[Debatte-Grundeinkommen] Die Wernersche Steuerlüge

Joerg Drescher iovialis at gmx.de
Do Feb 22 22:55:01 CET 2007


Hallo Roland (und der Rest der Liste),

zwar bin ich kein "Experte" auf dem Gebiet, allerdings frage ich mich, was die Mail von Joachim Behncke mit dem Werner'schen Modell zu tun hat und welche Aussage überhaupt in der Mail enthalten ist. Irgendwie komme ich nicht hinter den Ansatz, was er uns damit eigentlich sagen möchte.

Er spricht davon, daß Unternehmer Steuern "umlegen" wollen und führt dabei ein Beispiel mit einem Bäcker auf. Dieses Beispiel erscheint mir (rechnerisch) zweifelhaft. Was will der Bäcker denn? Er zahlt Steuern und wenn er diese auf seine Kunden "umlegen" will, zahlt er immer noch Steuern, aber die aufgeführte Rechnung ist dabei falsch. Ziel des Bäckers ist (wenn er die Steuer auf die Kunden "umlegen" will), daß er 90 Euro Gewinn einfährt, statt nur 63 Euro (27 Euro zahlt er in dem Beispiel an Steuern).

Erhöht der Bäcker den Brötchenpreis um 2,7 Cent, macht er damit (bei gleichbleibenden Kosten) mehr Gewinn (nach den Beispielzahlen: brutto 117 Euro). Der Steuersatz ist bei 30%, der Bäcker zahlt real 35,10 Euro und ihm bleibt ein Nettogewinn von 81,90 Euro. Das sind weniger als 90 Euro und damit hat der Bäcker auch nichts "umgelegt", sondern nur seinen Gewinn erhöht (für den er immer noch Steuern bezahlt). Will der Bäcker tatsächlich 90 Euro Gewinn haben, darf er seine Brötchen nicht um 2,7 Cent teurer machen, sondern muß sie um 3,857 Cent erhöhen (Gesamtumsatz: 338,57 Euro, abzgl. Kosten [210 Euro]: 128,57 Euro, abzgl. 30% Steuer [38,57 Euro]: 90 Euro Nettogewinn).

Was hat das aber mit dem Werner'schen, bzw. Dilthey-Modell zu tun?

Der Anatz von Matthias Dilthey und der Gruppe um Götz Werner:
Jede Ware besteht aus Kosten (Material, Löhne, Steuern). Verkauft jemand die Ware zu genau diesem Selbstkostenpreis, fällt kein Gewinn an. Das ist aber nicht Ziel des Unternehmers, denn er will ja etwas verdienen. Das heißt, daß er auf seine Kosten einen Betrag X aufschlägt. Für dieses X zahlt der Unternehmer Steuern und dem Unternehmer bleibt eine Summe Y.

Werner, bzw. Dilthey gehen nun davon aus, daß die Summe Y auch dann besteht, wenn man die Steuern, die in den Kosten stecken, auf die Umsatzsteuer "umlegt" (ähnlich dem Beispiel mit dem Bäcker). Der Unternehmer hat danach immer noch die gleiche Summe Y, nur haben sich seine Kosten verändert (es sind keine Steuern darin), aber er zahlt für seinen Gewinn mehr Steuern. Der Unternehmer hat unterm Strich gleich viel. Der Unternehmer zahlt in dem Sinn keine Steuer, weil es sich bei der Umsatzsteuer um eine indirekte Steuer handelt, die wirtschaftlich betrachtet, vom Endverbraucher getragen wird.

Die Staatsseite sieht dabei ähnlich aus. Der Staat erhielt vor dem Werner/Dilthey-Ansatz Steuern aus den Kosten plus der Differenz zwischen X und Y. Durch die "Umlegung" der Steuern aus den Kosten erhält der Staat zwar nur noch die Differenz zwischen X und Y, aber die Umsatzsteuer verändert sich so, daß darin die ursprünglichen Steuern aus den Kosten enthalten sind.

Beispiel (heute)
Bäcker
1000 Brötchen
30 Cent/Stück
Gesamtumsatz: 300 Euro 
Kosten 210 Euro (Material- und Lohnkosten [incl. Lohnnebenkosten] 70%)
Bruttogewinn 90 Euro
Nettogewinn 63 Euro (weil 30% Steuer)

Beispiel (Werner/Dilthey):
Bäcker
1000 Brötchen
30 Cent/Stück
Gesamtumsatz: 300 Euro
Kosten  120 Euro (Material- und Lohnkosten [keine Lohnnebenkosten] 40%)
Bruttogewinn 180 Euro
Nettogewinn 63 Euro (weil die Kostenersparnis auf die Steuer "umgelegt" wurden [statt 30% -> 65%])

Die Preise bleiben gleich, die Einnahmen des Staates bleiben gleich, nur die Steuer wird an anderer Stelle erhoben. Steuern sind dadurch transparenter und für jeden einfacher ersichtlich. Wer weiß denn heute schon, wie sich die Kosten eines Unternehmers zusammensetzen - vor allem, welche Steuern in diesen Kosten enthalten sind?

