[Debatte-Grundeinkommen] Debatte-grundeinkommen Nachrichtensammlung, Band 23, Eintrag 71
Herbert Schliffka
herbert.schliffka at web.de
Fr Feb 23 21:24:03 CET 2007
Liebe Listenteilnehmer,
zu der von Joachim Behncke behaupteten "Steuerlüge" von Götz Werner,
möchte ich folgendnes beitragen.
Lieber Joachim,
warum soll der Bäcker, der doch schon in den Brötchenpreis von 30 Cent alle
zu zahlenden Steuern einkalkuliert hat, dann den Brötchenpreis um 2,7 Cent
erhöhen? Das kann er schon der Konkurrenz wegen nicht. Also Deine ganze
Rechnung ist überflüssig.
Werner behaupt doch nirgends, dass sein Unternehmen keine Steuern ans
Finanzamt abführt.
Er sagt nur, wenn alles gut läuft, führt er von dem, was er als seinen
Gewinn in die Preise einkalkuliert hat, nichts ab (Dabei ist Gewinn: Umsatz
minus aller Kosten und dazu gehören die abzuführenden Steuern).
Er sagt damit, die Steuern (gleich welcher Art), die ein Unternehmen
abführt, sind vorher in den Preisen einkalkuliert, damit das Unternehmen sie
abführen kann.
Wären sie nicht einkalkuliert und würden die Konsumenten diesen Preis, in
den sie einkalkuliert sind, nicht bezahlen, dann könnten Unternehmen sie
(über einen längeren Zeit gesehen) nicht abführen - müssten also Konkurs
anmelden.
Also realer Gewinn ist immer der "Gewinn nach Steuer". Von dem spricht Götz
Werner, wenn es sagt, er zahlt als Unternehmer (von seinem Gewinn) keine
Steuern.
Denn der "Gewinn vor Steuer" ist genauso illusionär wie der "Bruttolohn",
wenn darauf der Eigentumsbegriff angewendet wird. Alles was einer über den
real ausgezahlten "Nettolohn" (dazu gehören auch Steuerrückzahlungen hinzu)
angeblich erhält, hat er doch gar nicht in seiner Tasche. Nur das real
ausgezahlte Einkommen berechtigt ihn zum Kauf von Waren und
Dienstleistungen - nicht der Differenzbetrag zwischen dem Brutto- und
Nettolohn.
Der Steueranteil dieses Differenzbetrages, den die Unternehmen (bei der
Einkommenssteuer) für die Mitarbeiter abführen, finanziert die Einkommen der
Staatsbediensteten und ermöglicht dem Staat seine Rechnungen zu bezahlen.
Der andere Teil, der als Sozialabgaben von den Unternehmen an die
Krankenkassen abgeführt wird, berechtigt zur Zeit die Einkommensempfänger
dann Sozialleistungen zu empfangen kann, wenn die Bedingungen dafür erfüllt
sind.
Beim Gewinn ist es dasselbe. Nur der "Gewinn nach Steuer" ist der Gewinn
über den der Unternehmer verfügt. Und wenn er darüber verfügt, zahlt er
davon keine Gewinnsteuern, sonst verfügt er ja nicht darüber. Bei der
Mehrwertsteuer zahlt er die Steuer, wenn er den Gewinn als Einkommen beim
Kauf von Waren und Dienstleistungen ausgibt. Doch die MwSt. ist drzeit im
Verhältnis zu den anderen Steuern sehr gering.
Das beantwortet doch Deine Frage: "Wieso zahlt der Bäcker keine Steuern? Das
Unternehmen zahlt alle Steuern, nicht der Unternehmer von seinem Gewinn.
Deine nächste Frage ist auch einfach zu beantworten. Du fragst:
Zahlt er keine Steuern, "weil er das Geld, was er verdient, von seinem
Kunden bekommen hat?"
Ja und Nein.
Ja - er bekommt das Geld vom Kunde beim Kauf, weil alle Unternehmen den
Abgabeanteil (Steuer- und Sozialabgaben) in die Preise einkalkulieren
müssen, damit sie ihn ans Finanzamt und die Krankenkassen abführen können.
Nein - er zahlt nicht von dem was er real verdient, sondern nur von dem, was
ihm rechtlich zwar als "Gewinn vor Steuer" zugerechnet wird, bevor er es
abführen muss.
