[Debatte-Grundeinkommen] kleine Schritte

Tobias Held tobias.held at web.de
So Nov 5 15:53:35 CET 2006


Hallo Carsten,

Matthias wollte erklären, dass es im gegenwärtigen Hartz 4-System vor 
allem einen administrativen Arbeitszwang gibt. Du wirst von der ARGE 
unter Druck gesetzt, möglichst jede Beschäftigung anzunehmen. Der Zwang 
findet also gewissermaßen außerhalb des Arbeitsmarktes statt, er geht 
von konkreten Personen aus - den "Fallmanagern" in der ARGE. Im 
Althaus-Konzept gibt es diesen admnistrativen Zwang nicht. Dafür gibt es 
einen ökonomischen Zwang. In dem Konzept ist kein Wohngeld vorgesehen 
(600 Euro reichen in manchen bundesdeutschen Großstädten für nicht viel 
mehr als die Miete). Das heißt, Menschen sind unter diesen Bedingungen 
GEZWUNGEN etwas dazuzuverdienen. Dieser Zwang geht nicht von konkreten 
Personen aus, sondern von dem abstrakten (Arbeits-)Markt. Im Verständnis 
von Wirtschafts-Liberalen ist ein Zwang dann kein Zwang, wenn er nicht 
von konkreten Personen ausgeht.

Nach meinem Verständnis liegt aber durchaus ein Zwang vor, wenn er vom 
Markt ausgeht. Durch diesen Zwang werden viele weitere Stellen im 
Niedriglohnbereich nachgefragt werden. Mehr Nachfrage nach 
Arbeitsstellen bzw. ein größeres Angebot an für Käufer von Arbeitskraft 
billigen Arbeitskräften wirkt Lohn senkend.

Mein Fazit ist, dass ein Grundeinkommen in nicht existenzsichernder Höhe 
für unsere Ziele kontraproduktiv ist und wir es als Netzwerk 
Grundeinkommen deshalb auch nicht unterstützen sollten. Schrittweises 
Vorgehen ist gut gemeint, hier wäre es schädlich.

Solidarische Grüße

Tobias

Carsten Benecke schrieb:
> Lieber Matthias Dilthey,
> 
> Du schreibst: "Mit der Althaus-Krücke MÜSSEN sich die jetzigen
> ALGII-Empfänger auf Biegen und Brechen um Zuverdienste kümmern."
> 
> Warum? Weil es zu wenig ist? Aber viel mehr bekomme ich im Moment
> doch auch nicht, und bin nicht gezwungen hinzuzuverdienen, so lange
> mich die ARGE nicht am Arsch hat. Oder gibt es eine Arbeitspflicht
> bei Althaus, von er ich noch nichts weiss.
> 
> Gruß
> 
> 
> Carsten Benecke
> 
> 
> 
> -------- Original-Nachricht -------- Datum: Sun, 5 Nov 2006 14:32:47
> +0100 Von: Matthias Dilthey <info at psgd.info> An:
> debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de Betreff: Re:
> [Debatte-Grundeinkommen] kleine Schritte
> 
> 
>> Lieber Carsten Benecke,
>> 
>> Du schreibst: "Wenn man vom ersten Euro an die Hälfte von dem was
>> man verdient behalten kann, würde sich dies auch viel schneller
>> lohnen."
>> 
>> Und darin liegt der Trugschluß.
>> 
>> Mit der Althaus-Krücke MÜSSEN sich die jetzigen ALGII-Empfänger auf
>>  Biegen und Brechen um Zuverdienste kümmern. Das bedeutet, daß
>> einige Millionen Menschen JEDEN Job zu JEDER BEDINGUNG annehmen
>> müssen.
>> 
>> Das bedeutet, daß die Löhne (für etliche Arbeiten) auf ca. 3,--
>> Euro brutto einbrechen werden und man trotzdem gezwungen ist, diese
>> Arbeiten anzunehmen. Das zieht natürlich auch heute noch
>> ordentlich? bezahlte Jobs mit in die Abwärtsspirale.
>> 
>> 
>> Darauf baut das Althaus-Konzept.
>> 
>> Matthias Dilthey
>> 
>> Am Sonntag, 5. November 2006 14:08 schrieb Carsten Benecke:
>> 
>>> Liebe Ines Eck,
>>> 
>>> auch ich bin der Ansicht, dass 600 Euro reichlich wenig sind.
>>> Aber es
>> 
>> wäre
>> 
>>> doch ein Anfang. Und meine Situation z.B. (ich lebe zurzeit von
>>> Hartz4) würde sich aus verschiedenen Gründen verbessern. Dass die
>>> 
>> 
>> Stigmatisierung
>> 
>>> als „Arbeitsloser“ wegfallen würde, ist dabei für mich noch der
>> 
>> geringste
>> 
>>> Punkt. Der Druck durchs Arbeitsamt würde entfallen, was in meinem
>>> Fall einiges an Energie freisetzten würde. Am wichtigsten scheint
>>> mir aber,
>> 
>> dass
>> 
>>> es viel leichter wäre etwas hinzuzuverdienen. Wenn man vom ersten
>>> Euro
>> 
>> an
>> 
>>> die Hälfte von dem was man verdient behalten kann, würde sich
>>> dies
>> 
>> auch
>> 
>>> viel schneller lohnen. Das wir auch nach Einführung eines solchen
>>>  Bürgergeldes ein Gerechtigkeitsproblem haben würden, liegt auf
>>> der
>> 
>> Hand.
>> 
>>> Aber es wäre ein Fortschritt. Wollen wir alle Fortschritte die
>>> wir
>> 
>> erringen
>> 
>>> können vom Tisch wischen, weil wir gleich alles auf einmal
>>> wollen?
>>> 
>>> Noch kurz eine allgemeine Bemerkung zu den Umgangsformen auf
>>> dieser Mailingliste: Ich finde jede Form von Beleidigung und
>>> Unterstellung (zum Beispiel über Lebensgewohnheiten wie
>>> Fernsehen) kontraproduktiv. Es mag sich gut anfühlen Dampf
>>> abzulassen. Wir sollten uns aber klarmachen,
>> 
>> dass
>> 
>>> wir damit die Möglichkeit unseres Gegenüber verringern unsere
>> 
>> Argumente zu
>> 
>>> hören. Ich wünsche mir das Respekt die Grundlage unseres Umgangs
>>> ist.
>>> 
>>> 
>>> mit Besten Grüßen
>>> 
>>> Carsten Benecke
>> 
>> _______________________________________________ 
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