[Debatte-Grundeinkommen] Fragen

Manfred Bartl sozial at gmail.com
Mi Jun 27 15:03:40 CEST 2007


Lieber Lukas!

Ob Du es glaubst oder nicht: Eine wünschenswerte Zukunft wird nur dann
Wirklichkeit, wenn man sie als gewünschte Realität darstellt. Wer
keine Utopien hat oder - schlimmer noch - Utopien grundsätzlich
ablehnt, kommt entweder nie irgendwo an - oder immer nur in
Realitäten, die von anderen bestimmt werden. Und wenn ich mir unsere
heutige Realität anschaue und ermesse, wie unendlich weit sie von der
objektiven Wirklichkeit entfernt ist, dann kommt mir das kalte Grausen
und ich möchte am liebsten 1000 Utopien dagegenstellen!

"Es kommt die Zeit, in der das Wünschen wieder hilft."
Die Toten Hosen

Ich glaube nicht an ein fertiges, konsensfähiges "Modell
Grundeinkommen". Die Modelle von Althaus/Straubhaar, FDP, in diesem
Zusammenhang auch von Götz Werner, die eigentlich nur zufällig AUCH
"Grundeinkommen" heißen oder unter diesem Terminus subsummiert werden,
obwohl sie ganz anders heißen, sind Herrschaftsmodelle, während die
Modelle der LINKEN, von Attac, der BAG-SHI, des Netzwerks
Grundeinkommen etc. Freiheitsmodelle sind. "Grundeinkommen" bedeutet
nicht bloß die monatliche Überweisung - man muss schon den Kontext
betrachten!

Schwerer Irrtum Deinerseits: Dass es in der heutigen Gesellschaft
nicht mehr für jeden Arbeit gäbe und auch nie wieder geben würde, ist
NICHT etwa Folge der Technisierung oder des Automatisierungsgrades!!!
Diese würden alleine für sich genommen nur zu einer höheren
Produktivität und bei gleichbleibender Wirtschaftsleistung einfach zu
einer Arbeitszeitverkürzung für alle führen.

Grund für die nicht mehr ausreichend verfügbaren Arbeitsplätze ist
allein das Machtverhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern!
Was insofern witzig ist, als den Arbeitgebern gar keine wirkliche
Macht zukommt. Es ist eine Macht, die ihnen von den Arbeitnehmern
schlicht kampflos überlassen wird - siehe den ver.di-"Streik" bei der
Telekom!

Die Buchstaben "VWL" stehen für Volkswirtschaftslehre, eine der beiden
"Wirtschaftswissenschaften", wie sie an Universitäten gelehrt werden.
Zwei wichtige Hinweise für Dich, Lukas:
1. Weder VWL noch BWL sind Wissenschaften.
2. Wenn die Gesetze DEINER VWL besagen, dass "den Gesetzen des Marktes
zufolge das Angebot den Preis bestimme, auch bei der Arbeit, und
deshalb Spitzenmanager, Führungskräfte und auch Ärzte immer besser
bezahlt werden als Reinigungskräfte, da jeder Mensch fähig ist einen
Raum zu reinigen, die wenigsten aber einen Konzern zu leiten oder
einen Menschen operieren können", dann verwendest Du offensichtlich
die falsche Volkswirtschaftslehre, nämlich die
neoliberalistisch-kapitalistische.

Die neoliberalistisch-kapitalistische Volkswirtschaftslehre ist aber
obsolet, weil ihr System - wie wir jeden Tag sehen - inhärent zu
vollständigem Wirtschaftsversagen führt. Oder wie erklärst DU Dir,
dass wir über das Grundeinkommen diskutieren, dass wir über
Mindestlöhne diskutieren, obwohl der "Wohlstand für alle", die primäre
Umverteilung über das  Wirtschaftssystem selbst und die sekundäre
Umverteilung über den Staat nur für Notfälle, doch schon etablierte
Bestandteile des - inzwischen aufgekündigten - "Rheinischen
Kapitalismus" waren???

Warum sollten es nicht 1500 Euro sein? Das soziokulturelle
Existenzminimum ist ein Absolutum - daran wird nicht zu rütteln sein!
Die 1500 Euro soll nicht etwa "der Staat" bezahlen - schon vergessen?:
"Es kann nur umverteilt werden, was zuvor erwirtschaftet wurde" - die
soll natürlich die Wirtschaft bezahlen! Zwar versagt die Wirtschaft
als primäres Umverteilungssystem, also muss verstärkt das sekundäre
Umverteilungssystem einspringen. Dessen Mittel stammen aber dennoch
aus der Wirtschaft! Und wenn diese das soziokulturelle Existenzminimum
unserer Einwohner nicht stemmen kann, ääh, also bitte!!!!

Und auch ich möchte den Spruch dieses ach so schlauen Menschen kommentieren:
"Ein sehr schlauer Mensch hat einmal gesagt, wenn Sie um vier Uhr
Nachmittags allen Menschen auf der Welt die Gleiche Summe X geben,
wird das Arm/Reich Gefälle spätestens halb fünf wieder hergestellt
werden. Das liegt in der Natur des Menschen und die kann man nun mal
nicht so einfach ändern (wenn überhaupt)."
=> Wenn man um vier Uhr Nachmittags allen Menschen auf der Welt die
Gleiche Summe X gibt und das Arm/Reich Gefälle spätestens halb fünf
wieder hergestellt sein wird, dann geht entweder der Mensch verkehrt -
oder aber diese Uhr!

Kann es nicht die Uhr sein?!