Dann behauptest Du: "Das ist doch eine einfältige Geldflußbetrachtung. Der
Gewinn ist eigentlich seins, und auf diesen Gewinn hat er Steuern zu zahlen,
oder?"
Auf den "Gewinn vor Steuern" schon. Doch von diesem scheinbaren "Gewinn"
spricht Werner doch gar nicht, sondern von dem realen Gewinn, der als Gewinn
und nicht als Steuer in den Preis einkalkuliert worden ist. Und das ist der
"Gewinn nach Steuern".
Wenn Du meinst, der "Gewinn vor Steuer" wäre doch eigentlich sein Gewinn,
weil im Kapitalismus diese Illusion rechtlich so geregelt wird, dann - so
müsstest du jetzt selbst sehen - warst Du in Bezug auf diese Sache selbst
ein wenig einfältig.
So einfältig ist Werner jedenfalls nicht. Offensichtlich pflegt er in seinem
Vorstellungsleben nicht diese ideologischen Phrasen der kapitalistischen
Selbstversorgungsillusion, denn er plappert das gewöhnlich Dahergeredete
nicht einfach nach. Er weiß, dass er da nicht Einnahmen für sich, sondern
für den Staat und die Sozialsysteme macht, damit dort Menschen tätig sein
können.
Allerdings ist er als Miteigentümer eines Unternehmens mitverantwortlich
dafür, dass das Unternehmen, das der gegenwärtigen Gesetzeslage nach sein
Eigentum ist, diese zur Abgabe einkalkulierten Einnahmen auch wirklich
abführt, sie also nicht widerrechtlich einbehält. Jeder Unternehmer ist
deshalb real gesehen auch so etwas wie ein Treuhändler der eingenommenen
Abgaben - für die er verantwortlich ist, bis das Unternehmen sie abgeführt
hat.
Das ist der rechtliche Tatsachengehalt, der als Rest-Realität in dem
üblichen ideologischen Gerede enthalten ist.
Und das alles ist ganz unabhängig davon, ob diese Abgaben, als Einkommens-,
Gewinn- Unternehmens- Mehrwert- oder sonstige Steuern oder Abgaben
abzuführen ist. Für die Funktion der Volkswirtschaft sind die Steuerarten
nicht unbedeutend. Es entstehen unterschiedliche Konsequenzen, je nach dem
welche Bezuggrößen für die Steuer- und Sozialabgaben zu Grunde gelegt
werden.
Die wichtigste Frage, die wir uns stellen müssen, ist die: Wollen wir alle
Unternehmen, die im Inland etwas verkaufen wollen, gleich belasten oder
wollen wir die Unternehmen, die im Ausland produzieren, bevorzugen und
denjenigen, die bei uns produzieren, benachteiligen?
Dann müssen wir das System der Einkommens-, Gewinn- und Unternehmessteuer
beibehalten.
Wenn wir das nicht wollen, dann ist ein Paradigmenwechsel notwendig.
Denn die Umstellung von der bisher dominierenden Steuer- und Sozialabgabe
hin zur Mehrwertsteuer hat im Zeitalter der Globalisierung die Konsequenzen,
dass alle Unternehmen, die - gleich wo sie produzieren - im Inland bei uns
etwas verkaufen wollen, in Hinsicht auf diese Abgaben gleichberechtigt
behandelt werden. Deshalb ist sie für alle am Wirtschaftsleben Beteiligten
am Besten.
Sie dazu meinen Text:
"Paradigmenwechsel bei den Steuer- und Sozialabgaben", im Lesebuch: Für eine
Welt nach dem Maß des Menschen. Die Alternative zur neoliberal dominierten
Gesellschaft ist notwendig und möglich, Achberg 2006, Seite 131ff;
erschienen im Achberger Verlag ISBN: 3-88103-023-9.
Siehe auch im Internet: http://www.ig-eurovision.net/
Selbst anfallende Eigentumssteuern zahlen schon heute die Konsumenten im
oben angedeuteten Sinn, wenn der Betroffene die Möglichkeit hat, diese
Steuer in Preise einzukalkulieren und er keinen Verlust seines Eigentums, z.
