[Debatte-Grundeinkommen] [Genugfueralle] Katja Kipping und Björn Böhning zum BGE bei Stern.de

Joerg Drescher iovialis at gmx.de
Mi Jun 27 15:22:27 CEST 2007


Hallo Heinrich (und sonstige Interessierte),

danke für Deine Auswahl! Mit Sicherheit ist vieles davon wahr. Allerdings
haben die aufgeführten Argumente kaum etwas mit einem Für oder Wider zum
Grundeinkommen zu tun - vielmehr geht es um "höhere Ziele", die nach dem
Grundeinkommen wirken sollen.

Eine erste Frage, die sich mir stellt: was ist "globaler Kapitalismus"? Was
ist daran "schlecht"? Was ist an den heutigen "ökonomischen Strukturen", an
"Privatisierung", an Betriebsverlagerung "schlecht"?

Wenn damit "Ausbeutung des Menschen durch den Menschen" gemeint ist, frage
ich weiter, weshalb sich ein Mensch durch einen anderen Menschen ausbeuten
läßt. Wenn dies damit zusammen hängt, daß sich der Mensch heute nur durch
Geld (Kapital) ein Leben leisten kann, wirkt das Grundeinkommen genau dem
entgegen - es "befreit" den Menschen. Und schon bekommt der "globale
Kapitalismus" eine andere Bedeutung.

Was "Demokratie" betrifft, will ich fragen, was man sich darunter
vorzustellen hat. Weiter geht's mit den "Herrschaftsmechanismen des
Kapitalismus".

Das BGE als alleinige, regelmäßige Geldzahlung verstanden, ändert wahrlich
nicht viel am bestehenden System; allerdings macht es Änderungen des Systems
erforderlich, aber auch möglich. Es dreht sich immer um "globale
Gleichheit/Gerechtigkeit" und "globale Herrschaft" - den ersten Punkt
erfüllt das BGE; der zweite Punkt ist die Folge daraus (wobei sich beide
Punkte gegenseitig bedingen).

Vor nicht allzulanger Zeit hatte ich angekündigt, für den zweiten Punkt
einen Vorschlag zu unterbreiten - daran arbeite ich, unterschätzte
allerdings den Aufwand und daß ich auch andere Verpflichtungen habe. Mein
Ansatz ist seit langem vorhanden und in Fragmenten veröffentlicht - was
fehlt, ist eine Zusammenfassung und ausführlichere Beschreibung. Der Link zu
der Arbeit: http://www.iovialis.org

Die aufgeführten Argumente sprechen in meinen Augen weder für, noch gegen
ein BGE, sondern bemängeln das "heutige Globalsystem" im allgemeinen. Wobei
wir wieder bei der "Dummheit" als Gegenteil der "Vorbehaltlosigkeit" wären:
das BGE wirft nämlich genau solche weiteren Fragen auf, die ein BGE nicht
beantwortet. Aber es scheitert ja schon an den "Vorbehalten" zum BGE...

Viele Grüße aus Kiew,

Jörg (Drescher)



----- Original Message ----- 
From: <heinrich-p at netcologne.de>
To: "Joerg Drescher" <iovialis at gmx.de>
Cc: "Gregor Czisch" <gczisch at uni-kassel.de>;
<genugfueralle at listen.attac.de>;
<debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>
Sent: Wednesday, June 27, 2007 3:13 PM
Subject: Re: [Genugfueralle] Katja Kipping und Björn Böhning zum BGE bei
Stern.de



Hallo Jörg,

hier sind einige - zugegebenermaßen Stichwortartige - Argumente die gegen
das Heilsversprechen eines BGE sprechen (auch wenn ich durchaus für ein
Grundeinkommen bin).


Mit einem BGE lebst Du weiter in einer globalen kapitalistischen
Gesellschaft.

Du änderst nichts an den herrschenden ökonomischen Strukturen, nichts an
Privatisierungen, nichts an Betriebsverlagerungen - schlicht nichts an der
Ausbeutung des Menschen durch den Menschen.

Du änderst nicht an der Tatsache, das Demokratie auch mit BGE an den
Werkstoren aufhört.

Du änderst nichts an den Herrschaftsmechanismen des Kapitalismus.

Du erweiterst damit keine demokratischen Rechte, keine Bespitzelung auf den
Plätzen oder demnächst bein Einkaufen und auch das kopieren von mp3's bleibt
weiterhin strafbar. Reden wir hierbei noch nicht einmal von Einflußnahme an
gesellschaftlichen Prozessen.


Das einzige, was Du bekommst, ist ein Geldbetrag für alle (was durchaus
positiv ist), der am unteren Rand der Einkommensscala liegt. Brot und
Wasser.

Was sonst?

:-) heinrich p


PS.: Na ja, ein b ischen polemisch ist das schon. Überspitzt ja, aber nicht
ganz unwahr. Oder?




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