[Debatte-Grundeinkommen] Funktioniert die DemokratieinDeutschland?

Joerg Drescher iovialis at gmx.de
Di Feb 20 17:33:04 CET 2007


Hallo Rüdiger,

Du hast natürlich in vielem recht, was Du in Deinem Beitrag geschrieben
hast. Tatsächlich kommt man von einem Menschenbild auch zu Rechten, die sich
daraus ableiten. Nehmen wir dazu sie Menschenrechte, die 1948 definiert
wurden - was ist an ihnen falsch? Das hat erstmal nichts mit Steiner,
Crowley oder Eckert zu tun, sondern sind definierte Rechte, die der Mensch
einhalten soll. Das Christentum kennt Gebote, was keine Rechte, keine
(wirklichen) Pflichten oder Verbote sind, sondern eher "ethische Vorschläge"
("Du sollst nicht töten"). Noch besser gefallen mir die buddhistischen
"Gebote", die aus der schon diskutierten "inneren Einsicht" entstammen (z.B.
"Ich nehme den Schulungssatz an, nicht zu töten").

Dein vermißter und vergeistigter Mensch, der auch Körper ist, kann ich zwar
nachvollziehen, doch stimme ich dem nicht ganz zu. Der erste Punkt des
(vorgeschlagenen) Menschenbild ist gerade die Körperfunktion - ohne Nahrung
und Wasser ist es nunmal schwierig zu leben (manch Yogi mag das vielleicht
eine Zeit lang schaffen, aber er ist auch sterblich). Ich stimme Dir zu, daß
der Mensch diese Trinität (Körper, Geist, Seele) berücksichtigen sollte.
Wenn Du so willst, taucht diese Trinität auch in dem (vorgeschlagenen)
Menschenbild auf (biolog. Funktionen -> Körper; Eigenschaften -> Seele;
Fähigkeiten -> Geist).

Zwar habe ich in meinem Beitrag die Bedürfnispyramide (nach Maslow) nicht
genannt, doch findet sich das Stichwort auf der HP und in manchen Aufsätzen
(zum Jovialismus). Soweit ich weiß, gibt es inzwischen viel kompexere
Modelle und es ist gezeigt, daß die Bedürfnispyramide in der Art nicht
100%ig zutrifft (es gibt Menschen, die nach Befriedigung der
Grundbedürfnisse die Selbstverwirklichung erreichen und die übrigen "Stufen"
überspringen). Warum ich diese Bedürfnispyramide trotzdem anführte (z.B. auf
der HP) hängt damit zusammen, daß der Mensch eben Bedürfnisse hat (siehe
oben: Nahrungsaufnahme).

Ich will auch keine Menschen, die absolut vergeistigt sind und das Leben
vergessen (diesen Vorwurf mußte ich mir oft anhören, als ich wochenlang
abgekapselt in meinem Zimmer saß und grübelte). Ich bin genauso für einen
gewogenen Ausgleich der drei Aspekte des Seins (auch wenn ich mich selbst
nicht immer daran halte). Nur hört sich dies sehr stark esoterisch an und in
diese Ecke will ich mich nicht drängen lassen. Ich komme aus der
Naturwissenschaft, landete bei den Geisteswissenschaften (incl.
esoterischen) und kam über die Religionen dahin zurück, daß ich eigentlich
nichts anderes bin, wie der Mensch, der sich noch nie einen Kopf darüber
gemacht hat (vgl. die Geschichte von Siddhartha [z.B. von Hermann Hesse]).
Der Mensch blieb dabei der gleiche: er braucht Nahrung/Flüssigkeit, er hat
Eigenschaften und er hat Fähigkeiten. Das ist nicht die Natur des Menschen,
sondern die (lebendige) Natur schlecht hin.

Nun kann ich einem Menschen das Recht auf Leben gewähren, nehme eine Pistole
und schieße ihm eine Kugel in den Kopf. Damit hatte der Mensch trotzdem das
Recht auf Leben und ich habe es (das Recht) ihm auch nicht genommen - das
Recht (auf Leben) besitzt auch der nun tote Mensch. Deshalb verstehe ich
Deine Forderung nach Rechten nicht. Mein Ruf ist nicht der nach Recht,
sondern der nach Möglichkeiten. Das Beispiel sieht dann nämlich anders aus:
ich gewähre einem Mensch die Möglichkeit zu Leben. Schieße ich ihm in den
Kopf, habe ich ihm diese Möglichkeit genommen. Das ist ein kleiner, aber
feiner Unterschied. Und unser gesamtes Rechtsdenken klage ich schon lange
an, weil Recht noch lange nicht die Möglichkeit bietet. Vielleicht bist Du
aus diesen Gründen gegen die "Naturrechte"? Für mich ist jedenfalls dieser
Ansatz die Hauptbegründung für ein BGE (damit gebe ich dem Menschen die
Möglichkeit zu leben und nicht nur das Recht).

Vielleicht wird nun klarer, um was es beim Jovialismus geht - es ist nicht
das einfachste, diese Auffassungen niederzuschreiben, ohne daß sie
mißverstanden werden. Prinzipiell geht es darum, den "objektiven Sinn" des
Lebens zu erfüllen: den Fortbestand des Lebens zu ermöglichen. Daß ich dabei
das geistige überbewertet hatte, muß ich vielleicht entschuldigen - trotzdem
ist gerade die Aufklärung ein Ruf nach der Vernunft. Und diese Vernunft
dient welchem Zweck, wenn nicht dem Fortbestand des Lebens? Es ist auch
falsch, den Menschen nur auf das biologische zu reduzieren (also nur auf das
Überleben). Bewerte ich die Eigenschaften über, werde ich dem Menschen als
solchen auch nicht gerecht. Deshalb stimme ich Dir gerne zu, daß eine
Harmonie zwischen den drei Dingen existieren soll.

Ich bleibe trotzdem dabei, diese Ansichten "Jovialismus" zu nennen und das
ganze als "philosophisches Projekt" zu bezeichnen ;-)

Liebe Grüße aus Kiew,

Jörg (Drescher)

PS: die ganze Auffassung des Jovialismus begründet sich auf einem Weltbild,
das der Trinität der christlichen Lehre entspricht und anderweitig oft
auftritt (z.B. bei der Wertschöpfung, Arbeit ua.). Deshalb gibt es immer
wieder die Unterscheidung zwischen "Subjektiv", "Objektiv" und "Absolut"  -
fast immer wird dabei relativiert und ein Bezug hergestellt. Auch Hegel
hatte es mit dieser "Dreieckslogik".




----- Original Message ----- 
From: Rüdiger Heescher
To: Joerg Drescher
Cc: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
Sent: Tuesday, February 20, 2007 2:29 PM
Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Funktioniert die
DemokratieinDeutschland?




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