B. eines Miethauses, will. Er erhöht dann die Miete, wenn das möglich ist.
Wenn die Weitergabe bei der Preisgestaltung nicht möglich sein sollte,
bleibt letztlich nur der Verkauf des Eigentums (Konkurs).
Nur der Geldeigentümer zahlt solange, bis die Summe aufgebraucht ist. Es sei
denn, er kann es so anlegen, dass er die Steuer in den Preisen für diese
Dienstleistung weitergeben kann. Das heißt er verleiht gegen höhere Zinsen.
Die Unternehmen die Geld aufnehmen, müssen diese höheren Zinsen in ihren
Warenpreisen einkalkulieren, die wiederum die Konsumenten zahlen müssen.
Schwierig wird es für ihn, wenn die Nachfrage nach Investitionskapital
geringer ist als das Angebot.
Klar ist, der Paradigmenwechsel von der einkommens- zur konsumbezogenen
Steuer- und Sozialabgabe löst nicht das Eigentumsproblem. Will man es lösen,
müssen dafür andere Maßnahmen gefunden werden. Aber das ist hier nicht das
Thema
Das Eigentum bleibt beim Paradigmenwechsel unangetastet, solange es für die
Gemeinschaft produktiv ist. Nur die private konsumtive Verwendung wird mehr
oder weniger durch die MwSt. erfasst - je nachdem in welcher Abgabekategorie
es versteuert wird. Und Abgabekategorien sollte es nach dem
Paradigmenwechsel mehr als die beiden bisher Bestehenden geben, damit sozial
ausgewogen besteuert werden kann.
Mit freundlichen Gruß
Herbert Schliffka
----- Original Message -----
From: <debatte-grundeinkommen-request at listen.grundeinkommen.de>
To: <debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>
Sent: Thursday, February 22, 2007 6:38 PM
Subject: Debatte-grundeinkommen Nachrichtensammlung, Band 23, Eintrag 71
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Meldungen des Tages:
1. Die Wernersche Steuerlüge (rblaschke at aol.com)
2. Re: [Grundeinkommen-Info] Die Wernersche Steuerlüge
(Guido Casper)
3. Re: BGE und Regionalgeld (Guido Casper)
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Message: 1
Date: Thu, 22 Feb 2007 10:31:26 -0500
From: rblaschke at aol.com
Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Die Wernersche Steuerlüge
To: Debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de,
grundeinkommen-info at listen.grundeinkommen.de
Message-ID: <8C924ADA67A794B-1020-9BFF at WEBMAIL-RB03.sysops.aol.com>
Content-Type: text/plain; charset="utf-8"
Dies mailte Joachim Behncke zum Überdenken des Wernerschen MWST -
Ansatzes. Gibt es ExpertInnen, die sich dazu äußern können? Ronald Blaschke
----- Original Message ----- From: j.behncke Sent: Thursday, February 15,
2007 8:13 PM Subject: Die Wernersche Steuerlüge
Lieber Ludwig Paul, Ich glaube, es ist an der Zeit, als
"Nichtbetriebswirt" diesem Unsinn, alle Steuern seien "umgelegt" und ein
Unternehmer zahlt eigentlich keine Steuern, endlich einmal zu widersprechen,
und zwar deshalb zu widersprechen, weil es soviele gutgläubige Leute nicht
hinterfragen: Einfaches Beispiel: Ein Bäcker ( Personengesellschaft, zahlt
als Unternehmenssteuer im wesentlichen die Einkommensteuer und die
Gewerbesteuer, die ich hier mal außen vor nehme ) verkauft 1000 Brötchen zu
30 cent ( netto, mit der Umsatzsteuer wird er nicht belastet ). Er hat also
einen Umsatz von 300?. Seine Kosten ( Materialeinsatz, Personal inklusive
Lohnnebenkosten ) betragen 70%, d.h. 210?. Er hat also einen Gewinn von 90?.
Auf diesen Gewinn zahlt er Einkommensteuer von, sagen wir 30%, d.h. 27?.
