die derzeit
unsere sozialen Probleme verursacht, wahrscheinlich stoppen können. Denn sie
wird durch den Anpassungsdruck bei den Löhnen und den Steuer- und
Sozialabgaben an das Niveau der Niedriglohnländer bewirkt.

Werden diese beiden Gegenmaßnahmen ergriffen, schwindet dieser
Anpassungsdruck, ein "Aufwind" könnte entsteht. Er wird dann eine
Aufwärtsspirale in Gang setzen, die durch zusätzliche dafür geeignete
Maßnahmen auch die Verhältnisse der Niedriglohnländer verbessert würde
(siehe dazu meinen "Paradigmenwechsel-Text" im Lesebuch, S. 156 f.).



Roth kritisiert zu Recht die Lohnerhöhungen als illusionär, die durch das
bGE-Modell bewirkt werden sollen, das u.a. Ronald Blaschke und Katja Kipping
vorschlagen, wenn ich es richtig verstehe.

Doch beide hier in den Blick genommene "linke" Strömungen, sowohl die
kritisierte als auch die kritisierende, nehmen die Gefahr für die
Weltwirtschaft, die durch den globalisierten Vernichtungs-Wettbewerb erzeugt
wird, nicht ernst genug.

Erhoffen einige der traditionell marxistisch orientierten "Linken" oder
andere antikapitalistische "linke" Kräfte einen sich "automatisch"
einstellenden Sieg über den Kapitalismus überhaupt, wenn es zum Niedergang
eines von der "Sozialdemokratie" sozial ausgestalteten, freien und
parlamentarisch geordneten Kapitalismus kommen sollte?

"Sozialdemokratie" meint hier nicht nur im engeren Sinne die SPD, sondern
die in den verschieden Parteifarben vorhanden Bestrebungen, die sich an der
Gesellschaftsvorstellung der "sozialen Marktwirtschaft" kombiniert mit der
rein "parlamentarischen Demokratie" orientieren.

Ein solcher Sieg darüber in der Form, durch die sich dann Freiheit,
Demokratie und Sozialismus verwirklichen können, ist aber nicht möglich,
ohne dass zuvor ein in weitesten Menschenkreisen verändertes Bewusstsein
über die moderne, in Funktionssysteme gegliederte Gesellschaft und die in
ihren Funktionssystemen differenziert wirkenden Gesetzmäßigkeiten entsteht.

"Automatisch" wird es - wenn es denn im Globalisierungsprozess zum
Niedergang des von der "Sozialdemokratie" sozial ausgestalteten, freien und
parlamentarisch geordneten Kapitalismus kommen sollte - nur den Absturz in
den autoritär ("faschistisch") geführten Kapitalismus geben können oder -
eventuell zuvor - in eine weltbürgerkriegsartige Barbarei, die dann sehr
wahrscheinlich nur durch ein autoritäres Regime beendet werden kann.

Sehnen sich einige "Linke" immer noch nach einem solchen autoritären
System - wenn sie dann die autoritären Herrscher sein könnten?

Also - alle freiheitlich-demokratisch gesinnten "Linken" müssten - wie die
Geschichte zeigt - sehr vorsichtig sein, wenn sie denn nicht die ersten
Opfer ihrer nach autoritärer Macht strebenden "Freunde" werden wollen.

Wer Freiheit und Demokratie oder Sozialismus sagt, das ist der Gegner einer
menschengemäßen Entwicklung! Gleiches gilt für die, die nur Demokratie und
Sozialismus oder Freiheit sagen.

Denn Sozialismus ohne Freiheit und Demokratie kann nicht zu einer
Gesellschaft auf der Höhe der Entwicklung der individuell sich selbst
bestimmen und die Gesetzte mitbestimmen wollenden Menschen führen.

Und umgekehrt, ohne einen freiheitlich-demokratischen "Sozialismus" bleiben
"Freiheit" und "Demokratie" beschränkt in ihren bisher entwickelten
Vorformen, in denen die Menschen durch den bestehenden Geldmechanismus und
den vormundschaftlich geprägten Parlamentarismus beherrscht werden.

Ein die Menschheitsentwicklung fördernder, demokratisch legitimierter
Sozialismus auf der Grundlage individueller Freiheit meint hier eine
assoziative Wirtschaftsweise freier Unternehmen, die weder von Privat- noch
von Staatseigentümer und auch nicht von Fremdkapital oder sonstigen
eigennützigen Kräften fremdbestimmt werden, sondern allein vom
selbstgesetzten Motiv der optimalen Erfüllung der Wirtschafts-Aufgaben ihren
Antrieb erhalten.



