[Debatte-Grundeinkommen] Billige Arbeit

Reimund Acker reimund.acker at t-online.de
Sa Mär 3 14:48:47 CET 2007


Herbert Schliffka schrieb:

> [...]
> Werden die Einnahmen der Besteuerung zu Grunde gelegt, dann 
> wird z. B. bei der Einkommensteuer nur die Arbeit mit Steuern 
> belastet.

Nein. Alle Einkommensarten werden besteuert, oder sollten es zumindest.

> Natürlich werden diese Steuern auch in die Preis 
> einkalkuliert, die die Konsumenten beim Kauf zahlen.

Das ist auch bei den meisten anderen Steuern der Fall. Na und?

> Bei der Konsumsteuer (Mehrwertsteuer) werden diese latenten 
> Vorgänge offenbar gemacht. Denn da wird der Umsatz 
> unmittelbar Berechnungsgrundlage für die Besteuerung. Da 
> findet keine Zurechnung mehr statt zu scheinbar direkten 
> Steuerzahlern, deren Einkommen scheinbar versteuert wird.

Worin liegt denn eigentlich der Vorteil, "diese latenten Vorgänge offenbar"
zu machen? Wen interessiert das?

> Dieses Zurechnen ist ein Ergebnis, eines traditionellen, 
> unbeweglichen Festhaltens im Vorstellungsleben und bei der 
> Gesetzgebung an die mittelalterliche Besteuerung der 
> Selbstversorgungswirtschaft.

Es ist nicht entscheidend, wie es historisch zustande gekommen ist, sondern
ob und was es heute nutzt oder nicht. Und nicht nachprüfbare Unterstellungen
verborgenener Motive anonymer Akteure à la "unbeweglichen Festhaltens im
Vorstellungsleben" sollten wir uns in einem seriösen Diskurs ohnehin
verkneifen.

> Das Erkennen der Realität der globalen, arbeitsteiligen (und 
> damit von Wesen her kollektiven) Fremdversorgungswirtschaft 
> entlarvt eine solche Zurechnung als reines 
> "Überbau-Phänomen", das einer einseitigen individualistischen 
> Ideologie entspringt. Die abstrakt gedachten Geldprozesse, 
> die die Wirtschaftsprozesse steuern, ermöglicht diese 
> Zurechnung plausibel erscheinen zu lassen.

Da gibt's nichts zu "entlarven". Jede Zurechnung ist willkürlich. Wir können
diskutieren, welchen Zweck eine bestimmte Zurechnung hat, wenn die
jeweiligen Verfechter dieser Zurechnungsart es uns mitteilen, und wir können
dann weiter diskutieren, ob dieser Zweck so erreicht werden kann bzw. ob wir
den Zweck überhaupt erreicht haben wollen. Wird der Zweck einer Zurechnung
von den Zurechnern nicht mitgeteilt, können wir diskutieren, welche
Wirkunngen diese Zurechnung hat und ob wir diese Wirkungen wollen.

> Das wird durch die Umsatzsteuer, dann überwunden, wenn klar 
> wird, dass alle Konsumenten beim Kauf ihre Steuern 
> entrichten, da diese in die zu zahlenden Preise für diesen 
> Zweck einkalkuliert sind,

Alles mögliche wird in die Preise einkalkuliert, und den Meisten Konsumenten
dürfte das auf Nachfrage auch irgendwie klar sein, ohne daß sie ständig
darüber nachdenken. Mir ist immer noch nicht klar was mir diese Transparenz
bringen soll, wenn ich weiß soundsoviel von dem und dem ist da in den Preis
mit eingegangen: Was kann ich mit dieser Information anfangen, als
Konsument?

> Bei der Umsatzsteuer wird dann nicht mehr die Arbeit 
> besonders belastet und der Umsatz, der durch Maschinen 
> (Automation) ermöglicht wird, subventioniert.
> 
> Deshalb ist eine Konsequenz der Umstellung von der einnahme- 
> zur ausgabebezogenen Bezugsgröße der Besteuerung und 
> Sozialabgabe, dass arbeitsintensive Produktion billiger 
> werden kann, bzw. es können dort höhere Löhne gezahlt werden.

Es können auch heute höhere Löhne gezahlt werden. Werden aber nicht. Die
Erfahrung scheint zu lehren, daß höhere Löhne nur dann gezahlt werden, wenn
sie erkämpft werden.

Was von dem Argument bleibt, ist "dass arbeitsintensive Produktion billiger
werden kann". Aber wollten/sollten wir hier nicht umdenken? Ich will
garnicht, dass die arbeitsintensive Produktion eines Produktes billiger ist
als die weniger arbeitsintensive Produktion des gleichen Produktes. Oder
will hier jemand Arbeitsplätze schaffen?

