[Debatte-Grundeinkommen] BGE und Arbeit: Anmerkungen zumBegriffder Arbeit

Reimund Acker reimund.acker at t-online.de
Do Mär 8 00:28:49 CET 2007


Joerg Drescher schrieb: 

> ich möchte ja nicht unhöflich sein, doch zeigt gerade dieser 
> Aufsatz, daß eine Definition des Begriffs "Wert" nötig ist. 
> In dem Aufsatz wird immer wieder der Begriff Wert (teilweise 
> in Form von Mehrwert) verwendet. Ohne den Begriff "Wert" 
> (bzw. dessen Meßbarkeit) zu definieren, baut diese Arbeit 
> allerdings auf Treibsand.

Hatten wir das nicht schon? Egal. Daß sich jeder(!) Begriff auf
unterschiedliche Weise definieren, verstehen und verwenden lässt, dürfte
bekannt sein. Niemand kann mich nämlich daran hindern, ein x-beliebiges
bestehendes oder neues Wort mit meiner Lieblingsbedeutung zu belegen. Wenn
ich dabei allzu kreativ vorgehe, wird vermutlich die Verständigung mit
Personen leiden, denen ich meine Erfindung nicht mitgeteilt habe.
Grundsätzlich müssen wir davon ausgehen, daß es zu jedem Wort mindestens so
viele Bedeutungen gibt, wie Menschen die das Wort verwenden und/oder zu
verstehen glauben. Um mit Anderen (besser) kommunizieren zu können, versuche
ich den verwendeten Worten und Wendungen die Bedeutungen zu geben, die sich
durch Spacherwerb und Spracherfahrung für mich bis heute angenommen haben,
es sei denn, ich hätte Hinweise auf eine abweichende Verwendung eines Wortes
durch einen Kommunikationspartner; dann muss ich evt. nachfragen.

Entscheidend für die Nützlichkeit vereinbarter Begriffsdefinitionen ist der
Zweck der Kommunikation. Kommunikation zum alleinigen Zwecke der
Begriffssdefinition ist keine.

Was ist also der Zweck der Kommunikation auf dieser Liste? Nun, ich denke
z.B., wir debattieren die Vor- und Nachteile, Probleme und Perspektiven des
BGE mit dem Ziel, eine gesellschaftliche Entscheidung darüber
herbeizuführen.

Dabei spielen verschiedene Bedeutungen des Begriffs "Arbeit" eine zentrale
Rolle; denn:

1. Wir müssen uns mit dem derzeit vorherrschenden Arbeitsbegriff
auseinandersetzen, wie er in den Verwendungen "Arbeitsplatz",
"Arbeitslosigkeit", "Arbeitnehmer", etc., aufscheint. Dies ist notwendig,
wenn wir beurteilen wollen, ob und inwieweit durch das BGE z.B. das "Problem
der Massenarbeitslosigkeit" (auf-)gelöst werden könnte.

2. Wir müssen uns um einen neuen/alten, mehrheitsfähigen, emanzipatorischen
Arbeitsbegriff bemühen, ihn vielleicht aus verschüttetem Sprachgebrauch
bergen, um ihn dem Arbeitsbegriff aus Punkt 1 entgegenzusetzen. Dies ist
notwendig, um nachzuweisen, daß mit der Entkopplung des Einkommens von der
Arbeit.1 nicht notwendigerweise wichtige Dinge wie soziale Integration,
Selbstwertgefühl oder Selbstverwirklichtung verloren gehen, weil sie zwar
nicht durch das BGE ersetzbar sind, aber in Form von Arbeit.2 weiterhin
unbegrenzt zur Verfügung stehen.

3. Wir müssen ökonomistische bis vulgärphilosophische Arbeitsbegriffe
untersuchen, soweit mit ihrer Hilfe behauptet wird, ohne Arbeit.3 könnten
die Güter und Dienste, die wir gerne kaufen würden, nicht produziert werden.
Und ohne die Produktion dieser Güter und Dienste würden die daran zu
knüpfenden Staatseinnahmen wegfallen, also auch die Finanzierungsgrundlage
für das BGE.

> Das Dilthey-Modell, das auf dem Jovialismus aufbaut, 
> verwendet den Arbeitsbegriff in zwei Varianten, um den 
> Wertschöpfungsprozeß zu erklären:
> 1.) primäre Arbeit
> ist notwendig, um die überlebenswichtige Energie abzudecken. 
> Die "erarbeitete Energie" wird zum Leben verbraucht, weshalb 
> diese Arbeit keinen Mehrwert schafft.
> 2.) sekundäre Arbeit
> ist nicht überlebenswichtig und schafft damit Mehrwert.
>
> Ein BGE (egal, wie es nun finanziert und welches Modell 
> verwendet wird) versucht über Geld den überlebenswichtigen 
> Energiebedarf abzudecken (das eine Modell mehr, das andere 
> weniger). Das heißt, daß der Mensch immer mehr von primärer 
> Arbeit befreit wird und sich verstärkt sekundärer Arbeit widmen kann.

Das läuft vermutlich auf obigen Punkt 3 hinaus?

> [...]
> An diesem Aufsatz von Karl-Heinz (Pachura) wird hoffentlich 
> deutlich, daß die Diskussion über Wert und Energie sehr wohl 
> sinnvoll ist. Man kann damit andere Begriffe definieren, die 
> sonst auf Scheinannahmen basieren.

Wir definieren Begriffe, um damit andere Begriffe zu definieren, ...
Und was wird aus dem BGE?
Siehe oben. 

>[...] daran zeigt sich, wie wichtig 
> eine objektiv gültige Definition von Wert und dessen Meßbarkeit ist.

Nicht wirklich.

--- 

Reimund Acker




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