[Debatte-Grundeinkommen] Antwort an Jörg Drescher - Energie und BGE, Band 23, Eintrag 37

Joerg Drescher iovialis at gmx.de
Mi Feb 14 23:12:42 CET 2007


Reimund Acker schrieb:
> Abermals Einspruch! Ich weiss, dass ich derzeit von monatlich 800 ? in
> München leben kann, all inclusive. Von 1000 ? ebenfalls. Von 600 ? eher
> nicht. Es ist dafür belanglos, was das Wert ist, was Wert (überhaupt) ist,
> wie man den messen kann, etc.

> Eine Bemessungsgrundlage brauche ich nicht. Ich will, dass mindestens 800
?
> ausbezahlt wird. Es ist mir egal, woraus das finanziert wird, solange die
> dadurch entstehende Mehrbelastung zu den 800 ? dazukommen. Und es (na was
> wohl: die Euranten natürlich) soll so verteilt werden, dass jeder die 800
?
> bekommt. Ja, das finde ich gerecht. Was ist daran so schwierig, dass wir
> eine Dissertation daraus machen müssen?

Hallo Reimund (und der Rest der Liste),

oberflächlich scheint es nicht so wichtig, was Wert ist und wie man diesen
bemessen kann. Spätestens aber dann, wenn das BGE eine Inflation verursacht
und man für 800 Euro nicht mehr das bekommt, was man heute dafür bekommt,
werden wir uns fragen, was die 800 Euro denn eigentlich "wert" waren. Wegen
mir können wir die Diskussion über Wert und Wertbemessung beenden - ich für
meinen Teil habe für mich ein System gefunden, mit dem "Wert", "Mehrwert"
und "Wertschöpfung" erklärt werden kann (Grundlagen des Dilthey-Modell).

Was den Wahrheitsbegriff angeht, habe ich auch dafür ein System gefunden,
das mir sagt, daß es keine absolute Wahrheit geben kann - sehr wohl aber
eine objektive und subjektive. Und den 800 Euro ist es egal, ob sie absolut,
objektiv oder subjektiv wahr sind. Den 800 Euro ist es auch egal, ob ein
Mensch heute davon leben kann oder in einem Jahr, in 5 Jahren oder in 100
Jahren. Der Mensch wird trotzdem eine bestimmte Energiemenge brauchen
(heute, in einem Jahr oder ein zukünftiger Mensch in 100 Jahren).

Ich erwarte gar nicht, daß mich jemand versteht und mir zustimmt. Allerdings
wünschte ich mir, daß sich Leute wenigstens Gedanken machen, ob es nur um
800 Euro (oder Betrag X Euro) geht oder ob das BGE die Existenz sichern
soll.

Nun kann man mir lange das Wort verbiegen und mir irgendwelche Dinge
unterschieben, die ich so nicht meinte. Es ändert nichts an den Tatsachen
(objektive Wahrheit).

Es liegt an uns, die Zukunft zu gestalten.

Jörg (Drescher)




----- Original Message ----- 
From: "Reimund Acker" <reimund.acker at t-online.de>
To: "BGE Liste" <debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>
Sent: Wednesday, February 14, 2007 4:41 AM
Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen]Antwort an Jörg Drescher - Energie und
BGE, Band 23, Eintrag 37


Jörg Drescher schrieb:

> einige halten die Diskussion über Grundlagen wie Energie,
> Geld oder Wert für nicht zielführend.

Genau. Ich zum Beispiel.

> Manche sehen die
> Ansätze des Dilthey-Modells und des Jovialismus für obskur.

Da kann ich nicht mitreden. Weitere Weltmodelle und Ismen studiere ich
frühestens, wenn sie mir für die Durchsetzung und/oder Umsetzung eines BGE
unerläßlich oder zumindest hilfreich erscheinen.

> Allerdings frage ich mich, ob uns nicht die bisherigen
> Vorstellungen genau in die Situation brachten, in welcher wir
> heute sind.

Vorstellungen führen zu Handlungen führen zu Situationen führen zu
Vorstellungen ...

> Die Wert-Frage brachte den Kommunismus hervor.

Und den Kapitalismus, die doppelte Buchführung, den Audi TT, den Papst, die
Atombombe, die Pille, die Ehe und den Puff. Aber halt: Hat den Kommunismus
nicht ein gewisser Etienne Cabet erfunden, und hat der nicht statt der
Wertfrage das Gemeineigentum im Sinn gehabt?

