[Debatte-Grundeinkommen] an Matthais Dilthey wg. Finanzierung, Band 27, Eintrag 28

Florian J. Hoffmann florian at green-capitalism.org
So Jul 1 11:08:04 CEST 2007


Lieber Matthias,

ich darf mir erlauben, zwei Absätze aus Deiner Stellungnahme zu zitieren und
dazu Stellung zu nehmen:

1. "Es ist einfach unverantwortbar, ein paar Euro in ein Dorf in z.B.
Namibia zu schmeißen und die dortigen Strukturen damit in (unnötige)
Abhängigkeiten zu
zwingen."

und

2. "Die OECD hat verkündet, daß ein sehr hoher Teil der Menschen zukünftig
in Mega-Cities, darunter in Slums, leben werden. Ist dieser Zustand
erstrebenswert? ... Auch hier im Netzwerk hat kaum jemand die Gefahr der
Metropolen-Konzentration erkannt:"

Man könnte die Ausführungen in meinem Buch auch so verstehen:

zu 1.: Es ist deshalb nicht unverantwortbar, ein paar Euro in ein Dorf in
Afrika zu schmeißen, weil es sich dabei um ein bGE handeln soll, das
natürlich entsprechend deren Preisniveau wesentlich niedriger ausfällt als
bei uns. Kostet nur ein paar Euro.

und

zu 2.: Es ist unverantwortbar, ein bGE dort nicht (!) einzuführen weil, ein
bGE schon auf niedrigstem Niveau verhindern kann, dass sich jemand
entschließt seine ländlichen Strukturen zu verlassen und in die Slums zu
ziehen.

Das war für mich der Sinn der Übung, weshalb ich für mich reklamiere, die
Gefahr erkannt zu haben.

Schönen Sonntag!

