[Debatte-Grundeinkommen] Antwort an Robert Zion, Band 23, Eintrag 32

Florian Hoffmann florian at hoffmannlaw.de
So Feb 11 18:28:38 CET 2007


Hallo Robert,

ich denke, Du überforderst das bisschen Revolution, das in einem BGE steckt.
Und außerdem darf ich grundsätzlich anders interpretieren, wo die BGE-Idee
in der Gesäßgeographie anzusiedeln ist:

	1. Das BGE ist eine linke Idee, weil es ein bisschen Gerechtigkeit schafft,
durch Verteilung der Früchte - an jeden gleich viel! Aber,

	2. das BGE ist eine rechte Idee, weil seine Grundlage die Geldwirtschaft,
also die Marktwirtschaft ist - deshalb ist es eben keine linke Idee, weil
die Linken das Geld und das Kapital abschaffen wollen, und

	3. das BGE ist eine liberale Idee, weil die Leute mit dem Geld machen
dürfen, was sie wollen - insofern ist es auch keine linke Idee, weil die
Linke eher intolerant ist und gerne bevormundet.

	4. Das BGE ist sicherlich eine grüne Idee, weil es die kleinteilige
Vielfalt im Wirtschaften fördert - anders als alle Planwirtschaft, also
dafür sorgt, dass die Grundlage unseres Lebens, unsere Umwelt, mehr Chancen
hat, auf Dauer erhalten zu bleiben. Auch an dieser Stelle ist deshalb ein
BGE ziemlich weit von der Linken entfernt.

Und im übrigen finde ich es beschissen, dass im Rahme der
Debatte-Grundeinkommen immer wieder irgend eine politische Richtung das für
sich BGE vereinnahmen und als Richtung politische Vorteile daraus ziehen
will. Das Thema hier heißt BGE und nicht Partei XYZ! Das gilt für alle
Parteifreunde!

Schönen Abend!

Florian Hoffmann






Message: 3
Date: Sun, 11 Feb 2007 13:38:40 +0100
From: "Robert Zion" <zion at robert-zion.de>
Subject: [Debatte-Grundeinkommen] PsgD, Dilthey etc.
To: "Debatte Grundeinkommen"
	<debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>
Message-ID: <008c01c74dd9$8fef11c0$15b2a8c0 at Laptop>
Content-Type: text/plain; charset="iso-8859-1"

Hallo Freundinnen und Freunde,

ich beobachte diese Debatte schon eine ganze Weile und wundere mich
zunehmend mehr. Da bietet sich uns jetzt eine Chance, mit dem BGE dem
gegenwärtigen Totalabbruch des Sozialstaates ein wirkliches Gegenkonzept
entgegenzusetzen und hier werden stattdessen obskure Theorien ausgetauscht.

Was die PsgD betrifft, so genügt schon ein Blick in das Programm, um leicht
feststellen zu können, dass da lediglich sehr global normative Forderungen
aufgestellt werden, ohne auch nur grobe Ansätze einer Gegenwartsanalyse oder
von Umsetzungskonzepten zu liefern. Da wundert es denn kaum, dass hier in
das BGE so ziemlich alles hineinprojeziert wird, was Mensch sich so an
Theorien über Gesellschaft, Kapitalismus, Geld etc. ausdenken kann und das
BGE mittlerweile zur eierlegenden Wollmilchsau aufgeblasen wird, quasi zur
Universallösung.

Leute, kommt auf den Boden zurück. Das BGE ist keine Revolution, es ist eine
Notbremse, die zur Wahrung wenigstens noch des Anspruchs eines Sozialstaates
beitragen kann, für die Menschenwürde auch noch der ärmsten und
ausgestoßendsten einzustehen. Dass dieser Sozialstaat mittlerweile auf dem
Spiel steht und zugunsten einer "unsichtbaren Hand des Marktes"
(Kapitalismus pur) verabschiedet werden soll, muss Mensch allerdings schon
begriffen haben. Begriffen haben sollte Mensch allerdings auch, dass Arbeit
eine zielgerichtete menschliche Tätigkeit und als solche ein sich selbst
erfüllender und auch wertschöpfender Zweck ist und nicht etwas, zu dem
Mensch erst durch Geldanreize, Zwang, Abhängigkeit, Druck etc. getrieben
werden muss.

Darum ist das BGE eine linke Idee.

Andere Ansätze wie etwa den von Althaus (Minimalstausstattung und dadurch
Arbeitszwang aus schierer Not) oder den von Götz Werner halte ich für
verheerend. Gerade letzterer scheint ja sehr beliebt zu sein, doch will
dieser nicht viel mehr, als den gegenwärtig vom Finanzmarkt gesteuerten
Turbokapitalismus in die Konsumsphäre verlagern (und folglich alles nur noch
über Verbrauchssteuern finanzieren) - das BGE als Durchlauferhitzer einer
strikt wachstumsorientierten Massenkonsumgesellschaft! Verteilungsfragen,
Bürgerrechtsfragen, ökologische Fragen, Fragen der Demokratie spielen da in
Wirklichkeit keine Rolle mehr: Ökonomismus pur.

Für mich ist das BGE (auch) ein Instrument, die Demokratie endlich in die
Wirtschaft einzuführen, soziale Grundrechte einzufordern, und damit der
gegenwärtigen Verwirtschaftlichung (=Abschaffung) der Demokratie etwas
entgegenzusetzen.

solidarische Grüße
Robert Zion
B'90/Grüne, Geschäftsführender Vorstand und Bundesdeligierter, KV
Gelsenkirchen
Umweltpolitischer Sprecher der Ratsfraktion B'90/Grüne, Gelsenkirchen
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