[Debatte-Grundeinkommen] Antwort an Jörg Drescher wg. Finanzierung, Band 27, Eintrag 28

Florian J. Hoffmann florian at green-capitalism.org
Sa Jun 30 16:53:30 CEST 2007



Hallo Jörg,

ich schreibe meinen Kommentar zwischen den Text:

> -----Ursprüngliche Nachricht-----
> Von: Joerg Drescher [mailto:iovialis at gmx.de]
> Gesendet: Samstag, 30. Juni 2007 14:00
> An: Florian J. Hoffmann; debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
> Betreff: Re: Antwort an Jörg Drescher wg. Finanzierung, Band 27, Eintrag
> 28
>
>
> Hallo Florian (und die restlichen Interessierten),
>
> vor ca. 6 Jahren (noch bevor ich in die Ukraine ging) hatte ich
> ein Gespräch
> über das Grundeinkommen mit einer 6köpfigen Familie, wovon nur eine Person
> Einkommen hatte. Die Eltern waren verhemmt gegen ein Grundeinkommen, weil
> sie der Meinung waren, daß sie nicht für die "Faulen" einer Gesellschaft
> arbeiten wollten. Damit fällt für mich jede Einkommensbesteuerung flach,
> obwohl Deine Idee wirklich zu respektieren ist: das, was von
> einem Teil der
> Gesellschaft erarbeitet wird (in Form von Löhnen/Gehältern), soll auch an
> alle verteilt werden;

Kleine Fehlinterpretation: Einkommen kommt nur teilweise vom Arbeiten. Es
gibt auch Kapitaleinkommen und spekulative Einkommen. Ihr Anteil beträgt
sicherlich schon mehr als 30 Prozent -  mit steigender Tendenz. Hinzukommen
Einkommen, die so aussehen wie Arbeisteinkommen, die aber in Wirklichkeit
substanzvernichtende Arbeiten sind: Ich meine die aufgeblähte Bürokratie und
ihre Folgekosten. Einkommen haben alle. Und Einkommensungleichgewichte
müssen zu einem Teil ausgeglichen werden - schon aus Gründen der
Gerechtigkeit. Das hat nichts dmit zu tun, dass man von anderer Leute Arbeit
lebt.

der eigentliche Mehrwert (in Form von Umsätzen) soll
> für die Finanzierung der Gemeinschaftsausgaben (Staat) benutzt
> werden. Diese
> strikte Trennung haben wir allerdings beim Dilthey-Modell
> ebenfalls gegeben,
> indem dort zwei Formen der Mehrwertsteuer benutzt werden
> (Sozialumsatzsteuer
> zur BGE-Finanzierung; Mehrwertsteuer zur Staatsfinanzierung).
>

Eine Einkommensteuer ist nichts anderes als eine Umsatzsteuer, weil ein
Prozentsatz der Einnahmen abgeführt wird. Der Begriff und die Mehrwertsteuer
wurde geschaffen, um der Mehrstufigkeit der Güterproduktion gerecht zu
werden, ist aber auch eine Umsatzsteuer derselben Art. Wie man das Baby
nennt ist egal. Man kann auch alles in einen Topf werfen und dem bGE
gesetzlich eine Quote zuweisen. Aber dann wäre die Identifikation weg. Dann
wird die Solidarabgabe wieder an den Staat und nicht mehr an die Mitmenschen
und uns selbst bezahlt. Deshalb sage ich: Die Einkommensteuer finanziert das
bGE! Wir werden zur Solidargemenschaft.


> Die Sache mit der Einkommenssteuer ist nicht nur, daß die Arbeitenden die
> Nichtarbeitenden finanzieren, sondern es gibt auch ein Problem, was denn
> überhaupt "Arbeit" ist.
>

(Es gibt auch andere Quellen für Einkommen, s. o.)


> Matthias (Dilthey) sagte mir einmal, daß die Einnahmenseite
> relativ einfach
> zu bewerkstelligen sei, aber die Auszahlung viel schwieriger. Wie schafft
> man es, das eingenommene Geld so gerecht, wie nur möglich zu
> verteilen?