Florian Hoffmann
www.global-oekonomie.de







> -----Ursprüngliche Nachricht-----
> Von: Matthias Dilthey [mailto:info at psgd.info]
> Gesendet: Samstag, 30. Juni 2007 20:37
> An: Florian J. Hoffmann
> Cc: Joerg Drescher; debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de;
> Werner Schumacher; sozial at gmail.com
> Betreff: Re: AW: Antwort an Jörg Drescher wg. Finanzierung, Band 27,
> Eintrag 28
>
>
> Hallo Florian, liebe Interessierte,
>
> über eines sollten wir uns im Klaren sein: das BGE hat eine unheimliche
> Hebelwirkung in alle gesellschaftliche Bereiche.
> Sowohl was die Finanzierungsseite, als auch die Ausgabeseite betrifft.
>
>
> Wenn Florian Hoffmann in seinem Buch ein BGE von ca. 50 EuroCent in der
> dritten Welt (finanziert von den Industriestaaten) fordert, so zeugt das
> davon, daß Florian nicht weiß, wovon er schreibt.
> Aus der monetär geprägten G8-Welt mag er Recht haben; aus der Sicht der
> bedürftigen Menschen eben nicht.
> (Hoffmann´s Buch ist sehr lesenswert; es beschreibt genau Wege und
> Ansichtsweisen, die wir m.E. auf keinen Fall gehen sollten, sich jedoch
> realpolitisch in der Umsetzungsphase befinden)
>
> Diese Woche bin ich erst aus Albanien zurückgekommen und hatte dort die
> Möglichkeit, ein wenig Einblick in den "Informellen Sektor" zu erhalten;
> Wirkungsweisen (versuchen) zu verstehen; die Denke von Menschen, die
> ausschließlich von informellem Geld leben, (versuchen) zu verstehen.
>
>
> Möchte man einen wirklich emanzipatorischen Charakter eines BGE,
> so stellt die
> Ausgabeseite die wirkliche Problematik dar. Wer das verkennt weiß nicht,
> wovon er redet.
 Im neuen Newsletter wird gewünscht, daß redaktionelle
> Mitarbeiter
> doch bitte in Berlin wohnen möchten.
> Genau diesen Migrationsdruck (Umzug nach Berlin, um die
> ehrenhafte Aufgabe
> erfüllen zu dürfen, den Newsletter mitzugestalten) sollte m.E. ein BGE
> verhindern.
>
> Wenn wir bei dem Versuch, ein BGE einzuführen, Pragmatismus
> walten lassen,
> setzen wir diese großartige, die Menschen befreiende Idee, garantiert für
> viele Jahrzehnte in den Sand.
> Soll "quick and dirty" unser Netzwerk-Markenzeichen werden?
>
>
> Kämpferische, aber trotzdem liebe Grüße!
>
> Matthias Dilthey
>
>
>
>
>
>
> Am Samstag, 30. Juni 2007 16:53 schrieb Florian J. Hoffmann:
> > Hallo Jörg,
> >
> > ich schreibe meinen Kommentar zwischen den Text:
> > > -----Ursprüngliche Nachricht-----
> > > Von: Joerg Drescher [mailto:iovialis at gmx.de]
> > > Gesendet: Samstag, 30. Juni 2007 14:00
> > > An: Florian J. Hoffmann;
> debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
> > > Betreff: Re: Antwort an Jörg Drescher wg. Finanzierung, Band
> 27, Eintrag
> > > 28
> > >
> > >
> > > Hallo Florian (und die restlichen Interessierten),
> > >
> > > vor ca. 6 Jahren (noch bevor ich in die Ukraine ging) hatte ich
> > > ein Gespräch
> > > über das Grundeinkommen mit einer 6köpfigen Familie, wovon nur eine
> > > Person Einkommen hatte. Die Eltern waren verhemmt gegen ein
> > > Grundeinkommen, weil sie der Meinung waren, daß sie nicht für die
> > > "Faulen" einer Gesellschaft arbeiten wollten. Damit fällt für
> mich jede
> > > Einkommensbesteuerung flach, obwohl Deine Idee wirklich zu
> respektieren
> > > ist: das, was von
> > > einem Teil der
> > > Gesellschaft erarbeitet wird (in Form von Löhnen/Gehältern),
> soll auch an
> > > alle verteilt werden;
> >
> > Kleine Fehlinterpretation: Einkommen kommt nur teilweise vom
> Arbeiten. Es
> > gibt auch Kapitaleinkommen und spekulative Einkommen. Ihr Anteil beträgt
> > sicherlich schon mehr als 30 Prozent -  mit steigender Tendenz.
> Hinzukommen
> > Einkommen, die so aussehen wie Arbeisteinkommen, die aber in
> Wirklichkeit
> > substanzvernichtende Arbeiten sind: Ich meine die aufgeblähte Bürokratie
> > und ihre Folgekosten. Einkommen haben alle. Und
> Einkommensungleichgewichte
> > müssen zu einem Teil ausgeglichen werden - schon aus Gründen der
> > Gerechtigkeit. Das hat nichts dmit zu tun, dass man von anderer Leute
> > Arbeit lebt.
> >
> > der eigentliche Mehrwert (in Form von Umsätzen) soll
> >
> > > für die Finanzierung der Gemeinschaftsausgaben (Staat) benutzt
> > > werden. Diese
> > > strikte Trennung haben wir allerdings beim Dilthey-Modell
> > > ebenfalls gegeben,
> > > indem dort zwei Formen der Mehrwertsteuer benutzt werden