> [...]
> Die These, dass Besteuerung Wegnahme von Eigentum ist, speist 
> sich auch noch aus diesem  traditionellen, unbeweglichen 
> Festhalten im Vorstellungsleben.

Das hatten wir schon: Das wecken negativer Gefühle durch die Unterstellung
negativ bewerteter Beweggründen ersetzt kein Argument, ist ein
Scheinargument.

> Im Unterschied zur Selbstversorgungswirtschaft alter Zeiten 
> kann heute außerhalb des Privatbereiches keiner allein durch 
> seine eigene Arbeit etwas hervorbringen, dass er dann 
> eigenmächtig als sein Eigentum bezeichnen kann. 
> Eigentum wird immer durch eine Rechtsgemeinschaft per 
> Vereinbarung (Gesetz
> usw.) zugesprochen.

Interessanter Ansatz. Was ist hier der Privatbereich? Kann ich im
Privatbereich nichts produzieren, zusammen mit anderen Privatleuten? Und
auch ohne Rechtsgemeinschaft habe ich das dringende Gefühl, das mir Dinge
gehören, die ich selbst produziere, selbst wenn ich ohne Rechtsgemeinschaft
dieser Eigentumsintuition vermutlich nicht immer Geltung verschaffen könnte;
ein Stärkerer könnte mir meine Dinge wegnehmen.

> Aufgrund der bestehenden arbeitsteiligen Produktionsweise der 
> Weltwirtschaft ist rechtmäßiges Eigentum wesensgemäß nicht in 
> der Produktions-, sondern nur in der Konsumptionsphäre zu 
> erwerben.

Ist das nicht eine Tautologie? Die Produktionssphäre ist definiert als der
Bereich, in dem  Produziert und nicht verkauft wird. Das ich da nichts
käuflich erwerben kann, liegt also an der Definition des Begriffs. Sobald
ein Produzent sich entschliesst, in seiner Produktionsspäre auch zu
verkaufen (Fabrikverkauf, Direktvermarktung), wird seine Produktionssphäre
gleichzeitig zur Konsumptionssphäre (heißt das wirklich so? Das erworbene
wird doch i.A. nicht an Ort und Stelle konsumiert?).

> Das ausgezahlte Einkommen, das zuvor vereinbart 
> worden war, berechtigt zum Kauf von privat genutzten Waren 
> und Dienstleistungen. So gesehen ist dann Eigentum an 
> Produktionsmittel eigentlich eine anachronistische 
> Rechtsform, die sich auf Grund der Realität der globalen, 
> arbeitsteiligen (und damit von Wesen her kollektiven) 
> Fremdversorgungswirtschaft,  nicht begründen lässt.

Das ist eben das Dilemma von Theorien: Man kann mit ihnen nichts begründen.

> Wird die Gesamtentwicklung erkannt, dann wird klar,

Klingt ziemlich ideologisch: "Ich hab sie erkannt, die absolute Wahrheit,
und wenn du sie auch erkannt hast, dann wird dir klar, dass ich Recht habe".
Wie wär's 'ne Nummer kleiner: "Wer meiner Theorie folgt, der kann verstehen
was ich meine."

> dass der 
> Gedanke der "Wegnahme" einer individualistischen Illusion 
> entspringt, der aus Selbstversorgungszeiten bis heute 
> tradiert wird. 
> [...]

> Ist es rechtlich klar geregelt, dass diese Kassen von allen 
> Konsumenten mit ihrem - beim Kauf gezahlten - Beiträgen 
> gefüllt werden, die in der Umsatzabgabe enthalten sind, dann 
> wissen auch alle, dass sie einen gesetzlichen Anspruch haben, 
> Leistungen - gemessen an ihrem jeweiligen Einkommen - aus 
> diesen Kassen zu beziehen, wenn sie diese benötigen und ein 
> Anrecht dafür erworben haben , insofern es über das 
> bedingungslose Grundeinkommen hinausreicht.
> 
> Individuelles "Versicherungsdenken" dagegen und 
> dementsprechende Systeme führen je nach Ausprägung mehr oder 
> weniger zu einem unsolidarischen Anspruchsdenken und 
> ungerechten Leistungssystemen, die meist einem ungezügelten 
> Egoismus entwachsenen.
> [...]

Geht's etwas konkreter? Was ist 'individuelles "Versicherungsdenken"'? Wenn
ich mein Auto gegen Wildschäden versichere, ein Hirsch springt mit durchs
Fenster, und ich will den Schaden von der Versicherungsgesellschaft ersetzt
haben. Erliege ich dann einem 
ungezügelten Egoismus. Wie hat man das eigentlich herausgefunden mit diesem
"ungezügelten Egoismus"? Oder ist das so eine Privattheorie, persönliches
Menschenbild, etc.?

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Reimund Acker




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