[Debatte-Grundeinkommen] [Debatte] Re: [Gr-Linke] Fwd: Offener Brief SozialpolitikerInnen zur BDK in Nürnberg

Matthias Dilthey info at psgd.info
Sa Dez 1 17:54:12 CET 2007


Hallo Manfred, hallo Liste,

wer Manfreds wirtschaftlichen Ausführungen zustimmt (was ich über weite 
Bereiche mache), muß erkennen, daß daraus auch BGE-finanzierungsseitige 
Konsequenzen zu folgern und zu fordern sind.

Manfred schreibt zu Recht, daß eine Umverteilung volkswirtschaftlicher 
Wertschöpfung über Erwerbsarbeit heute nicht mehr funktioniert.

Unterstellt man die Richtigkeit dieser These, und vieles spricht dafür, so 
wäre es ein Unding, den Arbeitslohn zur BGE-Finanzierung heranzuziehen.
Wenn der Arbeitslohn schon im jetzigen System nicht mehr zur Umverteilung 
volkswirtschaftlicher Wertschöpfung geeignet ist, warum soll er dann zur 
BGE-Finanzierung taugen?

Matthias Dilthey



Am Mittwoch, 28. November 2007 10:05 schrieb Manfred Bartl:
> Hallo, Lothar!
>
> Wie jeder auf dieser Liste weiß, bin ich Grundeinkommensbefürworter
> und Grundeinkommensbefürworter auch nur in einer mittelfristigen
> Dimension, während ich langfristig zum Anarchokommunismus tendiere. Es
> liegt mir wahrhaftig fern, für "abhängige ausbeuterische Lohnarbeit"
> die Werbetrommel zu rühren! Ich habe lediglich auf die
> systemimmanenten Widersprüche der Gegenwart hingewiesen :-)
>
> Abgesehen davon ist der Terminus "Arbeitsplätze schaffen" kein
> Absolutum. Man kann sinnvolle oder sinnlose Arbeitsplätze schaffen,
> man kann betriebswirtschaftlich notwendige Arbeitsplätze oder solche
> Arbeitsplätze schaffen, die unter volks- wie betriebswirtschaftlicher
> Perspektive Luxusarbeitsplätze sind, man kann Wachstumsarbeitsplätze
> schaffen genausogut wie man Arbeitszeitreduzierungsarbeitsplätze
> schaffen kann. - Ich sprach insbesondere von
> Arbeitszeitreduzierungsarbeitsplätzen!
>
> Es mag betriebswirtschaftlich betrachtet kein Ziel von Unternehmen
> sein, Arbeitsplätze zu schaffen - volkswirtschaftlich betrachtet aber
> schon! Die Marktwirtschaft hat ZWEI Aufgaben: Produktion von Gütern
> und Dienstleistungen einerseits UND Kaufkraftverteilung andererseits,
> was in der Fläche über abhängige Lohnarbeit erreicht wird. Diese
> sekundäre Funktion wird oft vergessen, wie die Mehrheit aller
> Deutschen heute zu glauben scheint, dass eine "Umverteilung" allein
> über Sozialabgaben und Steuern (also ALG II u.Ä.) geschieht. Dabei ist
> diese Art der staatlich gesteuerten, sozial "gezielten" Umverteilung
> nur die Eigenschaft der SOZIALEN Marktwirtschaft! Die EIGENTLICHE
> Verteilung aber - die ja auch nicht etwa Naturgesetzen oder auch nur
> emanzipierten Machtverhältnissen geschuldet ist - soll primär über das
> Wirtschaftssystem selbst funktionieren! Nur versagt diese Funktion
> immer mehr. Fachbegriff dafür: WIRTSCHAFTSVERSAGEN.
>
> Hier kommt das Grundeinkommen ins Spiel: Es ermöglicht eine
> individuelle, leistungs- und leistungsbereitschaftsunabhängige,
> menschenrechtlich garantierte, existenzsichernde und zur Teilhabe
> befähigende Mindestverteilung der Gesamtwirtschaftsleistung ohne jede
> Bedingung, außer der, ein Mensch zu sein.
>
> In allem anderen gebe ich Dir, Lothar, sowieso Recht, außer in einem:
> Wenn heute ganz plötzlich alle Unternehmer auf einen Schlag ihre
> Bücher einpacken und in die Karibik abwandern würden, hätten wir zwar
> erst einmal keine Arbeitsplätze mehr, soweit richtig; wir hätten aber
> auch keine Versorgung mehr, und dann würden einfach andere
> einspringen, die Plätze der Unternehmer einnehmen, deren Kapital
> vereinnahmen und die Versorgung der Bevölkerung wiederherstellen. Ich
> sage nur "Strike Bike" :-)
>
> Viele Grüße
> Manfred
>
> On Nov 27, 2007 9:40 AM, lothar walczak <lwalczak at gmx.de> wrote:
> > Am 19. Nov 2007 um 21:14 schrieb Manfred Bartl:
> >
> >
> >
> > Nur dann können
> >
> > Arbeitgeber aller Art (auch der Staat!) dazu bewegt werden, Menschen
> >
> > einzustellen
> > Niemand kann gezwungen werden, "Unternehmer" zu werden, Arbeitsplätze zu
> > schaffen. es handelt sich auch hier um normale LEUTE. Wenn auf einen
> > Schlag alle Unternehmer sagen würden: " ach nee, keine Lust, ich geh
> > lieber schwimmen und lesen"hätten wir auch keine "Arbeitsplätze". oder?
> >
> > Das Ziel von Unternehmen ist NICHT, "Arbeitsplätze" zu schaffen.
> > Unternehmen dazu bewegen zu wollen, solche zu "schaffen" halte ich für
> > ziemlich verdreht...
> >
> > Es geht um Versorgung (womit auch immer). Damit diese gewährleistet wird,
> > sind gemeinsame Unternehmungen nötig - klar!
> > Kein Profitstreben und keine Konkurrenz sind dafür nötig - nicht einmal
> > Wettbewerb.
> >
> > Menschliche Teilhabe über abhängige ausbeuterische Lohnarbeit realisieren
> > zu wollen ist so aussichtslos wie selbstbetrügerisch: "Dafür, dass ich
> > mich als dabei seiend fühlen darf muss ich mich (meine Autonomie)
> > zerstören". bzw. dann bald auch so: "Damit ich mich nicht um meine
> > Autonomie kümmern muss brauche ich einen Platz, wo mir ständig gesagt
> > wird, was ich zu tun (und zu denken!) habe.
> >
> > Ganz klar ein Auslaufmodell. Allerdings scheint es uns schwer zu fallen
> > gewohnte Denkweisen (besser: Nicht-Denken) abzulegen.
> >
> > L. Walczak



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