Ich verstehe den Vorwurf der "Steuerlüge" nicht. Das Werner'sche Modell ist dem Dilthey-Modell sehr ähnlich. Scheinbar können manche Leute nicht rechnen, um diese Modelle zu verstehen. Das soll kein Angriff auf Herrn Behncke sein! Es ging leider nur aus dem Beispiel mit dem Bäcker hervor, wie es um die Rechenfähigkeit bestellt ist. Daraus eine Steuerlüge abzuleiten, weil man etwas nicht verstanden hat, scheint mir unseriös. Einstein hat dann auch gelogen ;-)

Nun hoffe ich, daß meine laienhafte Darstellung etwas zur Aufklärung der "Steuerlüge" beigetragen hat.

Viele Grüße aus Kiew,

Jörg (Drescher)

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  ----- Original Message ----- 
  From: rblaschke at aol.com 
  To: Debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de ; grundeinkommen-info at listen.grundeinkommen.de 
  Sent: Thursday, February 22, 2007 5:31 PM
  Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Die Wernersche Steuerlüge 


  Dies mailte Joachim Behncke zum Überdenken des Wernerschen MWST - Ansatzes. Gibt es ExpertInnen, die sich dazu äußern können? Ronald Blaschke

   
   



  ----- Original Message ----- 
  From: j.behncke 
  Sent: Thursday, February 15, 2007 8:13 PM
  Subject: Die Wernersche Steuerlüge


  Lieber Ludwig Paul,

  Ich glaube, es ist an der Zeit, als "Nichtbetriebswirt" diesem Unsinn, alle Steuern seien "umgelegt" und ein Unternehmer zahlt eigentlich keine Steuern, endlich einmal zu widersprechen, und zwar deshalb zu widersprechen, weil es soviele gutgläubige Leute nicht hinterfragen:

  Einfaches Beispiel: Ein Bäcker ( Personengesellschaft, zahlt als Unternehmenssteuer im wesentlichen die Einkommensteuer und die Gewerbesteuer, die ich hier mal außen vor nehme ) verkauft 1000 Brötchen zu 30 cent ( netto, mit der Umsatzsteuer wird er nicht belastet ). Er hat also einen Umsatz von 300€. Seine Kosten ( Materialeinsatz, Personal inklusive Lohnnebenkosten ) betragen 70%, d.h. 210€. Er hat also einen Gewinn von 90€. Auf diesen Gewinn zahlt er Einkommensteuer von, sagen  wir 30%, d.h. 27€. 

  Jetzt versucht er, die Steuern auf die Preise "umzulegen": Er verkauft im Folgemonat (jahr) die Brötchen für 2,7 cent mehr pro Stück.

  Im besten Fall verkauft er trotz der Preiserhöhung dieselbe Anzahl von Brötchen, nämlich 1000 Stück. Macht einen Gesamtumsatz von 327 €. Seine Kosten sind gleich geblieben, macht also einen gewinn von 327./.210=117 €. Diesen Gewinn muß er wieder versteuern ( wie vergessen hier mal die Progression ): 30% von 117 macht: 35,10 € die er in echtem Geld an das Finanzamt zu überweisen hat, selbiges bestreitet damit unter anderem den Bundeshaushalt, und aus diesem Geld wird z.B. der Straßenbau finanziert. 

  Wieso zahlt der Bäcker keine Steuern? Weil er das Geld, was er verdient, von seinem Kunden bekommen hat? Das ist doch eine einfältige Geldflußbetrachtung. Der Gewinn ist eigentlich seins, und auf diesen Gewinn hat er Steuern zu zahlen, oder?

  Er kann nur durch Reduktion seiner Bemessungsgrenze, sprich Abschreibungen seine Steuerschuld verringern, sich aber nicht vom Brötchenkäufer finanzieren lassen. 

  Ein paar Daten zu den Steuern, z.B. in 2002: Einkommensteuer ( für 90% unserer mittelständischen Unternehmer identisch zur Unternehmenssteuer ): 138 Milliarden, Mehrwertsteuer 136 Milliarden, Körperschaftssteuer ( aufgrund der "genialen" Reform von rot-grün ): mickrige 3 Milliarden. Meinst Du, das ist alles funny money, fiktives Geld? Davon bestreitet der Staat seinen Haushalt. Der Verbraucher ist mit seiner Lohnsteuer und der Mehrwertsteuer und anderen indirekten Steuern beteiligt ( Sekt, Tabak etc. ) Aber kein Unternehmer kann Steuern "umlegen" und sich so von der Steuerzahlung befreien. Nicht einmal Friedrich Karl Flick konnte das ( seine Erben bekommen dieser Tage einen Batzen Geld aus einer Steuerabschlagszahlung zurück, die er vor 10 Jahren geleistet hatte. Mangels Erstellung eines Steuerbescheids durch die Finanzbehörden: wegen Verjährung. Das ist reales Geld ).

  Grüße
  Joachim
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