Gruß
Manfred


On 6/26/07, Lukas Hempel <lukas.hempel at gmail.com> wrote:
>
>
>
> Liebe Grundeinkommen Abonnenten,
>
> Als sonst passiver Leser habe ich mich auf Grund des Beitrages von Manfred
> Bartl entschlossen zum ersten Mal die Publish Funktion zu nutzen. Angeregt
> dazu hat mich insbesonders der letzte Absatz, der hier zum besseren
> Verständnis noch einmal zitiert wird:
>
>
> "Vielleicht reiben sich derzeit noch einige Kapitalisten die Hände, weil sie
> glauben, dass Arbeiter irgendwann nur noch ein Grundeinkommen erhalten,
> während sie ihr Grundeinkommen und zusätzlich noch Hunderte von Millionen
> Eigenkapitalrendite einstreichen werden. Aber DENKSTE, PUPPE! Die Wirkung
> wird natürlich gerade umgekehrt sein, dass das Grundeinkommen - das sich ja
> immer am realen soziokulturellen Existenzminimum orientieren wird! - immer
> weniger aus Lohneinkommen und immer mehr aus Kapitaleinünften finanziert
> wird! Individuelle Kapitalisten werden also sehr viel rascher und heftiger
> zur Kasse gebeten, als dass Arbeiter sich mit einem geringeren Lohn
> zufrieden zu geben haben werden :-) Am Ende dieser Entwicklung haben
> entweder alle Menschen in Deutschland und später alle Menschen weltweit das
> gleiche Einkommen, das sie qua ihres global identischen Mensch-Seins ja auch
> verdienen, - oder wir erleben den nächsten Evolutionssprung in der
> Gestaltung unserer Gesellschaft - oder die nächste Revolution!" Manfred
> Bartl in seiner Mail vom Montag, dem 25.06.2007
>
> Der besondere Reiz am Thema Grundeinkommen ist für mich, dass es von
> Vertretern der unterschiedlichsten sozialen Schichten und Gruppen propagiert
> wird. So treten einige FDP Politiker und Unternehmer, als auch DIE LINKE und
> Arbeitnehmervertreter für das Konzept des Grundeinkommens ein, was zeigt das
> das Modell durchaus Konsensfähig ist.
>
> Ich habe den Eindruck, dass Manfred eher seine Wunschvorstellungen als ein
> realistisches Bild in diesem Absatz beschreibt. Eine der Grundideen des
> Grundeinkommens ist es doch das es in der heutigen technisierten und
> automatisierten Gesellschaft nicht mehr für jeden Arbeit gibt und auch nie
> wieder geben wird. Eine Einführung des Grundeinkommens hätte zur Folge, dass
> Menschen, die heute arbeiten gehen sich zukünftig aussuchen könnten, ob sie
> mit dem Grundeinkommen zurecht kommen oder ob Sie für zusätzliches Geld
> arbeiten gehen möchten. Es wird immer Menschen geben, die mehr Geld haben
> möchten / brauchen und diese werden weiterhin arbeiten gehen. Das wird aber
> keineswegs eine allgemeine Angleichung der Löhne zur Folge haben, denn immer
> noch bestehen die Gesetzte des Marktes. Das Angebot bestimmt den Preis, auch
> bei der Arbeit. Deshalb werden Spitzenmanager, Führungskräfte und auch Ärzte
> immer noch besser bezahlt werden als Reinigungskräfte, da jeder Mensch fähig
> ist einen Raum zu reinigen, die wenigsten aber einen Konzern zu leiten oder
> einen Menschen operieren können. Die Annahme das durch die Einführung des
> Grundeinkommens damit eine Angleichung der Einkommen durch Arbeit erfolgen
> würde ist also grundsätzlich falsch und missachtet alle Gesetzte der VWL.
>
> Ein sehr schlauer Mensch hat einmal gesagt, wenn Sie um vier Uhr Nachmittags
> allen Menschen auf der Welt die Gleiche Summe X geben, wird das Arm/Reich
> Gefälle spätestens halb fünf wieder hergestellt werden. Das liegt in der
> Natur des Menschen und die kann man nun mal nicht so einfach ändern (wenn
> überhaupt).
>
> Des weiteren ist es auch sinnlos die Idee des Grundeinkommens mit einer Zahl
> von €1500 zu verknüpfen, da dies vom Staat schlicht weg nicht finanzierbar
> ist. Es gibt mehrere Berechnung unter anderem auch von Menschen die auch
> sonst was von Wirtschaft und Finanzen verstehen und da ist die Maximalzahl
> so bei €800. Es nützt nichts da mit Wunschzahlen zu operieren und dann wenn
> es tatsächlich mal umgesetzt wird sind dann alle ganz enttäuscht.
>
> Mit freundlichen Grüßen aus Dresden,
>
> Lukas
> --
> Lukas Hempel
> http://www.lucessystems.com
>
> Kontaktdaten:
> E-Mail, MSN Messenger, PayPal, Talley: Lukas.Hempel at gmail.com
> ICQ#: 270732610
> Yahoo: lucessys at yahoo.de

-- 
Manfred Bartl
Rheinallee 19
55118 Mainz
Tel. 06131 / 371 472
Tel. 06131 / 83 84 394
Handy 0179 / 11 70 216
E-Mail: sozial at gmail.com
so-zi-al: http://myblog.de/so-zi-al/
Das Unterschichtenblog - Armut und Arbeitslosigkeit: http://hartz.blogg.de/
NachDenkSeiten: http://www.nachdenkseiten.de/



Mehr Informationen über die Mailingliste Debatte-Grundeinkommen