[Debatte-Grundeinkommen] [Gr.NetzGE] Re: Diskussionsblog BGE Grüne Basis

Joerg Drescher iovialis at gmx.de
Do Feb 22 12:15:44 CET 2007


Hallo Listenteilnehmer,

vor ein paar Wochen ging schon einmal eine Mail herum, in der die Frage
aufgeworfen wurde, was denn die ganze Diskutiererei eigentlich bringen soll,
wenn sich daraus keine konkreten Handlungen ergeben würden. Wir plaudern
zwar alle schön, doch passieren tut scheinbar nichts. Wir träumen einen
schönen Traum, aber was ist mit der Realität?

Diesen Traum träumen wir nicht zum ersten Mal, vielmehr wird dieser Traum
seit Jahrzehnten geträumt. Es gibt längst schlüssige Konzepte, es gibt
komplette Finanzierungsmodelle und es wäre möglich, ein BGE umzusetzen, wenn
da nicht...

Ja, was? wenn da nicht... was?

Die Umsetzbarkeit eines BGE ist nicht weiter das Problem, aber die Folgen
des BGE stören gewaltig. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten, dieses BGE
anzugehen:
1.) man entwirft ein Konzept, das kaum Folgen verursacht. Daraus entstanden
dann solche Ideen, wie das TG-M oder darauf aufbauende Derivate
(Einkommensfinanziert). Dieser Ansatz senkt die Symptome der eigentlichen
Probleme, löst aber nicht deren Ursache. Grundbedingung für dieses Konzept
bleibt Einkommen.

2.) man ist radikal und entwirft ein neues Konzept, welches allerdings viele
Auswirkungen hat. Dies ist der Ansatz von Götz Werner und des
Dilthey-Modells. Derlei Modelle findet man relativ wenig, weil sie die
Ursachen angehen, um die Symptome zu lösen. Hier ist der eigentliche Konsum
die Bedingung.

Politiker sind sich sehr wohl darüber bewußt und wagen sich weder an Lösung
eins (damit müßten sie zugeben, jahrelang falsche Ansätze verfolgt zu
haben), noch an Lösung zwei (weil die Folgen unberechenbar wären). In Berlin
weiß man sich sehr wohl vom BGE - ich glaube nicht, daß irgendein Politiker,
der die Medien nur ein wenig verfolgt, das "Phänomen BGE" nicht wahrgenommen
hat.

Das BGE greift allerdings, egal welche Variante man wählt, in so ziemilch
alle Bereiche ein, die man sich vorstellen kann. Es ist nicht damit getan,
jedem einfach Geld zu geben und das war's dann. Dann könnte man genauso gut
fordern, daß man Geld komplett abschafft. Was ist aber mit bestehenden
Verträgen oder mit bestehenden Verpflichtungen? Wer würde dann noch
"arbeiten"? Was sollen die Leute machen, die nicht mehr "arbeiten"? Ja, wie
würde die Welt denn aussehen, wenn auf einmal alle genug Geld zum Leben
haben?

Es geht nicht um die Finanzierungsdiskussion oder um ein klares
"Umsetzungskonzept", es geht um die Diskussion über eine Vision, die auch
das auffängt, was "nach Einführung eines BGEs" passiert.

Mir sind die Diskussionen inzwischen zuwider, die begründen, daß man ein BGE
braucht - die führt man seit den 70ern. Ich vermisse eindeutig die Planung
eines Szenarios, einer Idee, die vor allem in den Augen der Menschen
wünschenswert ist. Und der Mensch wünscht sich nicht, mit einem BGE
abgegolten zu werden, sondern er will arbeiten, will sich beteiligen, will
sich nützlich fühlen... Es geht darum, nicht nur jemandem Menschenrechte
einzuräumen, sondern auch die Möglichkeiten zu schaffen, diese Rechte zu
verwirklichen.

Ich stimme zu, daß jede Diskussion über ein "für und wider" langweilig ist -
ich stimme für das "Prinzip Hoffung", der einen gangbaren Lösungsansatz vom
jetzt in der Zukunft aufzeigt. Das blockiert die Politik seit Jahren, denn
es fehlt ein Ziel. Man versucht heute Lösungen auf Probleme zu finden, die
den Fortbestand der Menschheit bedrohen und erklärt dies zu einem Ziel.
Dabei operiert man aber nur oberflächlich an Symptomen. Der eigentliche Sinn
des Ganzen scheint verloren gegangen.

Das BGE kann genauso zu diesem oberflächlichen Lösungsansatz verkommen - die
Gefahr besteht - aber es kann genauso einen Lösungsansatz bieten, in eine
neue Zukunft aufzubrechen. Die Frage ist, ob wir überhaupt dorthin
aufbrechen wollen, wo wir nicht wissen, was uns erwartet? Dies kühne
Abenteuer begehen Waghalsige, doch kann man dies nicht von der Menschheit
verlangen. Also sollten diejenigen, die den Aufbruch wagen wollen, zeigen,
was die Menschen in der "neuen Zukunft" erwarten könnte.

"Grün ist die Hoffnung" - nur schade, daß ich kein Grüner bin, sondern in
der blauen Philosophenpartei sitze ;-)

Jörg Drescher
http://www.iovialis.org
http://www.iovialis.de
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----- Original Message ----- 
From: j.behncke
To: Julia Seeliger ; Joerg Drescher
Sent: Wednesday, February 21, 2007 8:35 PM
Subject: Re: [Gr.NetzGE] Re: [Debatte-Grundeinkommen] Diskussionsblog BGE
Grüne Basis


Liebe Julia, liebe Liste(n)!

Habe mir mal die diversen Blogs angesehen: sehr schön und sehr interessant.
Ein deutschlandweites Diskussionsforum: strukturiert, organisiert. Aber was
leite ich daraus ab?

Wenn ich es richtig weiß, steht Blog für weblog, also ein Schiffstagebuch im
web. Ich schreibe heute früh:

"I had a dream this night: the dream was the introduction of an
unconditional basic income".

Wie bringt uns eine derartige offene Diskussion voran? Alle Argumente werden
hin und her geschoben. Alle Argumente sind allen zugänglich: Aber wie
resultiert das in einem Konzept?

Ich hoffe, mein Skeptizismus ist unangebracht. Überzeugt mich eines
besseren.

Grüße
Joachim




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