[Debatte-Grundeinkommen] Wohngeld?

Tobias Crefeld tc-wasg at onlinehome.de
Mo Jan 15 14:03:14 CET 2007


On Mon, 15 Jan 2007 00:05:41 +0100 "Manfred Bartl" <sozial at gmail.com>
wrote:

> Alles in allem aber erscheinen mir Deine Gedanken reichlich
> akademisch. Bevor man über solche Konstellationen nachdenken muss,
> muss man erst einmal abwarten, ob Vermieter nicht versucht wären, die
> Mieten zu erhöhen nach dem Motto: "Die haben ja jetzt mehr Geld, also
> hole ich mir meinen Anteil daran", so wie Arbeitgeber denken könnten,
> sie könnten das Gehalt ihrer Mitarbeiter um den Betrag des
> Grundeinkommens senken. (Dass die sich in solchen Fragen wunderbar
> dumm stellen können, wissen wir ja zu genüge....) Beziehungsweise muss
> man sich Mittel ausdenken, wie man diesen geldorientierten Leuten
> solchen Nonsense von vornherein verbietet oder - noch besser -
> unmöglich macht.

Das Wohngeld ist letztlich ne Subvention des Staates an die Vermieter
von einfachen Wohnungen, um einerseits die Mieten sozialverträglich
niedrig zu halten, aber andererseits auch für Einnahmen zum Werterhalt
der Immobilie zu sorgen. Das hier auch viel Unsinn passiert, ist
vermutlich Wesen jeder pauschalen Subvention. Bei einer Subvention über
ein Grundeinkommen gilt das im Prinzip ähnlich, wobei offenbar manche
hier im Forum lieber das Wohngeld beibehalten wollen, was mir
inkonsequent erscheint.

Das die Arbeitgeber dazu neigen werden, das Grundeinkommen in ihre
Lohnkalkulation einfließen zu lassen, mag schon sein, aber letztlich
ist das doch irrelevant, solange - und da wird es wichtig - das
Grundeinkommen tatsächlich dauerhaft (!) existenzsichernd ist. 

Ist es das nicht, so ist man weiterhin auf einen Job angewiesen und es
entstehen aufgrund des bestehenden Arbeitgebermarkts wieder
Abhängigkeiten von den Arbeitgebern. Damit würde sich das BGE dann im
Effekt kaum von einer Lohnsubvention a la Kombilohn unterscheiden, wie
sie heute bereits existiert, weil diese ebenfalls an die Annahme eines
Jobs gebunden ist.

Aber so oder so, derzeit sehe ich keinen Grund zu der Annahme, dass
mit der Einführung eines BGE das Lohnniveau insgesamt steigen würde,
was ja auch Finanzierungsmodelle, die allein auf Einkommenssteuer
beruhen, zweifelhaft werden lässt. Wenn man argumentiert, dass man weg
möchte von einer jobzentrierten Finanzierung der Sozialsysteme, dann
ist eine Finanzierung auf der Einkommenssteuerschiene wenig plausibel.
Es werden ja heute bereits im Bereich niedrig dotierter Jobs den
Arbeitnehmern Kalkulationen durch den (meist etwas halbseidenen)
Arbeitgeber präsentiert, die es ihnen aus Gründen der Steuerprogression
wenig angeraten erscheinen lassen, mehr Gehalt zu fordern.

Arbeitsmarktpolitisch könnte ich mir gut vorstellen, dass letztlich eine
Entlastung des Arbeitsmarkts im Bereich der gering entlohnten Jobs,
meist für Unqualifizierte stattfindet. Praktika werden vermutlich gar
nicht mehr unbezahlt stattfinden, von Kurzzeitpraktika für Schüler oder
"Schnupperlehre" vielleicht mal abgesehen. Und wenn doch, so dürfte der
Ausbildungsaspekt deutlich in den Vordergrund rücken, weil wenn man
merkt, dass einem der Job ausbildungsmäßig nichts bringt, kann einen
eigentlich nur noch die reelle Aussicht auf eine steile Karriere bei
der Stange halten.

Bedeutet natürlich auch, dass die Zahl der Arbeitslosen eher auf die
realen ca. 8 Mio. ansteigt, weil die ganzen 1-EUR-Jobs wegfallen. Eine
Auswirkung könnte (!) es auch auf die Ausbildungsbereitschaft der
Arbeitgeber haben. Aber das ist wahrscheinlich doch eher fragwürdig,
weil die Arbeitgebersicht ja selten von Weitblick geprägt ist.

Interessanter ist es, wie sich das BGE auf die mittel bis höher
dotierten Jobs auswirkt. Hier leisten sich die Menschen ja dann einen
Lebensstandard, der nur noch über Arbeit finanzierbar ist. Werden diese
dann in Anbetracht zunehmender Arbeitslosigkeit auch bei höher
qualifizierten Jobs "nach unten" ausweichen, wie sie das heute "dank"
Hartz-4 schon tun? Man kann es fast annehmen, weil wenn ich z.B. einen
Finanzbedarf von 2000 EUR habe, der mindestens zur Hälfte vom BGE
gedeckt wird, dann bin ich vermutlich trotzdem bereit einen Job
anzunehmen, auch wenn der nur noch 600..1000 extra bringt. Und ein
Arbeitgeber, der für 600 EUR einen studierten oder einen
ungelernten Arbeitnehmer zur Auswahl hat, wird meist (Ausnahmen im
Handwerk) den "G'studierten" nehmen.

Bei den gut bezahlten Jobs glaube ich eigentlich nicht an einen
Einbruch. Die verdienen ja häufig mehr in einer Art sportiven
Wettbewerb ihr Geld, ohne das sie es tatsächlich brauchen ("Der
Kollege macht 80.000, also muß ich 90.000 machen" oder "damit ich
meine 120.000 rechtfertigen kann, muss ich ihm 100.000 geben"). Das sich
das mit einem BGE ändert, sehe ich nicht. Hier wird man sich stattdessen
seitens des Staats überlegen müssen, wie man an derlei überschüssige
Reserven ran kommt. Schließlich will das BGE ja auch finanziert sein
und auch wenn die Ackermann'schen Mio. primär dazu herausfordern,
machen sie doch in der Summe nicht so viel aus.

Insgesamt sehe ich nicht die großen arbeitsmarktpolitischen Effekte
außer dem, dass Mitarbeiter schneller bereit sein werden, auf einen Job
zu verzichten, wenn Klima oder sonstige Bedingungen nicht mehr stimmen.
Ob insgesamt, also auch bei den besser bezahlten Jobs mehr Fairness bei
Bezahlung und Arbeitszeiten einkehrt, wird ein BGE nicht entscheiden
können. Das wird schon erfordern, dass sich zukünftig die
Besserverdiener stärker organisieren als das heute Usus ist. Da wäre
dann natürlich schon ein Arbeitsfeld für Gewerkschaften da, aber ob das
die Gewerkschaften von heute leisten können? Zumindest bei etlichen,
mehr an der klassenpolitisch orientierten Funktionarios habe ich so
meine Zweifel.


Gruß,
 Tobias.



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