[Debatte-Grundeinkommen] Kumpmann 05/2007
Matthias Dilthey
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Sa Jun 30 22:16:31 CEST 2007
Hallo Bernd Hückstädt, hallo Liste,
wenn wir in eine "Wert-Debatte" einsteigen (früher oder später müssen wir das
sowieso) sollten wir uns, ähnlich wie beim Begriff Arbeit, Gedanken über die
Multifunktionalität des Begriffes "Wert" klar sein.
Am Beispiel Nahrungsaufnahme möchte ich das näher erläutern.
Verspürt ein Mensch Hunger, so kann dieser "Hunger" mindestens zwei Gründe
haben:
1. Der Körper benötigt dringend Energiezufuhr
2. Der Mensch fühlt ein Gelüst, eventuell sogar ohne wirklich Energiezufuhr zu
benötigen
Im ersten Fall handelt es sich um objektiv meßbare Werte, die dem Körper
zugeführt werden müssen: Vom menschlichen Organismus verwertbare
Nahrungsmittel mit einem Brennwert von x Joule.
Dabei tritt Aussehen, Geschmack und Beschaffenheit der Lebensmittel in den
Hintergrund.
Die objektive Werthaltigkeit besteht in der Energiemenge.
Im zweiten Fall spielt der Brennwert der Nahrungsmittel eine eher
untergeordnete Rolle. Es zählt Geschmack, Aussehen, Darreichungs-Ritual etc.
Diese "Werte" sind nicht objektiv meßbar, also objektiv wertlos.
Jetzt wird mir sofort erwidert werden, daß doch die Werthaltigkeit über das
Geld bzw. den Preis definiert wird, nicht über den Brennwert.
Dem ist entgegen zu halten, daß Geld ansich wertlos ist (vergl. Dilthey 2004,
Götz Werner 2007). Wir begleichen also objektiv Wertloses mit Wertlosem.
Wie Bernd richtig ausgeführt hat, besitzt in der traditionellen
Volkswirtschaftslehre das Gut einen höheren monetären Wert, das knapp ist.
Dieser höhere, monetäre Wert ist jedoch in Wirklichkeit wertlos, denn Geld ist
ja auch wertlos. Der reale Wert besteht demnach ausschließlich in der zur
Herstellung eingesetzten Energie.
Bedingt durch die Automatisation wurde die Knappheit der Güter beendet; nahezu
alle Produkte sind im Überfluß vorhanden.
Dadurch sinkt der Preis auf die mögliche Preis-Untergrenze. Und die ergibt
sich, zumindest bei Vollautomatisation, im Wesentlichen durch den zur
Produktion notwendigen Energie-Einsatz.
Darin begründet sich auch das Sinken der Real-Löhne. Denn menschliche Arbeit
ist objektiv nicht mehr wert, als die vom menschlichen Körper zur
Produktherstellung sinnvoll eingesetzte Energie. Zumindest wenn die
menschliche Tätigkeit automatisierbar ist.
Die Marxisten unter uns werden meine Kausalkette nicht zur Kenntnis nehmen
wollen und sich auf Marx berufen.
Dem halte ich entgegen, daß die Arbeits-Wert-Thesen von Marx in keiner Weise
belegt und vor dem Hintergrund extremer Automatisation und höchstgradiger
Arbeitsteilung von Marx überhaupt nicht beleuchtet sind.
Vielmehr sah Marx Erwerbsarbeit als Umverteilungsfaktor an, was zu seiner Zeit
problemlos möglich war.
Folgt man meiner Argumentationskette wird auch klar, warum z.B. die USA sich
gegen den Klimaschutz so auflehnen.
Streng davon zu trennen ist der "subjektive" Wert: "mir gefällt, ich möchte
gerne haben ..." ohne wirklichem Brennwert für den Organismus.
Subjektive Werte können wir uns ausschließlich leisten aus einem Überschuß aus
der objektiven Wertschöpfung:
"Ich tausche x-KG Kartoffeln gegen y-KG Fleisch" funktioniert.
"Ich tausche Haareschneiden gegen Fensterputzen" funktioniert auf Dauer nicht.
