[Debatte-Grundeinkommen] zu Axel Tigges Antwort an E.U.Schultz, Band 27, Eintrag 14

Manfred Bartl sozial at gmail.com
Mi Jun 27 12:47:15 CEST 2007


Hallo, Florian!

Mit Verlaub, aber in Deiner Argumentation geht einiges in den
(Schein-)Realitäten der neoliberalen Gehirnwäsche unter.

Das Problem des Kapitalismus ist nicht die ungleiche
Vermögensverteilung (Vermögen sind GRUNDSÄTZLICH ein Problem von
Leuten, die mit Geld nicht umgehen können, weil sie Geld einen Zweck
an sich zuschreiben.), sondern die ungleiche Einkommensverteilung.

Einkommen sind nicht über die Kaufkraft wesentliche
Finanzierungsquelle eines bGE, sondern in Form der Arbeitgeberkosten,
also - vor allem - der Bruttolöhne, aber auch inklusive allen
Arbeitgeberanteilen. Arbeitgeberkosten nämlich stellen die primäre
Umverteilung dar. Die primäre Umverteilungsgröße hat sogar noch
fortgesetzten Einfluss auf die sekundäre, die staatliche Umverteilung,
denn dreht der Arbeitgeber am Bruttolohn, ändern sich bei
gleichbleibenden prozentualen Lohnsteuerabzügen natürlich auch die zur
Umverteilung vorgesehenen Beträge. Manche Menschen glauben heute, die
Umverteilung beginne erst, nachdem der Staat seine Steuern bekommen
und ans Verteilen derselben gehen kann. Dass der erste
Umverteilungsschritt schon innerhalb der Wirtschaft in Form der
Lohnhöhe stattfindet, ist weitgehend in Vergessenheit geraten, obwohl
uns dieses Wissen jeden Monat in Form der Zahl jener, die mit der
Lohnhöhe Null leben sollen, trotz aller statistischen Beschönigungen
drastisch vor Augen gehalten wird...

Wenn Du die Arbeit der Gewerkschaften als Ausgleich brancheninterner
Einkommensungleichgewichte darstellst, klingt das zwar schön, ist aber
a) unvollständig und b) vergangen. Die Gewerkschaftsklientel der
Arbeitslosen ist nämlich aus dieser Betrachtung so komplett
ausgeschlossen wie die gesellschaftlich viel drängendere und für die
Gewerkschaften daher viel wichtigere Frage der Arbeitszeitreduzierung.
Daran erkennt man auch gleich, wie veraltet diese Betrachtung ist,
denn wenn die Gewerkschaft ver.di im sechswöchigen Telekom-Streik
nichts als Mehrarbeit und Lohnkürzung "durchsetzt", und nicht ganz
unbeteiligt so massiv versagt, weil sie bei den Telekom-Konkurrenten
eben höchstselbst niedrigere Tarife als bei der Telekom ausgehandelt
hat, dann hat ihre Arbeit gleich in beiden Bereichen nichts
gefruchtet. Aber das haben Peter Kurz (im "Freitag" 1) und Marcus
Hammerschmitt (in "Telepolis" 2) ja bereits bestens dargestellt.

1: http://www.freitag.de/2007/20/07200102.php
2: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25573/1.html

Gruß
Manfred



On 6/25/07, Florian Hoffmann <florian at hoffmannlaw.de> wrote:
>
> Lieber Axel Tigges,
>
> vielen Dank für die deutlichen Worte. Auch ich sehe in einem bedinguslosen
> Grundeinkommen ein notwendiges Korrektiv für die Tendenz des Kapitalismus
> zur ungleichen Vermögensverteilung. Aber genau so wichtig ist die Arbeit der
> Gewerkschaften, brancheninterne Einkommensungleichgewichte auszugleichen,
> denn die daraus resultierenden Einkommen (also breit gestreute Einkommen)
> sind wesentliche Finanzierungsquelle eines bGE (über die Kaufkraft). Beides
> zusammen bildet das richtige Zukunftsszenario zur Bändigung des
> Kapitalismus. Von solchen Erkenntnissen ist der Marxismus weit, weit
> entfernt.
>
> Schöne Grüße
> Florian Hoffmann
>
>

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