[Debatte-Grundeinkommen] Widerspruch zur Erklärung des SprecherInnenkreises

Brigitte Oehrlein br.oehrlein at t-online.de
Mi Sep 13 20:28:25 CEST 2006


Sehr geehrter Herr Jäger,

da Ihre Mail mich nicht erreichte,
erst jetzt eine kurze Bemerkung dazu.

Mir ist Ihr Anliegen nicht nachvollziehbar.
Sie diskutieren auf einer Liste des Netzwerks Grundeinkommen,
das auf 4 Bedingungen basiert:
-individuell (nicht nach Bedarfsgemeinschaft), 
-bedingungslos(ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne Arbeitszwang), 
-existenzsichernd (armutsfest)und 
-gesellschaftliche Teilhabe garantierend

Damit sind Ihre Vorwürfe unhaltbar.
Es bedeutet, es steht jedem Mensch qua Existenz zu,
in ausreichender Höhe, um zur gesellschaftlichen Teilhabe fähig zu sein.

Es bedeutet ein menschliches Recht auf Einkommen in angemessener Höhe,
entkoppelt von Erwerbsarbeit.

Also das genaue Gegenteil von Almosen, nämlich ein einklagbares Recht.

Hinter dem Grundeinkommen steht ein ganz neues Gerechtigkeitsmodell,
weg von der Hegemonie der Erwerbsarbeit.
Das scheint für sie nicht vorstellbar.
Mir ist nicht nachvollziehbar,
was sie mit Ihrer Kritik auf einer Liste erreichen wollen,
auf der sich Menschen eingeschrieben haben,
die es sich zum Ziel gesetzt haben,
für dieses ganz andere Gerechtigkeitsmodell zu kämpfen.

Die SprecherInnen vertreten die Bedingungen der Idee des Grundeinkommens,
für die wir auf dieser Liste kämpfen.

Ich vermute, sie vergeuden Ihre Zeit.

Brigitte Oehrlein


 -----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: debatte-grundeinkommen-bounces at listen.grundeinkommen.de [mailto:debatte-grundeinkommen-bounces at listen.grundeinkommen.de]Im Auftrag von rblaschke at aol.com
Gesendet: Mittwoch, 13. September 2006 19:37
An: jaeger.moers at t-online.de
Cc: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
Betreff: Re: [Debatte-Grundeinkommen]Widerspruch zur Erklärung des SprecherInnenkreises


   Sehr geehrter Herr Jäger, 

  die von Ihnen monierten Kriterien für ein Grundeinkommen entsprechen dem Gründungskonsens des Netzwerkes 
  und werden von den Mitgliedern des Netzwerkes unterstützt. 
  Dies kann auf der homepage des Netzwerkes nachgelesen werden.


  Mit freundlichen Grüßen
  Ronald Blaschke

   
   
  -----Ursprüngliche Mitteilung-----
  Von: jaeger.moers at t-online.de
  An: rblaschke at aol.com
  Cc: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
  Verschickt: Mi., 13.Sept.2006, 13:58
  Thema: Widerspruch zur Erklärung des SprecherInnenkreises 


  Guten Tag,

  in der Erklärung des SprecherInnenkreises schreibt man, 
  das Grundeinkommen nach den Vorstellungen dieses Kreises hätte sich in der Öffentlichkeit durchgesetzt.
  Es solle ohne Prüfung und ohne Arbeitszwang an jedermann ausgezahlt werden.
  Dem widerspreche ich.
  Die sehr wohl berechtigten Argumente gegen eine Alimentierung oder nennen wir es eine "Zahlung von Almosen" an Millionen Menschen  finden bei der Erklärung des  o. gen. Kreises keine Berücksichtigung. 

  1.Ignoriert wird, dass es zum Menschenrecht auf Teilhabe am sozialen Leben  auch gehört, sich tätig in die Gemeinschaft einzubringen.
  Das aber wird - unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen - mit einem Grundeinkommen, wie die SprecherInnen es beschreiben, nicht für alle Menschen möglich sein.

  2. Ignoriert wird, dass es sich bei der von den SprecherInnen vorgestellten Zahlung um eine Almosenzahlung handelt, die die Menschenwürde der so alimentierten Menschen verletzt.

