[Debatte-Grundeinkommen] Debatte-grundeinkommen Nachrichtensammlung, Band 16, Eintrag 16

"Günter Sölken" Guenter.Soelken at gmx.de
Mo Jul 17 09:54:48 CEST 2006


Liebe Frau Horster,

Sie kritisieren, dass Goetz Werner bei der Mitgliederversammlung des Netzwerks auftreten wird und äußern in diesem Zusammenhang die Befürchtung, dass das Netzwerk zu einer Plattform für G.Werner degenieren könnte. 

Ich glaube, diese Gefahr besteht nicht - die kritischen Einwände gegen sein Finanzierungsmodell via Mehrwertsteuer werden in der Debatte ja gerade hier in der Debatte ausführlich behandelt. 

Für die breite Öffentlichkeit und die Medien ist Götz Werner der bekannteste Grundeinkommensvertreter. Wobei der Verwunderungseffekt hinzukommt, dass sich ein Unternehmer für diese Forderung stark macht. Und ohne die Kampagnen und die Medienpräsenz hätten viele bis heute weder von der BGE-Forderung und von der Existenz unseres Netzwerks wahrscheinlich bis heute noch nichts gehört.
Da wäre es doch geradezu verwunderlich, wenn gerade wir einen Bogen um Goetz Werner machten und nicht das Gespräch mit ihm suchen würden. Und dieses Gespräch auf der Mitgliederversammlung wird gewiss ein kontroverses sein. 

Was man nicht übersehen sollte: Werner tritt seit vielen, vielen Jahren bereits für eine radikale Reform der Unternehmensbesteuerung ein und erst wesentlich später ist bei ihm die Forderung nach einem BGE hinzugekommen. Im Rahmen seiner Unternehmenssteuerreform will er alle Steuerarten für Unternehmen streichen und die dadurch wegfallenden Staatseinnahmen durch eine höhere Mehrwertsteuer ersetzen. 

Da muss einfach die Frage aufkommen, ob es nicht auch bei diesem Vorschlag in erster Linie darum geht, die Unternehmenssteuer noch weiter zu senken und über eine Streichung sogenannter Lohnnebenkosten (sprich der Zahlungen an die Sozialversicherungen) bisher halbwegs solidarisch getragene soziale Risiken zu individualisieren. Wenn das das Ziel der Wernerschen Vorstellungen ist, kann es nicht lange dauern, bis die CDU und die FDP dieses GE-Konzept unterstützen. Das wäre dann genau die Prämisse, unter der sich ja auch Straubhaar für ein Grundeinkommen ausspricht. 

Werner sagt, dass letztlich alle Steuern in die Kalkulation von Preisen Eingang finden. Auf den ersten Blick mag dies plausibel klingen. Stimmt es aber wirklich? - Was ist mit Unternehmen, die Riesengeldumsätze machen, da bei aber keine Umsätze mit Produkten machen, auf die Mehrwertsteuer erhoben werden? - Ich denke dabei in erster Linie an international tätige Banken, Fonds und andere Finanzjongleure. 

Ganz unabhängig von der von uns geführten GE-Diskussion geht es derzeit im Kern wiederum nur um die Verteilungsfrage: Seit dem Zusammenbruch des als Sozialismus bezeichneten Gegenmodells gibt es weltweit nur noch ein Wirtschaftsmodell, das kapitalistische. Und das ist derzeit dabei, allen "Sozialballast" abzuwerfen, der einer noch größeren Umverteilung des weltweiten Reichtums auf wenige im Wege stehen könnte. Die Grundeinkommensforderung könnte allzu leicht dazu mißbraucht werden, gesetzlich verbriefte Rechte, angefangen vom Kündigungsschutz bis zu den Sozialversicherungen ohne einen wirklichen Ersatz abzuschaffen. Neben der Finanzierungsfrage, die zwar enorm wichtig ist, ist deshalb genauso bedeutsam sich anzusehen, welche Auswirkungen die Einführung eines BGE je nach Modell auf solche Rechtsansprüche haben würden. 

Ich denke, wir haben eine ganze Menge kritischer Fragen, die wir auch mit Goetz Werner zu diskutieren haben. Eine Jubel-Veranstaltung für ihn wird dies sicherlich nicht. 

Zur Finanzierugnsfrage: Im nächsten Newsletter werden wir weitere Modelle der Finanzieurng vorstellen.

Liebe Grüße 
Günter Sölken 



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