[Debatte-Grundeinkommen] Feudalwirtschaftspartei?
Matthias Dilthey
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Do Jul 27 22:04:39 CEST 2006
Die Lösung oder neoliberales Opium für das Volk?
Zum Grundeinkommen ohne Arbeit
Von PROF. JOHANNES HEINRICHS
und eine kritische Auseinandersetzung von Matthias Dilthey.
Schon der Titel des Aufsatzes von Prof. Heinrichs, Spitzenkandiat der
„Human“wirtschaftspartei, birgt einen inneren Widerspruch.
„Human“ hat was mit Mensch, menschlich, gemeinsam. Der Begriff „Volk“ ist doch
wohl eher in der feudalistischen Betrachtungsweise zu finden.
In seinem Aufsatz beschäftigt sich Heinrichs ausführlich mit dem sozialen
Gedankengut der politischen Linken und versucht, die sozialverträglichen
Lösungsansätze unter Zuhilfenahme des bei den Linken umstrittenen Werner
´schen BGE-Modell als neoliberales Gift darzustellen.
Diese primitiv-Rabulistik mag bei seinem Klientel, dem feudal-stigmatiserten
Volk, funktionieren.
Der freiheitlich und sozial denkende Mensch jedoch wird hinterfragen und den
Schachzug von Heinrichs schnell durchschauen.
Heinrichs erkennt nicht, daß ein BGE, ausreichende Höhe vorausgesetzt,
zwingend einen Paradigmenwechsel verursacht. Die Widersprüche, die die
heutige strikte Trennung zwischen Arbeit im Allgemeinen und Erwerbsarbeit im
Besonderen erzeugt, werden nach Einführung eines BGE gemindert oder
beseitigt.
Somit wird, ein BGE in ausreichender Höhe vorausgesetzt, Heinrichs Einwand
irrelevant:
„Doch hier spätestens beginnen die Unklarheiten: In welchem Maße sollen die
Leistungen der Fürsorge, von der Hausarbeit angefangen, und die Leistungen
künstlerischer und kultureller Art, wiederum von der elementaren Erziehung
und Unterrichtung der Kinder angefangen, als wirtschaftliche Tätigkeiten
betrachtet und vergütet werden?“
Weiter stellt Heinrichs „kritische Fragen“ zum BGE. Dabei läßt er aber die
notwendige Abstaktion vermissen: Er wirft Fragen über zukünftige Modelle auf,
die lediglich unter den heutigen Bedingungen zu Widersprüchen führen könnten,
jedoch nicht mehr nach Realisierung der Modelle:
„Demgegenüber kann eine „humanwirtschaftliche“ Position nur lauten, dass
einzig und allein der Mensch arbeitet, dass zwar die in den Maschinen
vorgetane Arbeit ihre volle Entlohnung verdient, dass selbstverständlich auch
der Verschleiß der Maschinen zu vergüten ist, dass jedoch in keiner Weise die
aktuelle „Arbeit“ der Maschinen einen Lohn verdient, ebenso wenig wie die
Pseudoarbeit des Kapitals, dessen Lohn Rendite genannt wird.“
Dabei verkennt Heinrichs, daß Arbeit an sich (wirtschaftlich) wertlos ist.
Erst das fertige, verkaufte und bezahlte Produkt schafft den Wert. Und zwar
unabhängig von der Herstellungsart, Mensch oder Maschine.
Auch Heinrichs kann „den Lohn der Arbeit“ nur, und zwar ausschließlich nur,
über die Wertschöpfung bezahlen. Und da setzen zukunftsorientierte
BGE-Modelle an.
„Um diese dreht sich unser gegenwärtiges Wirtschaftssystem. Würde dies in
irgendeiner Weise gemindert durch „Grundeinkommen ohne Arbeit“ – außer dass,
im besten Fall, ein großer Teil der Menschen durch ein Mindesteinkommen ruhig
gestellt würde, ein anderer großer Teil gut verdienen würde und einige die
mächtigen Profiteure des Systems blieben?“
Auch da abstrahiert Heinrichs nicht: wertschöpfungsorientierte Modelle wie das
der PsgD oder auch das Werner´sche Modell lassen diese Fragestellung erst gar
nicht aufkommen. Denn diese Modelle verteilen über das BGE einen Anteil der
Wertschöpfung. Und zwar unabhängig davon, wie die Wertschöpfung entstanden
ist; menschliche Arbeit, menschliche Erwerbsarbeit, Maschine, Kapitalrendite
oder Wertschöpfung durch Bereitstellung von Immobilien (Vermietung).
Die Menschen werden bei wertschöpfungsorientierten Modellen an dem beteiligt,
was volkswirtschaftlich erwirtschaftet wurde.
Diesen Denkansatz läßt Heinrichs völlig außen vor.
Anmerkung: Der Unterschied zwischen dem Werner´schen Modell und dem der PsgD
besteht ausschließlich in einer unterschiedlichen Betrachtungsweise, wann der
Wertschöpfungsprozess abgeschlossen ist.
Werner geht davon aus, daß der Wertschöpfungsprozess erst abgeschlossen ist,
wenn das Produkt beim privaten Endverbraucher eingetroffen ist.
Das PsgD-Modell hingegen sieht den Wertschöpfungsprozess als abgeschlossen an,
wenn das Produkt seinen endgültigen Standort erreicht hat.
Zur Verdeutlichung: der Bau, Verkauf und Aufstellung z.B. einer
Produktionsmaschine stellt bei Werner keine Wertschöpfung dar, beim
PsgD-Modell hingegen schon.