> > > (Sozialumsatzsteuer
> > > zur BGE-Finanzierung; Mehrwertsteuer zur Staatsfinanzierung).
> >
> > Eine Einkommensteuer ist nichts anderes als eine Umsatzsteuer, weil ein
> > Prozentsatz der Einnahmen abgeführt wird. Der Begriff und die
> > Mehrwertsteuer wurde geschaffen, um der Mehrstufigkeit der
> Güterproduktion
> > gerecht zu werden, ist aber auch eine Umsatzsteuer derselben
> Art. Wie man
> > das Baby nennt ist egal. Man kann auch alles in einen Topf
> werfen und dem
> > bGE gesetzlich eine Quote zuweisen. Aber dann wäre die
> Identifikation weg.
> > Dann wird die Solidarabgabe wieder an den Staat und nicht mehr an die
> > Mitmenschen und uns selbst bezahlt. Deshalb sage ich: Die
> Einkommensteuer
> > finanziert das bGE! Wir werden zur Solidargemenschaft.
> >
> > > Die Sache mit der Einkommenssteuer ist nicht nur, daß die
> Arbeitenden die
> > > Nichtarbeitenden finanzieren, sondern es gibt auch ein
> Problem, was denn
> > > überhaupt "Arbeit" ist.
> >
> > (Es gibt auch andere Quellen für Einkommen, s. o.)
> >
> > > Matthias (Dilthey) sagte mir einmal, daß die Einnahmenseite
> > > relativ einfach
> > > zu bewerkstelligen sei, aber die Auszahlung viel schwieriger.
> Wie schafft
> > > man es, das eingenommene Geld so gerecht, wie nur möglich zu
> > > verteilen?
> >
> > Jetzt verstehe ich die Welt nicht mehr! Das Schwierige ist doch die
> > Einnahmenseite, die Finanzierungsseite, sonst wäre das Problem
> doch längst
> > gelöst! Es harrt jedoch nach wie vor der Lösung! Die Ausgabenseite ist
> > gelöst. Sie heißt bGE. Deshalb haben wir uns doch versammelt.
> Das ist doch
> > genau der Punkt, an dem wir uns einig sind! Jeder bekommt
> gleich viel! Nur
> > das Problem der richtigen Höhe läßt sich nicht definieren. Deshalb sage
> > ich: Verteilt wird so viel wie eingenommen wird (an
> Einkommensteuer), d. h.
> > die Einnahmen bestimmen die Höhe der Ausgaben. Das ist das
> einzige Prinzip
> > das für alle Haushalte dieser Welt gilt und sollte deshalb auch hier
> > gelten! Weshalb ich nachstehende Problematik für nicht
> diskutierbar halte:
> >
> >
> > Und
> >
> > > von der Höhe des Grundeinkommens hängt sehr viel ab -
> darunter z.B. die
> > > Arbeitsmoral, aber auch die Überlebensfähigkeit von Menschen, die
> > > keinerlei
> > > Möglichkeit haben, über Arbeit (oder leistungsloses Einkommen) Geld zu
> > > verdienen.
> > >
> > > Ein fester Auszahlungsbetrag (z.B. über einen Warenkorb) kann
> die Folge
> > > haben, daß über Inflation/Deflation das Geld einen ganz anderen Wert
> > > bekommt - somit muß der Auszahlungsbetrag an irgendetwas "festgemacht"
> > > werden, das dieser Dynamit gerecht wird; aber auch der
> > > Wirtschaftsleistung (Arbeitsmoral) des betroffenen Staates. Meiner
> > > Meinung nach hat
> > > das Matthias
> > > (Dilthey) sehr gut gelöst - schließlich wird nicht nur die BGE-Höhe an
> > > den Gesamtlöhnen festgemacht, sondern auch die (Sozialumsatz)Steuer.
> > >
> > > Die Frage, weshalb es keine Kriterien für die Einnahmeseite gibt,
> > > möchte ich
> > > nun selbst beantworten: mit solchen Kriterien legt man sich auf ein
> > > bestimmtes Modell fest und verbaut sich möglicherweise die ein oder
> > > andere Einnahmequelle. Würde man z.B. eine
> Einkommensbesteuerung strikt
> > > durch ein solches Kriterium ablehnen, würde auch das
> Dilthey-Modell durch
> > > dieses Raster fallen (schließlich wird Einkommen ab einer
> bestimmten Höhe
> > > im Dilthey-Modell auch besteuert).
> > >
> > > Der Dilthey-Ansatz ist in meinen Augen das bisher
> durchdachteste Konzept
> > > - wer meint, es habe Lücken oder sei verbesserungswürdig, soll
> > > (begründete) Vorschläge machen. Das, Florian, hast Du getan. Wie hier
> > > aufgeführt, gefällt mir Dein Vorschlag nicht ganz.
> >
> > Mein Vorschlag hat den Vorteil, dass er sofort und mit einer langen
> > Übergangsperiode (die ich für erfordlich halte) umsetzbar ist
> und dass ihn
> > jeder versteht. Außerdem hat er den Vorteil, dass er sich moralisch
> > begründen läßt: Einkommen sind immer ungerecht verteilt. Sowohl über die
> > Zeitachse als auch regional oder strukturell. Also bedarf es eines
> > Umverteilungssystems für einen Teil der Einkommen. Was anderes
> bietet sich
> > an als eine Einkommensteuer als Solidarabgabe?
> >
> > > Viele Grüße aus Kiew,
> > >