Es gäbe weiteres zu besprechen, was in diesem Text-Auszug vorgestellt wird.
Doch sprengt das den Rahmen. Auf den vorletzten Absatz darin möchte ich
allerdings kurz noch eingehen.

Roth schreibt dort folgendes:

"Je stärker Lohnsubventionen ausgebaut werden, desto stärker wird der Anreiz
für das Kapital und der staatlichen Arbeitgeber, aus dem jetzigen
Tarifvertragssystem auszutreten, um die Möglichkeit in Anspruch zu nehmen,
die Bruttolöhne zu drücken."



Er will also die Illusion, die mit den Bruttolöhnen verbunden wird,
verteidigen.

Die Bruttolöhne sind ja keine real ausgezahlten Einkommen, die die
Einkommensempfänger zum Kauf von Waren berechtigen.

Dieser Kampf zum Erhalt der Bruttolöhne gleicht dem Kampf von Quichotte
gegen die Windmühlen, ist also eine Art Donquichotterie.

Da er sich aber gegen die Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens im
linken Spektrum wendet, die ihre Forderung - im Unterschied zu uns, sowie zu
Benediktus Hardorp und Götz Werner mit seiner Initiative - nicht mit der
Forderung nach einem Paradigmenwechsel von der einkommensbezogenen zur
konsumbezogenen Umsatzabgabe der Unternehmen verbinden, macht es da noch
einen gewissen Sinn, weil ja gegenwärtig noch die Abgaben von den
Bruttolöhnen den Rechtsanspruch auf Einkommensbezüge aus den Sozialsystemen
legitimieren und deren Höhe bestimmen.



Doch zum Kern der Aussage: Für den Einkommensanteil, der weiterhin von den
einzelnen Unternehmen an die Einkommensempfänger ausgezahlt und deshalb von
diesen aufgebracht werden muss, bleibt das Tarifvertragssystem auch nach der
Einführung eines bGE bestehen, vielleicht wird es sogar noch wichtiger.



Zu einigen anderen, hier am Anfang nicht zitierten Stellen im Text von Roth,
möchte ich im folgenden noch einige Bemerkungen machen.

Im Zusammenhang seiner Angriffe gegen die DGB-Führung schreibt Roth
folgendes:

"Dennoch gilt: In dem Maße, in dem der Staat Lohnkosten übernimmt, muss das
Kapital sie nicht mehr tragen. Das steigert seine Profite. Und das ist auch
der Zweck von Lohnsubventionen."

Das klingt so, als wenn der Staat aus "eigener Tasche" etwas zahlen könnte.
Dabei zahlt er immer nur aus seinen Einnahmen, also den eingezogenen Steuer-
oder sonstigen aufgabespezifischen Abgabebeträgen.

Dabei ist folgender Grundsachverhalt immer zu bedenken:

Die Steuern zeigen ein Teilungsverhältnis an. Es ist das Teilungsverhältnis
zwischen Unternehmen, die am Markt ihre Einnahmen erzielen und solchen, die
Ihre Einnahmen im Form der Steuer bekommen, damit sie die Einkommen ihrer
Mitarbeiter und ihre Rechnungen bezahlen können.

Die Sozialabgaben zeigen ein weiteres Teilungsverhältnis an. Es ist das
zwischen den Einkommensbeziehern, die in Unternehmen tätig sind, und
solchen, die ihre Fähigkeiten noch nicht (Kinder, Schüler, Studenten, junge
Erwerbslose usw.), nicht mehr (Alte usw.) oder zeitweise nicht (Kranke und
Arbeitslose usw.) in Unternehmen einbringen (können bzw. dürfen).

Abgaben für das bedingungslose Grundeinkommen werden dann folgendes dritte
Teilungsverhältnis anzeigen. Es ist das Teilungsverhältnis zwischen dem
Einkommensanteil, der wie bisher jeweils von den Einzelunternehmen
aufzubringen und zu zahlen ist, und dem Einkommensanteil, der dann von der
Gesamtwirtschaft auf Grund von Gesetzen an jeden, der berechtigt sein wird,
ein bedingungsloses Grundeinkommen zu beziehen, zu zahlen sein wird.

