[Debatte-Grundeinkommen] Das Wernersche Grundeinkommen ist nicht finanzierbar!

lothar walczak lwalczak at gmx.de
Sa Jul 15 20:44:26 CEST 2006


Hallo Herr Brandl.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, meinen Sie, dass Herr Werner 
folgendes vorschlägt:

Ich bin abhängig beschäftigt.
Ich bekomme jetzt 750€ Grundeinkommen vom Staat
Dafür kann mein Arbeitgeber die ersten 750€ die ich bei ihm verdient 
hätte, behalten?

Das wäre allerdings schon im Ansatz abstrus und ich habe das so noch 
nicht gehört.
Im Wernerschen Modell gibt es nur Verbrauchssteuer, also kommt ein 
Freibetrag oder negative Einkommenssteuer oder sonst ein Einbehalt 
nicht vor!!

Es ist eher so, dass ich durch das Grundeinkommen in die Lage versetzt 
werde aus einer stärkeren, weil unabhängigeren Position 
Lohnverhandlungen zu führen. Die Arbeit wird allerdings billiger, weil 
die Lohnnebenkosten wegfallen. Das kurbelt die Wirtschaft an und senkt 
die Nettopreise der Produkte und Dienstleistungen. Der hohe MWST-Satz 
holt das Geld zur Finanzierung des GE herein.
Übrigens soll es JEDER bekommen, egal ob Millionär oder Bettler, 
unabhängig von Höhe und Art der Einkünfte.
Nebenbei: So könnte ein Millionär - so er denn durch das Nadelöhr 
möchte - sein ganzes Kapital verschenken oder der Allgemeinheit zur 
Verfügung stellen ohne verhungern zu müssen. Gleiches Recht (auf 
"Armut") für alle.
MfG
Lothar Walczak