> Sie [ die Wert-Frage] ist
> Grundlage jeder Volkswirtschaft.

Wirklich? Mir scheint es eher so, als hätten Völker schon gewirtschaftet
lange bevor jemand anfing, sich für Volkswirtschaftslehre zu interessieren
und Wertfragen zu stellen. Die Wertfrage "was kostet dieser Kohlkopf?" war
ja wohl nicht gemeint, oder?

> Es geht auch nicht um
> "Werte" in dem Sinn, was sich ein einzelner darunter
> vorstellt, sondern um eine Meßbarkeit von Wert.

Doch, darum geht es.

> Dafür wurde
> bisher die Maßeinheit "Geld" verwendet und selbst auf
> "Werte", wie Liebe angewandt (käufliche Liebe).

Eben. Bevor man Wert messen kann, sollte man sich nämlich erstmal
vergewissern, "was sich der Einzelne darunter vorstellt", und ob es
überhaupt möglich/sinnvoll/wünschenswert ist, das zu messen. Dann kann man
daran gehen, diejenigen Dinge, die gemäß den gemeinsamen Wert-Vorstellungen
der beteiligten Einzelnen gemessen werden sollen und können, abzugrenzen.
Dann brauchen wir noch eine Maßeinheit oder einen Bezugswert, und schon
können wir losmessen ;-)

> Marx leitete
> aus der "Wertfrage" einen Klassenkampf ab (Klassen mit
> Produktionsgütern und -mitteln als "Wert" und Klassen, die
> für diese "Werte" arbeiten müssen). Er baute sich eine
> Geschichtsphilosphie auf dieser Grundlage zusammen, die für
> ein gewisses Zeitfenster auch ihre Richtigkeit hat, aber
> weder davor, noch danach stimmt.

Der kann sich zwar nicht mehr wehren, aber Andere mögen hier entscheiden, ob
Marx aus der Wertfrage ableitete, aus der Machtfrage, der
Gerechtigkeitsfrage oder einer anderen Frage, oder einer Kombination solcher
Fragen. Ist mir eigentlich im Moment egal, aber die Behauptung erscheint mir
aufreizend monokausal.

> Darwin wurde für seine Evolutionstheorie verlacht, weil sich
> der Mensch als "Krone der Schöpfung" sieht und über der Natur
> stehen will. Dieser Mittelpunktswahn, wenn nicht gar
> Größenwahn und das Festhalten daran, etwas "Besseres" zu
> sein, das außerhalb der Natur stünde, ist in meinen Augen
> Grundlage für die Probleme, die es heute gibt - sei es in der
> Gesellschaft oder beim Weltklima.

Geschenkt.

> Günter (Weller), Florian (Hoffmann), Reimund (Acker), Peter
> (Scharl) oder Robert (Zion) wollen keine Diskussion darüber,
> bzw. würgen die Diskussion ab.

Noch würge ich nicht sondern diskutiere.

> Teilweise wird vor diesen
> Gedanken gewarnt: sie seien obskur, lächerlich, indiskutabel
> oder nicht zielführend in Bezug auf das BGE.

Ich warne nicht, ich würge nicht, die Gedanken sind harmlos (=Entwarnung)
aber länglich, umwegig, für das BGE m.E. unerheblich, und daher für die
Diskussion eher unnötiger Balast.

Ich empfehle den Ansatz eines anderen Energieexperten, Albert Einstein: So
einfach wie möglich, aber nicht einfacher ...

> Elementar für das BGE sind zwei Dinge:
> 1.) Ein Menschenbild
> Warum will man denn überhaupt ein BGE auszahlen? Was ist der
> Mensch eigentlich? Was legitimiert ein BGE oder gar einen
> Staat (der das BGE auszahlen soll)?

Jetzt kommen wir der Sache endlich etwas näher.
Das in der Diskussion zugrundegelegte Menschenbild scheint mir in der Tat
wichtig und einen eigenen Thread wert. Den ich hiermit eröffne (siehe meine
andere Mail).
Die zu diesem Punkt aufgeführten Fragen verstehe ich vermutlich nicht ganz;
ich würde eher so formulieren:
- Welche Vorstellungen vom Menschen sind mit einem BGE verträglich (und
welche nicht)?
- Wie sieht die Gesellschaft aus, in der ich gerne leben möchte, und warum
gehört für mich ein BGE dazu?