Die Zahlungen können 1. auf dem Umweg über die allgemeinen Steuern oder 2.
über eine besondere, zweckgebundene Grundeinkommensabgabe, die der Staat
dann an die Grundeinkommensempfänger weiterleitet, oder aber 3. direkt von
der Wirtschaft assoziativ selbstverwaltet erfolgen.

Wie sie erfolgen, sollte letztlich eine Frage des finanz-technisch
Zweckmäßigsten sein.



Worauf es in der Realität ankommt, ist, dass Unternehmen eines
Wirtschaftsraumes, durch andere Unternehmen dieses Wirtschaftsraumes per
Gesetz subventioniert werden, damit die Gesamtwirtschaft dieses
Wirtschaftsraumes, indem die gesetzlichen Regeln eines bestimmten
Staatsgebildes Rechtsgeltung beanspruchen, gemeinsam ihre Aufgaben erfüllen
kann, die neben der Bereitstellung von nachgefragten Waren und
Dienstleitungen darin besteht, Einkommen zu zahlen, damit die
Einkommensbezieher ihren Bedarf in der realen Nachfrage beim Kauf
realisieren können.



Eine weitere Polemik von Roth gegen die Gewerkschaftsführung richtet sich
implizit auch gegen die zentrale Forderung nach einem Paradigmenwechsel von
der heute dominierenden einkommensbezogenen zur reinen umsatzbezogenen
Steuer- und Sozialabgaben.

Er schreibt: "Erhöhung der Mehrwertsteuer, um die sogenannten
Lohnnebenkosten zu senken, ist eine alte Forderung von Sommer und Co."

Dazu habe ich in meinem Paradigmenwechsel-Text Grundlegendes skizziert.



Seine Aussagen zu der Position von Thomas Straubhaar müssen hier auch nicht
kommentiert werden. Diese von Milton Friedman beeinflusste neoliberale
Position, die ein bGE befürwortet, habe ich in anderen Texten schon am
Beispiel der Althaus-Position gekennzeichnet. Wer diese Positionen genauer
kennen lernen will, findet Sie bei den angegebenen Internetadressen.

Klar ist, daran sei noch einmal erinnert, dass die "demokratische und
soziale Offensive" der von Straubhaar, Althaus u.a. propagierten Ablösung
der bisherigen sozialen Sicherungssysteme durch ein sehr geringes bGE
entgegentritt.

Sie ist der Ansicht, dass bGE sollte, so wie bei den Arbeitsleistenden, so
in der Regel auch bei Rentnern, Arbeitslosen, Kranken und Erziehenden
zunächst nur einen Teil des Gesamteinkommens ausmachen, auf das man sich
zuvor bei Einkommensvereinbarungen und durch die Zahlung der Konsumsteuer
einen rechtlichen Anspruch erworben hat.

Eine bedingte Einkommensfortzahlung, die es im Krankheitsfall für einen
beschränkten Zeitraum auch heute schon gibt, könnte per Gesetz auch für
andere Fälle, z. B. als Rentenanspruch, Arbeitslosen- und Erziehungsgeld in
voller Höhe oder auch mit prozentual gestaffelten Abschlägen gewährleistet
werden. Die Zahlung in diesen Fällen bliebe Aufgabe der auch nach Einführung
des bGE bestehen bleibenden sozialen Sicherungssysteme.

Wäre dieses Ziel einer solchen bedingten Einkommensfortzahlung in all diesen
Fällen erreicht, blieben als Aufgaben für das bGE, neben der bedingungslosen
Grundabsicherung für alle, im wesentlichen nur noch die hier verteidigte
Subventionsfunktion übrig, die zur Stärkung der deutschen (bzw.
europäischen) Gesamtwirtschaft im Globalisierungskampf notwendig ist, weil
dieser, durch die privatkapitalistischen Grundstrukturen bewirkt, zunehmen
härter zwischen den global agierenden Kapitaleignern geführt werden wird.

Damit ist gezeigt, dass die "Offensive" einen gegenüber allen anderen
Positionen eigenständigen "3. Weg" vertritt. Und zwar sowohl in der
Einzelfrage des bGE und dessen Finanzierung - obwohl sie dort der
Hardorp/Werner-Position sehr nahe ist - als auch in der Frage der
gesamtgesellschaftlichen Transformation.