Jetzt versucht er, die Steuern auf die Preise "umzulegen": Er verkauft im
Folgemonat (jahr) die Brötchen für 2,7 cent mehr pro Stück. Im besten Fall
verkauft er trotz der Preiserhöhung dieselbe Anzahl von Brötchen, nämlich
1000 Stück. Macht einen Gesamtumsatz von 327 ?. Seine Kosten sind gleich
geblieben, macht also einen gewinn von 327./.210=117 ?. Diesen Gewinn muß er
wieder versteuern ( wie vergessen hier mal die Progression ): 30% von 117
macht: 35,10 ? die er in echtem Geld an das Finanzamt zu überweisen hat,
selbiges bestreitet damit unter anderem den Bundeshaushalt, und aus diesem
Geld wird z.B. der Straßenbau finanziert. Wieso zahlt der Bäcker keine
Steuern? Weil er das Geld, was er verdient, von seinem Kunden bekommen hat?
Das ist doch eine einfältige Geldflußbetrachtung. Der Gewinn ist eigentlich
seins, und auf diesen Gewinn hat er Steuern zu zahlen, oder? Er kann nur
durch Reduktion seiner Bemessungsgrenze, sprich Abschreibungen seine
Steuerschuld verringern, sich aber nicht vom Brötchenkäufer finanzieren
lassen. Ein paar Daten zu den Steuern, z.B. in 2002: Einkommensteuer (
für 90% unserer mittelständischen Unternehmer identisch zur
Unternehmenssteuer ): 138 Milliarden, Mehrwertsteuer 136 Milliarden,
Körperschaftssteuer ( aufgrund der "genialen" Reform von rot-grün ):
mickrige 3 Milliarden. Meinst Du, das ist alles funny money, fiktives Geld?
Davon bestreitet der Staat seinen Haushalt. Der Verbraucher ist mit seiner
Lohnsteuer und der Mehrwertsteuer und anderen indirekten Steuern beteiligt
( Sekt, Tabak etc. ) Aber kein Unternehmer kann Steuern "umlegen" und sich
so von der Steuerzahlung befreien. Nicht einmal Friedrich Karl Flick konnte
das ( seine Erben bekommen dieser Tage einen Batzen Geld aus einer
Steuerabschlagszahlung zurück, die er vor 10 Jahren geleistet hatte. Mangels
Erstellung eines Steuerbescheids durch die Finanzbehörden: wegen Verjährung.
Das ist reales Geld ). Grüße Joachim
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-------------- n?ster Teil --------------
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Message: 2
Date: Thu, 22 Feb 2007 18:27:48 +0100 (CET)
From: Guido Casper <besserwisser3 at yahoo.de>
Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] [Grundeinkommen-Info] Die
Wernersche Steuerlüge
To: Debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
Message-ID: <20070222172749.67946.qmail at web27106.mail.ukl.yahoo.com>
Content-Type: text/plain; charset="iso-8859-1"
Joachim schreibt: "mit der Umsatzsteuer wird [der Bäcker] nicht belastet".
Das ist zwar richtig, da die Umsatzsteuer in Form der Mehrwertsteuer von den
Kunden bezahlt wird. Aber der Bäcker muss die Umsatzsteuer abführen. Das
wäre unterm Strich ebenfalls ein prozentualer Anteil von seinem (dann
geschmälerten) Gewinn.
Wenn ich diesen Umstand einmal anders formuliere, dann heißt das, Joachim
hat die Umsatzsteuer ignoriert aber die Einkommensteuer berücksichtigt.
Hätte er die Umsatz-/Mehrwertsteuer berücksichtigt, dann wäre sie entweder
im Preis von 30 Cent schon drin (und der Bäcker müsste sie auch davon
bezahlen), oder er müsste die Mehrwertsteuer nochmal auf den Preis
aufschlagen.
Gesetzt den hypothetischen Fall, der Mehrwertsteuersatz wäre identisch zur
Einkommensteuer des Bäckers (also 30 Prozent) und wir würden diesmal die
Mehrwertsteuer berücksichtigen und dafür die Einkommensteuer ignorieren,
dann wäre die Rechnung exakt dieselbe.
Das ist es, was Werner meint. Die eigentliche Frage ist: Soll man alle
Abschreibungsmöglichkeiten für die Einkommensteuer abschaffen und im
Gegenzug einen Einheitssatz (flat rate) einführen? Würde man das tun, dann
gibt es keinen Grund mehr, überhaupt noch Einkommensteuer zu erheben, weil
ihr Effekt derselbe ist wie bei der Mehrwert-/Umsatzsteuer.
Guido
Ende Debatte-grundeinkommen Nachrichtensammlung, Band 23, Eintrag 71
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