Jetzt verstehe ich die Welt nicht mehr! Das Schwierige ist doch die
Einnahmenseite, die Finanzierungsseite, sonst wäre das Problem doch längst
gelöst! Es harrt jedoch nach wie vor der Lösung! Die Ausgabenseite ist
gelöst. Sie heißt bGE. Deshalb haben wir uns doch versammelt. Das ist doch
genau der Punkt, an dem wir uns einig sind! Jeder bekommt gleich viel! Nur
das Problem der richtigen Höhe läßt sich nicht definieren. Deshalb sage ich:
Verteilt wird so viel wie eingenommen wird (an Einkommensteuer), d. h. die
Einnahmen bestimmen die Höhe der Ausgaben. Das ist das einzige Prinzip das
für alle Haushalte dieser Welt gilt und sollte deshalb auch hier gelten!
Weshalb ich nachstehende Problematik für nicht diskutierbar halte:


Und
> von der Höhe des Grundeinkommens hängt sehr viel ab - darunter z.B. die
> Arbeitsmoral, aber auch die Überlebensfähigkeit von Menschen, die
> keinerlei
> Möglichkeit haben, über Arbeit (oder leistungsloses Einkommen) Geld zu
> verdienen.
>
> Ein fester Auszahlungsbetrag (z.B. über einen Warenkorb) kann die Folge
> haben, daß über Inflation/Deflation das Geld einen ganz anderen Wert
> bekommt - somit muß der Auszahlungsbetrag an irgendetwas "festgemacht"
> werden, das dieser Dynamit gerecht wird; aber auch der Wirtschaftsleistung
> (Arbeitsmoral) des betroffenen Staates. Meiner Meinung nach hat
> das Matthias
> (Dilthey) sehr gut gelöst - schließlich wird nicht nur die BGE-Höhe an den
> Gesamtlöhnen festgemacht, sondern auch die (Sozialumsatz)Steuer.
>
> Die Frage, weshalb es keine Kriterien für die Einnahmeseite gibt,
> möchte ich
> nun selbst beantworten: mit solchen Kriterien legt man sich auf ein
> bestimmtes Modell fest und verbaut sich möglicherweise die ein oder andere
> Einnahmequelle. Würde man z.B. eine Einkommensbesteuerung strikt durch ein
> solches Kriterium ablehnen, würde auch das Dilthey-Modell durch dieses
> Raster fallen (schließlich wird Einkommen ab einer bestimmten Höhe im
> Dilthey-Modell auch besteuert).
>
> Der Dilthey-Ansatz ist in meinen Augen das bisher durchdachteste Konzept -
> wer meint, es habe Lücken oder sei verbesserungswürdig, soll (begründete)
> Vorschläge machen. Das, Florian, hast Du getan. Wie hier
> aufgeführt, gefällt mir Dein Vorschlag nicht ganz.
>

Mein Vorschlag hat den Vorteil, dass er sofort und mit einer langen
Übergangsperiode (die ich für erfordlich halte) umsetzbar ist und dass ihn
jeder versteht. Außerdem hat er den Vorteil, dass er sich moralisch
begründen läßt: Einkommen sind immer ungerecht verteilt. Sowohl über die
Zeitachse als auch regional oder strukturell. Also bedarf es eines
Umverteilungssystems für einen Teil der Einkommen. Was anderes bietet sich
an als eine Einkommensteuer als Solidarabgabe?