Was dann im Roth-Text ab Seite 4 folgt, zeigt, dass er (in diesem Text)
seine Gedanken weder aus einem welt-, noch volks- oder
betriebswirtschaftlich Denkzusammenhang heraus gebildet hat, sondern nur aus
der "Froschperspektive" des einzelnen, abhängig arbeitenden
Einkommensempfängers, bzw. dessen Interessenvertretung bei den
Tarifverhandlungen. Es ist die Perspektive, in der die Interessenvertretung
der "egoistischen Lohnempfänger" den "gewinnsüchtigen Kapitaleignern"
gegenübertreten. Sie feilschen in den Tarifverhandlungen um die Anteile, der
zu verteilenden Unternehmenseinnahmen.

Das ist auch Realität im privatkapitalistischen Gesellschaftssystem, dass
die Einkommensgebung aufgrund der bestehenden Machtverhältnisse noch als ein
Verteilungs-Kampf ausgetragen werden muss. Einkommen können sich in diesem
System nicht als Ergebnis von Rechtsvereinbarungen zwischen
gleichberechtigten Verhandlungspartnern ergeben. Erst dann, wenn das durch
ein zeitgemäßes Eigentumsrecht möglich sein wird, werden Einkommen nicht
mehr als Unternehmenskosten betrachtet werden können, sondern als Anteile,
der zu verteilenden Unternehmenseinnahmen.

Im gegenwärtig noch stattfindenden Verteilungs-Kampf sieht Roth die
Kampfkraft der Gewerkschaftsseite durch das bGE geschwächt.

Er bedenkt aber gar nicht, dass die Unternehmenseinnahmen, die dann zur
Einkommens-Verteilung zur Verfügung stehen, im System des globalen
privatkapitalistischen Vernichtungswettbewerb erst einmal
unternehmensegoistisch erzielt werden müssen.

Das, worauf es ankommt, wird im Text von Roth nicht einmal ansatzweise
formuliert: nämlich Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens so zu
denken und einzurichten, dass der Egoismus, der Grund für alles
gesellschaftlich verursachtes Leid ist, durch demokratisch beschlossene
Gesetze "domestiziert" werden kann, in dem er durch das neu geschaffene
Recht, auf den privaten Bereich beschränkt wird, wo er sich im angemessenen
Maße legitim ausleben kann, ohne dass er die Gesellschaftsstrukturen so
verformt, dass sie im Zusammenleben der Menschen Leid erzeugen müssen.

Und wirklich demokratisch heißt hier, dass die parlamentarische Gesetzgebung
durch die außerparlamentarische dreistufige Volksgesetzgebung ergänzt wird,
damit individuelle Freiheit in Form der gleichberechtigten Teilhabe auch in
diesem Lebensbereich der demokratischen Mitgestaltung des sozialen Ganzen
wirksam werden kann. Sonst bleiben wir weiterhin unmündige Untertanen, die
nur ihren parlamentarischen Vormund wählen dürfen.

Weil Roth die Notwendigkeit der demokratischen "Domestikation" des Egoismus
nicht sieht, kann er die notwendige Funktion des bGE in der sich
globalisierenden Gesellschaft nicht einmal ansatzweise erkennen.

Aus seiner beschränkten Sicht, in der sich zwei feindlich gesinnte Klassen
antagonistisch gegenüberstehen, muss er vermuten, dass es sich beim bGE um
ein "trojanisches Pferd" (siehe Seite 2 und 4) handelt.

Denn er sieht gar nicht, dass der globale Kampf längst innerhalb der "Klasse
der Privatkapitalisten" geführt wird und die "Lohnabhängigen" ebenso wie der
Staat "ihre Kapitalisten", also die, von denen sie abhängig sind,
unterstützen müssen, wenn sie nicht wollen, dass "ihre" Unternehmen im Kampf
um Absatz-Märkten nicht ausscheiden müssen.

Das bGE hilft "unseren Unternehmen" in diesem globalen Kampf und damit
sowohl ihren "privatkapitalistischen" Eigentümern ebenso, wie den dort
Arbeitleistenden. Es hilft auch den in diesem Kampf erwerbslos gewordenen
Menschen und den auf Steuern angewiesenen Staat.

Deshalb sollte der parlamentarische Gesetzgeber es schnellstens ermöglichen,
dass der Souverän selbst, auf dem Wege der dreistufigen Volksgesetzgebung
die Einführung des bGE beschließen kann.

Denn das bGE - kombiniert mit den Paradigmenwechsel für die Steuer- und
Sozialabgaben - hilft uns den gegenwärtig auszutragenden Kampf besser zu
bestehen und es verschafft uns mehr Zeit seine gesellschaftsstrukturell
bedingten Ursachen durch ein menschenwürdiges System des globalen
Wirtschaftens zu ersetzen. Denn ich befürchte, ohne diesen Zeitgewinn
stürzen wir in den Abgrund der Barbarei bevor es uns gelingt, ein solches
menschenwürdiges System des globalen Wirtschaftens einzurichten.