> [Elementar für das BGE sind zwei Dinge:]
> [1.) ...]
> 2.) Eine Definition, was Wert ist
> Was ist die Bemessungsgrundlage für das, was ausbezahlt
> werden soll? Aus was soll das "finanziert" werden, was
> ausbezahlt wird? Wie verteilt man (was
> eigentlich) gerecht?

Abermals Einspruch! Ich weiss, dass ich derzeit von monatlich 800 ? in
München leben kann, all inclusive. Von 1000 ? ebenfalls. Von 600 ? eher
nicht. Es ist dafür belanglos, was das Wert ist, was Wert (überhaupt) ist,
wie man den messen kann, etc.

Eine Bemessungsgrundlage brauche ich nicht. Ich will, dass mindestens 800 ?
ausbezahlt wird. Es ist mir egal, woraus das finanziert wird, solange die
dadurch entstehende Mehrbelastung zu den 800 ? dazukommen. Und es (na was
wohl: die Euranten natürlich) soll so verteilt werden, dass jeder die 800 ?
bekommt. Ja, das finde ich gerecht. Was ist daran so schwierig, dass wir
eine Dissertation daraus machen müssen?

> Geld unterliegt keiner Norm - es wurde nicht definiert - es
> wurde einfach als Maßeinheit für "Wert" hergenommen, ohne
> wirklichen Bezug dazu zu haben.

Na und?

> Gehe ich mit Hrivna nach Deutschland, kann ich mir dort
> nichts davon kaufen, in der Ukraine hat dieses Geld
> allerdings "Wert". Geld ist davon abhängig, welchen "Wert"
> ihm durch eine Gütergemeinschaft beimessen wird.

Ja und?

> Einem
> (wirklichen) Aborigines werde ich kaum mit einer
> 100-Dollar-Note zu irgendeiner Tätigkeit bringen können.

Aha, es geht also darum, jemanden zu irgendeiner Tätigkeit zu bringen?

> Erzähle ich ihm, daß ich Euro-Milliardär sei, wird er
> wahrscheinlich nichts damit anfangen können.
> Damit will ich sagen, daß "Geld" keinen absolut objektiv
> begründeten Wert hat (der überall und immer gilt).

Es gibt überhaupt nichts absolut objektiv Begründetes. Wie auch?
Aber ich nehme auch gerne 800 ? von relativ subjektiv unbegründetem Wert
(der nur hier und dieses Jahr gilt), solange ich davon leben kann und die
Höhe des BGE jährlich so angepasst wird, dass ich auch weiterhin davon leben
kann.

> Diesem Umstand versucht das Dilthey-Modell dadurch zu
> begegnen, daß eine andere Bemessungsgrundlage für "Wert"
> hergenommen wird: nämlich Energie, bzw. dessen Verbrauch. Das
> Menschenbild des Jovialismus nimmt sich der anderen
> BGE-wichtigen Komponente an und verbindet Mensch und Wert:
> jeder Mensch hat einen physiologisch überlebenswichtigen
> Energieverbrauch.

Das klingt ja nach verschärfter Bedürftigkeitsprüfung (in kJ). Und wenn ich
Glück habe, wird mir nach umfangreichen Berechnungen einer umfangreichen
jovialen Menschenenergiebehörde ein physiologisch überlebenswichtiger
Energieverbrauch zugestanden und umgerechnet zu 800 ?. Danke.

> Wir können hier nun weiter über die "Finanzierung" eines
> Grundeinkommens diskutieren und eine Höhe suchen, ab der dann
> noch jemand arbeiten würde.

Gerne. Die BGE-Höhe, ab der ich noch arbeite, kann niemand finden oder
errechnen. Aber man kann es jederzeit herausfinden indem man mir BGE einer
bestimmten Höhe auszahlt und anschliessend nachsieht, ob ich noch arbeite.

> Die Grundlagen (Mensch und Wert) bleiben dabei die gleichen -
> mit oder ohne Definition. Mir scheint allerdings, daß hier
> versucht wird, ein Haus ohne Fundament zu bauen.

Gute Idee. Ich würde sogar weiter gehen, und ein Wohnmobil bauen, denn wo es
keine absolute Wahrheiten gibt (z.B. überall), bleibt man besser flexibel
;-)

> Vielleicht macht sich der eine oder andere Listenleser einmal
> Gedanken darüber

der eine hat schon.

> - es wäre wünschenswert.

für

> Jörg (Drescher)

---

Reimund Acker

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