[Debatte-Grundeinkommen] Dekonditionierung

Manfred Bartl sozial at gmail.com
Sa Mär 24 00:56:17 CET 2007


Hallo, Jörg!

Das ist mir schon klar, schließlich ist auch für mich ein Feindbild
nur Mittel zum Zweck. Als Kommunist muss man sich schon klar machen,
dass man nicht die "Diktatur des Proletariats" (gegen alle anderen),
sondern die Aufhebung der Klassengesellschaft anstrebt, also die
Proletarisierung aller, auf dass alle (auf möglichst hohem Niveau)
gleich arm sein mögen. Diese Welt soll basisdemokratisch bis
anarchistisch werden, und entweder Grundlage oder Folge dessen (die
Experten streiten sich noch) wäre das friedliche Zusammenleben aller.
Alle miteinander. Einer für alle, alle für einen. Wie man will. Da
machen Feindbilder keinen Sinn.

Zur Mobilisierung aber schon. Und da präsentierst Du mit dem des als
Mittel zum Zweck gespielt Dummen doch ebenfalls ein sehr gut
geeignetes. Ein Gerhard Schröder oder ein Kurt Beck ist sicherlich
schlimmer als eine Angela Merkel, die eine gewohnt
konservativ-engstirnige Politik betreibt. Alle Genannten sind
schlimmer als ein Joseph Ackermann oder ein Bill Gates, die völlig
systemkonform lediglich dessen Grenzen des Reichtums ausloten, während
diese Politiker ohne jede Aussicht auf solche Vermögen und ohne je
Machtmenschen sein zu dürfen (denn für so stabil halte ich unsere
Demokratie noch) die Gesellschaftsordnung attackieren. Umgekehrt sieht
man an Bill Gates, dass selbst die reichsten und mächtigsten Menschen
keinen Anlass sehen, eine Änderung des Systems anzustreben, und zwar
insofern, als Bill Gates mit seiner Stiftung nur Symptome zu kurieren
versucht, die das Überakkumulationsstreben von Finanziers wie EBEN der
Melinda-und-Bill-Gates-Stiftung (und anderer Hedge- und Private
Equity-Fonds) ursächlich anrichtet.

In diesem Zusammenhang finde ich auch Joanne Rowling erwähnenswert,
weil sie einerseits die Phantasie aufbringt, aus der Arbeitslosigkeit
heraus ein so inspirierendes Werk wie Harry Potter zu schaffen und
Millionen zu begeistern, zum Lesen im Allgemeinen und für Harry Potter
im Besonderen - mit der Milliarden Dollar in der Hinterhand aber
nichts Besseres zu tun hat, als vehement einzelnen Copyrightsündern
hinterherzujagen, statt mit - der ihr unter diesem Aspekt offenbar
völlig abgehenden - Phantasie die Welt zu verändern. Und wenn es nur
die Geste wäre, den siebten Band ihrer Harry-Potter-Reihe zu
verschenken (was zudem weitere Einnahmen über den wieder anziehenden
Verkauf der Bände 1 bis 6 generieren würde) und damit all das Geld
seinen ursprünglichen Besitzern zurückzugeben. Mit ein paar Millionen
Pfund, die meinetwegen behalten könnte, ließe es sich immer noch bis
zu ihrem Tod sorgenfrei leben....

Hintergrund ist offenbar, dass all diese Leute und noch viele mehr im
Geld offenbar einen Selbstzweck oder sogar den Motor des Systems
sehen, was jedoch nicht der Fall ist. Das schlägt sich schon in der
sog. "Weissagung der Cree" aus den 80ern nieder: "Erst wenn der letzte
Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen
ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann." ... was
wiederum eine Brücke schlägt zu Jörgs Energiebetrachtungen.