> > > Jörg (Drescher)
> >
> > Grüße aus Düsseldorf zurück
> >
> > Florian Hoffmann
> > www.global-oekonomie.de
> >
> > > ----- Original Message -----
> > > From: "Florian J. Hoffmann" <florian at green-capitalism.org>
> > > To: <debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>;
> <iovialis at gmx.de>
> > > Cc: <sozial at gmail.com>
> > > Sent: Saturday, June 30, 2007 1:16 PM
> > > Subject: AW: Antwort an Jörg Drescher wg. Finanzierung, Band 27,
> > > Eintrag 28
> > >
> > > > Lieber Jörg Drescher,
> > > >
> > > > ich darf den Teil Deiner Mail rezitieren, auf welchen ich Antworten
> > >
> > > möchte.
> > >
> > > > Immerhin stellst Du eine konkrete Frage, die - wie wahr -
> von größter
> > > > Bedeutung ist:
> > > >
> > > > "Es wäre trotzdem wünschenswert, daß attac oder das
> > >
> > > Netzwerk-Grundeinkommen
> > >
> > > > nicht nur Kriterien festlegt, was die Empfängerseite betrifft
> > > > (Existenzsichernd, ohne Arbeitszwang, soz.Kult. Teilhabe,
> > >
> > > Rechtsanspruch,
> > >
> > > > Bedingungslosigkeit...). Mir fehlt einfach eine Definition der
> > > > Finanzierungsseite, denn damit werden Punkte berührt, die von Attac
> > > > z.B. gefordert werden (vgl. Tobin-Steuer). Bisher scheint die
> > >
> > > BGE-Idee sich auf
> > >
> > > > die Verteilung zu konzentrieren, ohne zu bedenken, woher das Geld
> > > > kommen soll. Die Verteilung läßt sich auch tausendfach rechtfertigen
> > > > und
> > >
> > > begründen.
> > >
> > > > Wie sieht's aber mit Rechtfertigungen und Begründungen für die zu
> > > > verteilenden Einnahmen aus? Oder habe ich bisher
> verschlafen und nicht
> > > > mitbekommen, daß es Kriterien für die Einnahmeseite gibt?"
> > > >
> > > > In der Tat wird die Finanzierung und Finanzierbarkeit des bGE von
> > > > vielen wichtigen Verfechtern ausgeklammert, so nach dem Motto: "Erst
> > > > wird die Forderung durchgesetzt, dann kümmern wir uns um die
> > > > Finanzierung." Vogel Strauss läßt grüßen! In der Tat besteiten die
> > > > stärksten Gegener des bGE immer die Finanzbarkeit. Und in
> der Tat sind
> > > > Rechenmodelle, in denen 80 Prozent des Bruttosozialprodukts im bGE
> > > > verschwinden nicht besonders "verkaufsfördernd".
> > > >
> > > > Es gibt ein Dilthey-Modell, das einigermaßen plausibel ist,
> > >
> > > aber auch noch
> > >
> > > > nicht der Weisheit letzter Schluß, da es mit
> > >
> > > Durchschnittseinkommen, also
> > >
> > > > mit statistischen Werten arbeitet, während es bei der
> Finanzierung um
> > >
> > > Geld,
> > >
> > > > also konkrete Geldeinnahmen geht, deren Verwendung für das
> bGE gegeben
> > >
> > > sein
> > >
> > > > soll.
> > > >
> > > > Ich habe vor zwei Jahren schon ein Modell vorgestellt, das
> ich hier in
> > >
> > > aller
> > >
> > > > Kürze wiederholen möchte. Meine Grundaussage lautet: Dem Staat
> > >
> > > gehört die
> > >
> > > > Mehrwertsteuer, dem Bürger die Einkommensteuer. Der
> Mehrwertsteuersatz
> > > > (flat) repräsentiert den Anteil des Staates am
> Bruttosozialprodukt. Der
> > > > Einkommensteuersatz (flat), z.B. 30 Prozent, repräsentiert
> den Anteil
> > > > am Individualeinkommen, den jeder Bürger in die solidarische
> > > > Umverteilung,
> > >
> > > also
> > >
> > > > das bGE, einbringen muß. Die Einkommensteuer wird damit zur reinen
> > > > Solidarabgabe, mit dem der Staat nichts zu tun hat. Der Staat
> > >
> > > ist nur für
> > >
> > > > das Funktionieren der Verteilung (über die Bundesbank)
> zuständig. Die
> > > > Auszahlung (einzige Bedingung: über 16 Jahre alt) als bGE ist ein
> > > > solidarisches Einkommen oder Sozialeinkommen, und stellt sich als
> > > > dritte Einkommenssäule neben das Arbeits- und das Kapitaleinkommen.
> > > >
> > > > Als bGE verteilt wird ausschließlich das, was in den Topf
> > >
> > > einbezahlt wird.
> > >
> > > > Kein fester Satz, sondern allmonatlich nach Aufkommen, bzw.
> Summe der
> > > > Einzahlungen variabel. Welche Höhe das bGE bekommen kann,
> bestimmen die
> > > > Bürger über die Steuerquote (flat) selbst. Insgesamt also ein reines
> > > > Solidarsystem, bei dem Aufkommen und Verteilung klar definiert sind.
> > > >
> > > > Vielleicht ist das eine Antwort, die Dich befreidigt?
> > > >
> > > > Schöne Grüße
> > > >
> > > > Florian Hoffmann
> > > > www.global-oekonomie.de
>




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