Weil das bGE allen Beteiligten hilft, ist nachzuvollziehen, dass es - wie
auch Roth zeigt - Strömungen auf der "linken" und "rechten" Seite gibt, die
sich für das bGE einsetzen - allerdings schlägt jeder dieser Flügel ein
Modell in seiner Färbung vor: D.h., es dient außerdem noch einem jeweils
spezifischen Egoismus.

Wenn über 3 - 4 bGE-Modelle, die von Volksinitiativen zur Volksabstimmung
gebracht werden, vom Souverän selbst entschieden werden könnte, nachdem eine
ausreichend lange Diskussion in einem Zeitraum von ½-1 Jahr in den
Massenmedien so geführt werden kann, dass dort alle pro und kontra Argumente
von den jeweiligen Vertretern dieser Positionen authentisch dargestellt
werden können, wird das bGE-Modell, das allen am besten gerecht wird und
finanzierbar ist, Rechtsverbindlichkeit erlangen.

Die Vertreter der verschiedenen bGE-Modelle müssten dann nicht durch
Lobbyarbeit eine Mehrheit im Parlament für ihr bGE-Modelle gewinnen oder
sich auf einen faulen Kompromiss verständigen, sondern nur darüber einig
werden, dass sie gemeinsam mit anderen Kräften ein solches
außerparlamentarisches dreistufiges Volksgesetzgebungsverfahren ermöglichen
wollen.

Das ist ein Weg, auf dem die globalisierungsbedingte Niedergangsspirale
gestoppt werden könnte.

Außerdem könnte im Rahmen der Diskussionen zur EU-Verfassung die Forderung,
das "Grundrecht auf Einkommen" in der EU-Verfassung zu verankern, nicht nur
alle Befürworter des bGE einigen, sondern darüber hinaus vielleicht auch
diejenigen "mit ins Boot nehmen", die diesem noch widerstreben, aber
Befürworter einer besseren sozialen Grundsicherung und der Einführung von
Mindesteinkommen sind. Wenn alle dafür Engagierte gemeinsam an diesem
"Strick", das "Grundrecht auf Einkommen" in der EU-Verfassung zu
verwirklichen, "ziehen", könnte eventuell so viel soziale Kraft entstehen,
dass zuerst dieses gemeinsame Ziel auf dem Wege der dreistufigen
Volksgesetzgebung erreicht werden kann.

Und nur wenn es auf diesem Weg "von unten" - also wirklich demokratisch
legitimiert - und nicht nur von oben, also nur parlamentarisch legitimiert,
(zum Schein) beschlossen wird, kann dieses Grundrecht reale Folgen in der
weiteren Gesetzgebung bewirken, sonst wird es - selbst wenn es
parlamentarisch beschlossen wird - "Verfassungslyrik" bleiben.

Ob so ein "Grundrecht auf ein Einkommen" dann schon in der - für die
Abwendung der Globalisierungs-Gefahr - notwendigen Form des bGE oder erst in
der Form der besseren Grundsicherung zusammen mit der Einführung eines
(eventuell auch subventionierten) guten Mindestlohnes, realisiert werden
wird, sollten wir danach erfolgenden Entscheidungen des Souveräns
überlassen.



Weil so zunächst noch mehr soziale Kräfte zusammengeführt werden, wäre das
der noch besserer Weg, auf dem die globalisierungsbedingte
Niedergangsspirale gestoppt werden könnte.

Und wie alle wissen, aber kaum zu realisieren vermögen: "Nur gemeinsam sind
wir stark!"

Doch um diesen Weg beschreiten zu können, müssten viele
organisationsegoistische Interessen, die mit den eigenen Zielvorstellungen
verknüpft sind, zurückgestellt werden. Das ist sehr schwierig in unserer so
vom Egoismus geprägten Zeit. Da bekämpft man sich lieber gegenseitig
(natürlich im Namen der Solidarität) anstelle Wege aufzuzeigen, die
gemeinsam beschritten werden könnten.



Mit herzlichem Gruß,

Herbert Schliffka



PS.: Infos zu dem im Text erwähnten "Lesebuch" findet Ihr auf folgender
Internetseite:

http://www.ig-eurovision.net/




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