Ein emanzipatorisches BGE durchbricht zwangsläufig "Dankbarkeit" und
"Wertschätzung", denn es generiert sich ausschließlich aus objektiver
Wertschöpfung. Und diese objektive Wertschöpfung besteht nachweisbar
ausschließlich aus Energie-Transformation.
Wenn Bernd Hückstädt seinen Satz: "In so fern ist Dankbarkeit eine
psychologische Grundvoraussetzung für die Einführung eines bedingungslosen
Grundeinkommens" umdreht, stimmen wir überein:
"In sofern ist das BGE der Grundstein für Dankbarkeit!"
Liebe Grüße
Matthias Dilthey
Am Freitag, 15. Juni 2007 21:34 schrieb Bernd Hückstädt:
> Die Frage nach dem Wert ist wirklich spannend:
> Nach der herkömmlichen Volkswirtschaftslehre hat nur das einen Wert,
> was knapp ist. Je knapper, desto wertvoller. Im Umkehrschluss
> bedeutet dies, dass das was reichlich im Überfluss vorhanden ist,
> keinen Wert hat. Eine fatale Sichtweise, denn damit fühlen wir uns
> immer arm, egal wieviel wir haben. Und es erstaunt nicht, dass nach
> einer Studie anscheinend die meisten glücklichen Menschen in einem
> der ärmsten Länder leben: in Bangladesch.
>
> Was kann das für das Grundeinkommen bedeuten?
> Wir werden ein Grundeinkommen – egal in welcher Höhe – nur dann als
> wertvoll empfinden, wenn wir das alte volkswirtschaftliche Denken,
> "die Verteilung knapper Güter", an den Nagel hängen und Wert zu
> schätzen lernen, was wirklich wertvoll für uns ist, ganz gleich, ob
> es in Fülle vorhanden ist oder nicht.
>
> Das hat etwas mit Dankbarkeit zu tun.
> Dankbarkeit ist die Kunst, das wert zu schätzen, was da ist.
> In so fern ist Dankbarkeit eine psychologische Grundvoraussetzung für
> die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens.
>
> Herzliche Grüße
> Bernd Hückstädt
>
> Am 15.06.2007 um 10:18 schrieb lächelnjetzt:
> > Das ist eine interessante Sichtweise, Was ist ein Wert, wäre meine
> > Frage. Was ist mir was wert, für welche Werte tue ich etwas? Ist
> > ein Wert etwas Materielles? Was sind unsere größten Werte? Das
> > Anglitz einer Frau, also wie das Martin Buber als Freihals oder
> > Freiheit definiert, oder das ferige bezahlte Produkt?
> >
> > Warum gibt es Menschen, die schenken können, ohne Erwartung, also
> > auch ein Lächeln. Hat das keinen Wert, oder ist das überhaupt der
> > Wert, der vielen von uns fehlt? Ist dieses System von Wirtschaft
> > vielleicht nur geschaffen, weil uns diese Werte fehlen?
> > Was ist bedingungslos? Sich bedingungslos auf seinen Freihals
> > einzulassen, ist das vielleicht die Freiheit überhaupt, vorallem
> > wenn man dadurch erkennt, es gibt überhaupt keine Freiheit.
> > Doch das ist jetzt wirklich zu philosophisch.
> >
> > herzliche Grüße
> > axel tigges
> >
> >>> Nicht Arbeit schafft den Wert, sondern erst das fertige,
> >>> verkaufte und
> >>> bezahlte Produkt. Und zwar unabhängig von der Herstellungsweise:
> >>> Mensch oder
> >>> Maschine!
> >>
> >> Hallo Matthias, hallo Liste,
> >> das erscheint absolut logisch.
> >>
> >> Wie ist es nun mit dem Wert von Handarbeit, Kunst usw.?
> >> Auf den ersten Blick scheint das der obigen Aussage zu widersprechen.
> >> Bei näherem Hinsehen dürfte Handwerk und Kunst sogar florieren und
> >> möglicherweise preiswerter angeboten werden, da ja auch der
> >> Handwerker samt Familie grundversorgt ist und nur noch den
> >> Zuverdienst erarbeiten muss.
> >>
> >> Viele Grüße
> >> Bernd Hückstädt
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