[Debatte-Grundeinkommen] Brief zum bedingungslosen Grundeinkommen

Robert Zion zion at robert-zion.de
Di Dez 18 11:21:55 CET 2007


Hallo zusammen,

ich bekomme ja eine Menge E-Mails und Briefe (bleibt bei der mir zugefallenen Bekanntheit halt nicht aus), der unten Stehende hat mich aber besonders berührt, vor allem der Satz: "Als Beamter bin ich privat versichert, aber ich möchte nicht in einer Klassengesellschaft leben. Neidvolle Jugendliche warfen Steine gegen meine Hausfassade."

Genau darum geht es auch für mich: eine Gesellschaft, die allen ernstes meint, sie könnte große Teile der Bevölkerung "bedürfigkeitsgeprüft" in Hilfssysteme hineindrängen, wird eine Klassengesellschaft qua administrativer Funktion. Was für eine Demokratie soll das denn werden?!?! Das Problem der Inklusion bestimmter Schichten in die Hilfssysteme, die zur Falle und zum Stigma werden, ist doch in der Soziologie längst bekannt und analysiert, etwa bei Michael Opielka (hier: http://www.sw.fh-jena.de/people/michael.opielka/buecher/Flyer_Opielka_Sozialpolitik_Grundlagen_u_vergl_Perspektiven_re_Rowohlt_2004.pdf).

Liebe Grüße

Robert
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Sehr geehrter Herr Zion,

 

ich habe Ihren Namen im Radio im Zusammenhang mit dem grünen Parteitag und der Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) gehört.

 

Leider sind die Grünen wohl nicht so weit, wie damals, mit ihrer ökologischen Bewegung radikale Standpunkte einzunehmen.

 

Das BGE sollte wirklich bedingungslos und für alle gleich sein.

 

Für Kinder genauso hoch wie für Erwachsene.

 

Auf eine Grundsicherung sollte völlig verzichtet werden, nur so bekämen wir einen grandiosen Bürokratieabbau.

 

Warum wird die Finanzierung nicht einmal grundlegend dargestellt, z.B. für alle 400 € und 50 % Steuer und Sozialversicherung vom Einkommen?

 

Außerdem gehört der Solidaritätszuschlag wirklich abgeschafft: aber nur für in den Neuen Bundesländern bezogene Einkommen. Im Westen glauben die Menschen sowieso, sie seien die einzigen, die ihn bezahlen.

 

Ich lebe seit 1996 in Wurzen, komme aber aus Erding, von dort, wo die Arbeitsagentur mit der niedrigsten Arbeitslosenquote ist.

 

Merkel freut sich: Eine Million weniger Arbeitslose.

In Wurzen ist die Arbeitslosigkeit im vergangenen Jahr gestiegen. Auf 1600 bei 15 000 Einwohnern.

 

Meine Frau arbeitet in einer Imbissbude.

 

Wollt ihr wirklich das bedingungslose Grundeinkommen und den Mindestlohn?

 

Der Arbeitgeber meiner Frau, der Betreiber der Imbissbude, wird ihr keinen Mindestlohn zahlen können. Er wird seinen Hilfskoch entlassen und mit seiner Frau, vielleicht mit seinem zehnjährigen Sohn, die Imbissbude weiterbetreiben bis er aufgibt. Meine Frau, Hilfsköchin, wird keine Arbeit mehr finden.

 

Bitte, ihr Grünen, ich bin euer Stammwähler. Ich habe euch 1983 in den Bundestag gewählt. In Leipzig habe ich 2004 Plakate geklebt für die Grünen, seitdem sind die Grünen auch im sächsischen Landtag. 



Vergesst die FeministInnen. Für die Niederkunft meiner Frau – wir leben in eheähnlicher Lebensgemeinschaft, darum bekommt sie auch kein Arbeitslosengeld – habe ich keinen Urlaubstag bekommen. Ich bin Beamter. Als Lesbe in Eingetragener Lebenspartnerschaft hätte ich einen Urlaubstag bekommen.

 

Stellt das BGE dar als Alternative von Grundsicherung und vom Mindestlohn. Krankenversicherung für alle gleich.

Als Beamter bin ich privat versichert, aber ich möchte nicht in einer Klassengesellschaft leben. Neidvolle Jugendliche warfen Steine gegen meine Hausfassade.

 

Außerdem bin ich auch für die Gesamtschule.

 

 

Mit freunlichen Grüßen

 

 

M. L.
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