[Debatte-Grundeinkommen] Auf der Suche nach dem verlorenen Glück -> BGE

1981klaus- 1981klaus- at gmx.net
Sa Feb 17 01:15:08 CET 2007


Hallo, dieser kleine Auszug aus dem Buch "Auf der Suche nach dem 
verlorenen Glück" von Jean Liedloff ist passend zum bedingungslosen 
Grundeinkommen. Im Grunde beschreibt es den Prozess, der für viele 
eintreten kann, wenn der Zwang zur Arbeit aufhören wird, so wie es hier 
einem "zwangskultivierten" Indianer ging. (Wobei ich weder gegen Kultur 
noch für eine Rückkehr in Urzustände plädiere!!!).

Die Autorin Jean Liedloff traf in den 70ern im Dschungel von Venezuela 
auf die Yequana-Indianer, lebt dort 2 1/2 Jahre und versucht in ihrem 
Buch die Ursache ihres glücklichen Zusammenlebens zu ergründen. Einige 
ihrer Erkenntnisse - speziell zwei zum Thema Arbeit - haben mich schon 
vor 20 Jahren sehr beschäftigt.
Damals lag es noch in fernster Zukunft, wenn überhaupt, dass solchen 
Geschichten mehr als wehmütige aber illusionäre Ideale betrachtet 
werden. Die derzeitigen Diskussionen um das Grundeinkommen verändern das 
Bild.

Hier der Auszug:

*°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°*
*"Ein weiterer Hinweis auf die menschliche Natur und Arbeit ergab sich 
später.

Zwei Indianerfamilien wohnten in einer Hütte mit Aussicht auf einen 
herrlichen weißen Strand, eine Lagune in einem weiten Halbkreis von 
Felsen mit dem Caroni und den Arepuchifällen dahinter. Der eine 
Familienälteste hieß Pepe, der andere Cesar. Pepe erzählte mir die 
Geschichte.

Offenbar war Cesar in sehr jungem Alter von Venezolanern 'adoptiert' 
worden und war mit ihnen in eine Kleinstadt gezogen. Man schickte ihn 
zur Schule, er lernte lesen und schreiben und wurde von Venezulanern 
aufgezogen. Als er erwachsen war, kam er, wie viele Männer aus jenen 
Stäcten in Guyana, zum oberen Caroni, um sein Glück bei der Diamanten 
suche zu versuchen. Er arbeitete gerade mit einer Gruppe von 
Venezolanern, als er von Mundo, dem Häuptling der Tauripans von 
Guayparu, erkannt wurde.

'Bist du nicht von José Grande in seinem Haus mitgenommen worden?' 
fragte ihn Mundo.

'Ich wurde von José Grande aufgezogen', sagte Cesar, der Geschichte nach.

'Dann bist du zu deinem eigenen Volk zurückgekehrt. Du bist ein 
Tauripan, sagte Mundo.

Worauf Cesar nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss kam, es würde ihm 
als Indianer besser gehen, als wenn er als Venezolaner lebte; er kam 
also nach Arepuchi, wo Pepe wohnte.

Fünf Jahre lang lebte Cesar nun mit Pepes Familie, heiratete eine 
hübsche Tauripan-Frau und wurde Vater eines kleinen Mädchens. Da Cesar 
nicht gern arbeitete, aßen er, seine Frau und seine Tochter von dem. was 
in Pepes Pflanzung wuchs. Cesar war hocherfreut, daß Pepe nicht von ihm 
erwartete, er müsse sich einen eigenen Garten anlegen oder auch nur bei 
der Arbeit in dem seinen helfen. Pepe arbeitete gern, und da Cesar das 
nicht tat, paßte diese Regelung beiden Seiten.

Cesars Frau beteiligte sich gern mit den anderen Frauen und Mädchen 
zusammen am Schneiden und Zubereiten der Cassaba, aber Cesar tat nichts 
gern, außer den Tapi und gelegentlich anderes Wild zu jagen. Nach 
einigen Jahren entwickelte er eine Neigung zum Fischen und fügte seine 
Fänge denen von Pepe und seinen zwei Söhnen hinzu, die immer gern 
fischten und seine Familie immer großzügig versorgt hatten wie ihre eigene.

Kurz vor unserem Eintreffen dort beschloß Cesar, sich einen eigenen 
Garten anzulegen, und Pepe half ihm bei jeder Kleinigkeit, von der Wahl 
der Lage bis zum Fällen und Verbrennen der Bäume. Pepe genoß das um so 
mehr, als er und sein Freund die ganze Zeit schwatzten und Späße machten.
Nach fünfjähriger Rückenstärkung hatte Cesar das Gefühl, daß ihn keiner 
zu diesem Projekt trieb und war ebenso frei, Freude an der ARbeit zu 
empfinden, wie Pepe oder irgendein andere Indianer.

Pepe erzählte uns, daß alle in Arepuchi darüber froh waren, da Cesar 
zunehmend unzufrieden und reizbar geworden war. 'Er wollte sich gern 
einen eigenen Garten anlegen' - lachte Pepe - ' aber er wußte es selber 
nicht!'

Pepe fand es sehr komisch, daß es jemanden gab, der nicht wußte, daß er 
arbeiten wollte.'

Beck'sche Verlagshandlung, * *Ausgabe 1984, 75.-96.Tsd., S.21-22**
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Gruß
Christiane 
 








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