Daraus resultieren natürlich vielfältige Unterschiede bei der
Steuer-Systematik, sollen die beiden Systeme jeweils in sich widerspruchsfrei
sein.
„Die Menschen mit Grundeinkommen ohne Arbeit sind Menschen, die
gesellschaftlich, zumindest wirtschaftlich, nicht gebraucht würden, es sei
denn zum Konsumieren, auch eine Form der Kapitalverwertung.“ schreib
Heinrichs und verkennt wieder die Wirkung eines BGE.
Ronald Blaschke stellt in seiner Analyse „BGE, Mindestlohn und
Arbeitszeitverkürzung“ treffend fest:
„Unter Emanzipation verstehe ich die fortschreitende freie (also selbst
bestimmte) Verfügung aller Menschen über das eigene Leben. Erst die freie
Verfügung über das eigene Leben ermöglicht freie Assoziationen und freie
Kooperationen. Emanzipation heißt, dass sich die Menschen aus der Hand
ungewollter fremder Verfügung und ihr Leben, Tätigsein und Arbeiten in die
eigene Hand nehmen (können). Solche ungewollte Fremdverfügungen können
Verfügungen des Marktes, des Staates und herrschender Personen sein.
Neoliberale und konservative Politiken verhindern die Emanzipation von
Menschen. Die mögliche freie Verfügung über das eigene Leben wird dem sich in
alle öffentlichen und privaten Bereiche ausweitenden Markt und Staat sowie
damit verbundener persönlicher Abhängigkeiten geopfert.“
Auf Heinrichs bezogen belegt die zitierte Aussage Blaschkes die
feudal-herrschaftlichen Argumentationsstrukturen der Humanwirtschaftspartei.
Für Heinrichs ist es offensichtlich undenkbar, daß ein in der Höhe
vernünftiges BGE den Menschen die Wahlfreiheit gibt, sich in die
Erwerbsarbeitswelt einzubringen oder nicht.
Er setzt das BGE gleich mit einem Almosen. Dabei übersieht er zweierlei:
Schon heute werden viele Arbeiten von Menschen verrichtet, die eine Maschine
besser, schneller und billiger erledigen könnte.
Diese Menschen erhalten von ihrem Arbeitgeber ein Almosen. Das Almosen,
weiterhin Lohn für ihre wirtschaftlich nicht sinnvolle Tätigkeit zu erhalten.
Das Almosen, dem Feudalherren dienen zu dürfen!
Zum zweiten scheint Heinrichs den einzigen Lebenssinn in der Arbeit zu sehen.
Ob diese Arbeit sinnvoll, nutzbringend oder sogar gesellschaftlich wertvoll
ist oder nicht, schein ihn dabei nicht zu interessieren.
Und kurz darauf bemüht Heinrichs schon wieder die Rabukistik: „Verlangen die
Verfechter des bedingungslosen Grundeinkommens vielleicht nur deshalb keine
sinnvolle Gegenleistung, weil das eine neue Debatte über Verteilung der
Arbeit und Kapitalinteressen auslösen würde?“
Wie oben dargelegt, legt Heinrichs keinen Wert auf den Sinn der geleisteten
Arbeit; dies jedoch trifft auf die BGE-Befürworter nicht zu. Das BGE soll ja
sinnlose Arbeiten vermeiden helfen.
Dabei verkennt Heinrichs auch, daß die heutige Debatte über Verteilung der
Erwerbsarbeit und der Kapitalinteressen durch die BGE-Einführung obsolet
wird.
Denn durch ein wertschöpfungsorientiertes BGE wird Arbeitsverteilung und
Kapitalinteresse komplett neu geregelt.
Immerhin hat Heinrichs erkannt, daß das BGE sein feudalistisches
Gesellschaftsbild zerstören würde: „Die Frage nach einem Grundeinkommen ohne
Arbeit rührt unmittelbar an die tiefsten Fragen des Menschenbildes und
Gesellschaftsbildes, einschließlich des Verständnisses von Wirtschaft und
Geld.“
Daß das keinesfalls geschehen darf, begründet Heinrichs mit: „Erst wenn wir
einmal hier unsere Hausaufgaben gemacht haben, kann der enge bürgerliche
Rechtshorizont und Geldhorizont verantwortlich in Richtung tieferer
Menschlichkeit und Liebe sowie auf einen Geist des Beschenktwerdens hin
überschritten werden.“
Und um sicherzustellen, daß alles so bleibt, wie es ist, behauptet Heinrichs:
„... wirkt ein bedingungsloses Grundeinkommen als ein einschläferndes Surrogat
größerer Gerechtigkeit und Menschlichkeit, um nicht von einem wieder einmal
einschläfernden „Opium des Volkes“ zu sprechen.“
Aber, das muß man Heinrichs zugute halten, hat er uns Leser eingangs gewarnt:
„ ... viele Wahrheitselemente liegen, muss nämlich nun untersucht werden,
wieweit es sich um täuschende Halbwahrheiten handelt. Halbwahrheiten
untergraben die Wahrheit bekanntlich viel wirksamer als offenkundige und
völlige Irrtümer.“
Daß Heinrichs seine Aussage gegen das BGE gerichtet gesehen haben wollte,
spielt dabei keine Rolle. Die erste seiner Halbwahrheiten liegt schon in der
Namensgebung:
Humanwirtschaftspartei.
Matthias Dilthey
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