> Viele Grüße aus Kiew,
>
> Jörg (Drescher)
>
>

Grüße aus Düsseldorf zurück

Florian Hoffmann
www.global-oekonomie.de


> ----- Original Message -----
> From: "Florian J. Hoffmann" <florian at green-capitalism.org>
> To: <debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>; <iovialis at gmx.de>
> Cc: <sozial at gmail.com>
> Sent: Saturday, June 30, 2007 1:16 PM
> Subject: AW: Antwort an Jörg Drescher wg. Finanzierung, Band 27,
> Eintrag 28
>
>
> >
> > Lieber Jörg Drescher,
> >
> > ich darf den Teil Deiner Mail rezitieren, auf welchen ich Antworten
> möchte.
> > Immerhin stellst Du eine konkrete Frage, die - wie wahr - von größter
> > Bedeutung ist:
> >
> > "Es wäre trotzdem wünschenswert, daß attac oder das
> Netzwerk-Grundeinkommen
> > nicht nur Kriterien festlegt, was die Empfängerseite betrifft
> > (Existenzsichernd, ohne Arbeitszwang, soz.Kult. Teilhabe,
> Rechtsanspruch,
> > Bedingungslosigkeit...). Mir fehlt einfach eine Definition der
> > Finanzierungsseite, denn damit werden Punkte berührt, die von Attac z.B.
> > gefordert werden (vgl. Tobin-Steuer). Bisher scheint die
> BGE-Idee sich auf
> > die Verteilung zu konzentrieren, ohne zu bedenken, woher das Geld kommen
> > soll. Die Verteilung läßt sich auch tausendfach rechtfertigen und
> begründen.
> > Wie sieht's aber mit Rechtfertigungen und Begründungen für die zu
> > verteilenden Einnahmen aus? Oder habe ich bisher verschlafen und nicht
> > mitbekommen, daß es Kriterien für die Einnahmeseite gibt?"
> >
> > In der Tat wird die Finanzierung und Finanzierbarkeit des bGE von vielen
> > wichtigen Verfechtern ausgeklammert, so nach dem Motto: "Erst wird die
> > Forderung durchgesetzt, dann kümmern wir uns um die Finanzierung." Vogel
> > Strauss läßt grüßen! In der Tat besteiten die stärksten Gegener des bGE
> > immer die Finanzbarkeit. Und in der Tat sind Rechenmodelle, in denen 80
> > Prozent des Bruttosozialprodukts im bGE verschwinden nicht besonders
> > "verkaufsfördernd".
> >
> > Es gibt ein Dilthey-Modell, das einigermaßen plausibel ist,
> aber auch noch
> > nicht der Weisheit letzter Schluß, da es mit
> Durchschnittseinkommen, also
> > mit statistischen Werten arbeitet, während es bei der Finanzierung um
> Geld,
> > also konkrete Geldeinnahmen geht, deren Verwendung für das bGE gegeben
> sein
> > soll.
> >
> > Ich habe vor zwei Jahren schon ein Modell vorgestellt, das ich hier in
> aller
> > Kürze wiederholen möchte. Meine Grundaussage lautet: Dem Staat
> gehört die
> > Mehrwertsteuer, dem Bürger die Einkommensteuer. Der Mehrwertsteuersatz
> > (flat) repräsentiert den Anteil des Staates am Bruttosozialprodukt. Der
> > Einkommensteuersatz (flat), z.B. 30 Prozent, repräsentiert den Anteil am
> > Individualeinkommen, den jeder Bürger in die solidarische Umverteilung,
> also
> > das bGE, einbringen muß. Die Einkommensteuer wird damit zur reinen
> > Solidarabgabe, mit dem der Staat nichts zu tun hat. Der Staat
> ist nur für
> > das Funktionieren der Verteilung (über die Bundesbank) zuständig. Die
> > Auszahlung (einzige Bedingung: über 16 Jahre alt) als bGE ist ein
> > solidarisches Einkommen oder Sozialeinkommen, und stellt sich als dritte
> > Einkommenssäule neben das Arbeits- und das Kapitaleinkommen.
> >
> > Als bGE verteilt wird ausschließlich das, was in den Topf
> einbezahlt wird.
> > Kein fester Satz, sondern allmonatlich nach Aufkommen, bzw. Summe der
> > Einzahlungen variabel. Welche Höhe das bGE bekommen kann, bestimmen die
> > Bürger über die Steuerquote (flat) selbst. Insgesamt also ein reines
> > Solidarsystem, bei dem Aufkommen und Verteilung klar definiert sind.
> >
> > Vielleicht ist das eine Antwort, die Dich befreidigt?
> >
> > Schöne Grüße
> >
> > Florian Hoffmann
> > www.global-oekonomie.de
> >
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