  3. Ignoriert werden die gesellschaftlichen Gefahren, die mit einer bedingungslosen Alimentierung verbunden sind und auf die ich bereits mehrfach hingewiesen habe, z.B. Neid auf die Empfänger, der sicher nichts Gutes bewirkt - wie man an der früheren Situation von Sozialhilfeempfängern und deren Diskriminierung sehen kann; beim ALG 2 sieht es ähnlich aus: siehe F. Münteferings Ausspruch: "Wer nicht arbeitet, sol auch nicht essen" oder die jüngsten Vorschläge des so genannten Sachverständigenrates zur Kürzung der Bezüge der ALG 2 Empfänger um 30 Prozent.
  Die Empfänger der Almosen werden zum Spielball und Sündenbock parteipolitischer - bzw. machtpolitischer Interessen werden.

  4. Die bedingungslose Alimentierung von Millionen Menschen wird diese  - wie im Mittelalter - zu Bettlern an den Küchentüren der Reichen machen und ihnen - den Almosenempfängern -  den gleichen sozialen Status wie den Bettlern gewähren.

  5. Trotz des Grundeinkommens werden die Menschen nichts oder nur sehr wenig zu tun haben; ihre sozialen Kontakte werden sich nach Null entwickeln; sie werden sozial isoliert sein und zudem ausgegrenzt aus der erwerbstätigen Bevölkerung - mit allen bedauerlichen Folgen.

  6. Dass es eine der schlimmsten und schwersten Strafen in der Geschichte der Gattung Mensch war und ist, aus dem Leben der Gemeinschaft ausgeschlossen zu sein, wird auch ignoriert. Dieser Ausschluss aus dem Leben der Gesellschaft aber wird die Folge des bedingungslosen Grundeinkommens ohne Mitarbeit sein.

  Vielleicht wollen Sie ja alle eine Klassengesellschaft, die sich in Arbeitsplatzbesitzer und Erwerbslose gliedert? Dann sollten Sie das auch sagen.
  Vielleicht wollen Sie ja den Ausschluss von Millionen Menschen aus der Gesellschaft, wie es das deutsche Bildungssystem bereits erfolgreich praktiziert?  Dann sollten Sie das auch sagen.
   
  7. Die Arbeitsteilung, die in dieser Gesellschaft die Grundlage vieler  Produktionsvorgänge  und aller  Lebensverhältnisse ist, wird hier ad absurdum geführt.  Niemand hier in Deutschland lebt ausschlöießlich von  den Produkten seiner eigenen Arbeit; sondern alle sind auf die Arbeitergebnisse anderer Menschen, die man nicht einmal kennt, angewiesen.  Die Lebensmittel und andere Güter wachsen nicht in Supermarktregalen. Aber auch diesen Tatbestand ignorieren Sie. 

  Wenn die SprecherInnen des Netzwerkes Grundeinkommen alle sich partout hier als Gutmenschen ohne Blick für die Widerwärtigkeiten und Gefahren menschlichen Tuns hinstellen wollen., bitte sehr. 
  Aber sage niemand, ich hätte nicht davor gewarnt. 

  Ich bin auch für ein Grundeinkommen ohne Bedürftigkeitsprüfung. Aber dies alleine - eben eine Almosenzahlung an die Menschen - wird die Probleme von uns selbst, die unserer Mitmenschen und die dieser Gesellschaft nicht lösen.
       
  Was machen Sie z.B. mit den Leuten, die auf Grund ihrer Arbeitsbelastung im Job langsam aber sicher ausbrennen? Sollen die weiter machen wie bisher oder soll man ihnen nicht lieber eine Pause zur Erholung gönnen?
  Werden diese Leute dann aber ihre Kredite weiter zahlen können, wenn sie eine Jobpause machen und nur vom Grundeinkommen leben wollen? Wie wollen Sie den Familien mit Kindern helfen? 
  Wie den alleinerziehenden Müttern und Vätern, die ihren begabten Kindern ein ordentliche Ausbildung ermöglichen wollen?

  Und eine vorläufig letzte Frage:
  Wie wollen Sie  den Respekt vor allen Menschen gewährleisten, wenn Sie sie zu Almosenempfängern degradieren? 

  MfG Klaus Jäger
  cluster1.eu

  -----Original Message-----
  > Date: Tue, 12 Sep 2006 23:34:55 +0200
  > Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Erklärung des SprecherInnenkreises
  > From: rblaschke at aol.com
  > To: Debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de

  > Angehängt zur Information eine Erklärung des SprecherInnenkreises
    Mit freundlichen Grüßen
    Ronald Blaschke 
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