Kann man von dem Punkt aus jetzt endlich mal weiterdiskutieren?? ;-)

Mit gespielt verzweifelten Grüßen
Manfred



On 3/23/07, Joerg Drescher <iovialis at gmx.de> wrote:
> Hallo Manfred,
>
> da hast Du etwas falsch verstanden. Ich fordere kein Feindbild, sondern
> meinte, daß es mit einem Feindbild viel einfacher ist, gewisse Massen für
> etwas zu mobilisieren. Es ist insgesamt einfacher, gegen etwas zu sein, als
> für etwas. So denke ich zumindest. Allerdings bin ich gegen Feindbilder,
> weil ich der Meinung bin, daß es keinen Feind gibt. In jedem Denkansatz ist
> etwas "gutes", sei er noch so "schlecht". Selbst bei den Nazis und deren
> Ideologie kann ich (wertfrei) Dinge herausfischen, die "gut" sind.
>
> Mein persönliches "Feindbild" ist allerdings die Ignoranz (bewußte
> Dummheit). Damit meine ich (als Beispiel): Wenn ich jemandem erkläre, daß
> "eins plus eins gleich zwei" sei und wir uns darauf einigen, daß dies
> richtig ist und mir gegenüber wird dies auch als richtig geäußert; dann
> erfahre ich Tage später, daß jene Person wieder behauptet, "eins plus eins
> sei fünf". Darauf reagiere ich ziemlich allergisch; hingegen kann ich einen
> Hitler eher akzeptieren, weil er es einfach nicht besser wußte (das war
> unbewußte Dummheit).
>
> Ein gemeinsamer Gegner verbündet (die beste Methode von innenpolitischen
> Problemen abzulenken ist der Aufbau eines externen Feindbildes mit
> anschließender Kriegsführung dagegen). Dies funktioniert jedenfalls bei
> Massen, die nicht eigenständig denken. Und wenn man die Geschichte
> betrachtet, zeigt sich permanent, wie Feindbilder benutzt wurden, um
> politische Ziele zu erreichen. Deshalb lehne ich (für mich) jede Form von
> Feindbild ab - ich kenne keinen Gegner (außer die bewußte Dummheit).
>
> Zu dem Telekom-Text will ich nichts sagen, weil es als Beispiel diente und
> ich es als solches verstand. Ich hoffe damit der Diskussion wieder ihren
> ursprünglichen Sinn zurückgegeben zu haben.
>
> Viele Grüße aus Kiew,
>
> Jörg (Drescher)
> ---------------------------------------
> 2. Grundeinkommenstag am 12.05.07
> http://grundeinkommenstag.org
>
>
> ----- Original Message -----
> From: "Manfred Bartl" <sozial at gmail.com>
> To: <debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>
> Sent: Thursday, March 22, 2007 10:18 AM
> Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Dekonditionierung
>
>
> Hallo, Jörg und Matthias!
>
> Sagt mal, was soll eigentlich diese unsinnige Diskussion?
>
> Matthias, ich stehe in keiner Verbindung zum Urheber des
> Telekom-Schreibens, das mir nur als Beweisstück diente. Das Thema soll
> daher hier gar nicht zur Diskussion stehen, auch wenn ich glaube, dass
> es hier um durchaus wichtige Arbeitsplätze geht, nicht um beliebig
> folgenlos wegrationalisierbare. Der Brief drückt aus, dass für die
> Telekom-Mitarbeiter eine Selbstverwirklichung immer schwieriger wird.
> Die im Betrieb Verleibenden können sich aufgrund der unsinnigen
> Managemententscheidungen immer weniger mit dem Betrieb identifizieren
> - und den Rausgeschmissenen bleibt ohnehin nur Alg I und dann II, um
> möglicherweise woanders unterzukommen (was schwierig ist, solange ALLE
> Automobilhersteller diesen Renditekurs auf Kosten der eigenen
> Infrastruktur fahren) oder ein sinnstiftendes Ehrenamt auszufüllen.
>
> Ausgangspunkt der Diskussion war, dass Jörg ein neues Feindbild
> gefordert hat - und dann die Nachteile von Feindbildern bejammerte,
> kaum dass ich eines lieferte! Nonsense!
>
> Kann mal jemand etwas Sinnvolles zum aufgebauten Feindbild sagen, bitte!?!!
>
> Gruß
> Manfred
>
>



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