Verehrte Listen-TeilnehmerInnen!
>  
> In einigen Beiträgen dieser Liste wurde in letzter Zeit hin und her 
> argumentiert, wie hoch denn G. Werner sein Grundeinkommen selbst 
> ansetzt, und in welcher Höhe und unter welchen Bedingungen es 
> finanzierbar wäre. So schreibt Carl Jaegert am 23.06: 
>  
> "Und auch Götz Werner befürwortet ... ein Grundeinkommen... . Wie hoch 
> in Zahlen und unter welchen steuerlichen Rahmenbedingungen dies sein 
> muß, diese Frage steht doch heute gar nicht auf der Tagesordnung."
>
> Dem muß ich entgegenhalten: In vielen seiner Äußerungen  hat G. 
> Werner ein existenzsicherndes Mindest-Grundeinkommen von 750 Euro 
> monatlich genannt, das "bereits heute" finanzierbar wäre, und das 
> später angehoben werden  könnte  bis auf 1200 oder 1500 Euro. (Aus 
> seinem Munde gehört,  klang dies für mich keineswegs wie eine bloße 
> "Provokation"). Ebenso konkret  nennt Werner Rahmenbedingungen, unter 
> denen er sein GE realisieren will: Alle heutigen Steuern sollen 
> abgeschafft, der Mehrwertsteuersatz soll, bezogen auf die heutigen 
> Preise, (schrittweise) auf 50 % angehoben werden! Und Werner legt 
> fest, dass das GE "substitutiv" ausgezahlt werden solle.
>
> Die Finanzierungsfrage
>  
> Der entscheidende Punkt bezüglich dieser Vorgaben: Wenn man sorgfältig 
> nachrechnet - ich habe dies auf der Basis der Finanz- und 
> Sozialstatistiken des Jahres 2003 getan und dabei alle Einsparungen an 
> öffentlichen (!)  Geldern berücksichtigt, die die Einführung eines 
> GE mit sich bringt (nämlich 280 Milliarden Euro) - so erkennt man: der 
> Wernersche Vorschlag ist überhaupt nicht finanzierbar. Egal, wie hoch 
> sein GE ausfiele, würde es sehr große bis astronomische 
> gesamtstaatliche Haushaltsdefizite zur Folge haben.
>  
> Wie kann man diese Defizite verstehen? Die Haupt-Antwort auf diese 
> Frage heißt: "substitutive Auszahlung" des GEs! Nach Werner ersetzt 
> ("substituiert") das an jede BürgerInnen ausgezahlte GE (eventuell 
> vorhandenen) Einkünfte bis zur Höhe des GEs. Die Folge:  Arbeitgeber 
> (Staat und Wirtschaft) und Sozialbehörden ersparen sich  deshalb 
> entprechende Gehalts-, Lohn, Sozialgelder- und Renten-Auszahlungen 
> usw. (Siehe dazu den Anhang am Ende dieser Mail).
>  
> Eine denkwürdige Konsequenz dieser von Werner geforderten 
> Auszahlungsweise ist dies: Die Grundeinkommens-Auszahlungen aus der 
> Staatskassa  vermehren nicht vor allem dazu, das Geld in den Taschen 
> BürgerInnen. Sondern diese Gelder werden in gleichem oder sogar 
> wesentlich höherem Maß dafür verwendet, der Wirtschaft - ja der 
> Wirtschaft! - Gehalts- und Lohn-Auszahlungen in der Höhe von Hunderten 
> von Milliarden Euro zu ersparen!   Erstaunlich, aber wahr!  Bei einem 
> monatlichen GE von 750 Euro gewinnt die Wirtschaft 256 Milliarden 
> Euro. Dieser Betrag  ist  über das 1,5-fache größer als die Summe, 
> welche die BürgerInnen insgesamt durch die Auszahlung des GEs 
> dazugewinnen (s.u. Anhang)! 
>  
> Diese Subventionierung der Wirtschaft ist also von einer 
> Größenordnung, die es in  unserer Republik noch nie gegeben hat. Das 
> sind Fakten,  die in dieser quantitativen Ausprägung  leider nur den 
> allerwenigsten FreundInnen des Wernerschen GEs überhaupt bewußt 
> sind!  Ob sie Werner selbst bewußt sind? Jedenfalls hat er 
> diese zwingenden und und für den steuerzahlenden Bürger durchaus 
> relevanten Konsequenzen seiner Modellannahmen nie und nirgendwo 
> offengelegt! (Warum wohl nicht?) Ist es angesichts dieser 
> Zahlenverhältnisse überhaupt angemessen, vom "Wernersches 
> Grundeinkommen" zu sprechen? Wäre nicht "Wernersche 
> Wirtschaftssubventionierung" der angemessenere Begriff? 
>  
> Werner hofft, daß die Wirtschaft diese Subventionen, die ihr 
> bedingungslos (!) zugute kommen, über Preissenkungen an die 
> Konsumenten von Gütern weitergeben würde. Für die 
> Finanzierungsproblematik des GEs ist dies allerdings unerheblich:  
> Denn gänzlich unabhängig davon, was die Wirtschaft mit den auf diese 
> Weise gewonnenen Milliarden letztlich macht, die dafür erforderlichen 
> Auszahlungen aus der Staatskassa belasten das gesamtstaatliche Budget 
> außerordentlich  und erzeugen riesig große, 
> untragbare Haushaltsdefizite. Jeder der einmal wirklich rechnet, kann 
> dies sehen (s.u. Anhang)!
>
> So betrachtet, ist die Realisierbarkeit des Wernerschen GE eben 
> keineswegs nur eine "rechtliche Frage", wie Carl Jaegert kürzlich 
> geschrieben hat, sondern es geht zunächst einmal darum, sich über die 
> Konsequenzen der Wernerschen Modellannahmen klar zu werden, 
> insbesondere auch über die Konsequenzen für die 
> Finanzierungs-Problematik. Und diesbezüglich zeigt sich eben: Man kann 
> nicht mehr Geld ausgeben, als man hat, wenn man nicht eine Reise nach 
> Wolkenkukucksheim antreten will. Dies gilt auch für den 
> Staatshaushalt. Und wenn der Staat so viel ausgeben soll, wie Werner 
> dies vorsieht, dann müßte Werner auch klar zeigen, wo dieses Geld 
> herkommen soll! Dies hat er aber eben solide bisher nie getan. Seine 
> diesbezüglichen Äußerungen erweisen sich, wenn man sie präzise 
> nachrechnet,  als extrem kurzschlüssig und undurchdacht. Dies wurde 
> für mich durch zahllose kontroverse Diskussionen in Werners engerem 
> Umfeld erhärtet. Insofern ist das Wernersche Modell in meinen Augen - 
> ein Luftschloß! Denn alle Wernerschen Verheissungen positiver 
> gesellschaflicher Wirkungen seines GEs stehen oder fallen ja mit der 
> Möglichkeit der Finanzierbarkeit des GEs.
>  
> Deshalb zweifle ich  auch nicht daran: Grundeinkommens-Freunde, zu 
> denen auch ich mich zähle, werden früher oder später nicht darum herum 
> kommen, über realisierbare, über ehrlich durchgerechnete Modelle 
> nachzudenken!
>
> Mit freundlichen Grüßen!   Volker Brandl
>
>
>  
> Anhang: Die "substitutive Auszahlung" des GEs
>  
> Das GE an alle BürgerInnen "substitutiv auszuzahlen", wie Werner dies 
> vorsieht, heißt: Jede BürgerIn enthält das volle GE; es ersetzt 
> allerdings bisherige Einkünfte oder Einkunftsteile. Hinsichtlich der 
> Erwerbstätigen in der Wirtschaft, die ein Erwerbs-Einkommen - über der 
> Höhe des GE liegend - beziehen,  und das sind bei 750 Euro GE  die 
> meisten, bedeutet dies: 750 Euro ihres (Netto-) Erwerbseinkommens 
> werden durch das GE ersetzt. Diesen Teil des Einkommens braucht der 
> Arbeitgeber nicht mehr zu bezahlen, denn abhängige Erwerbstätige, die 
> höhere Einkünfte haben als das GE, sollen ja nach Werner durch die 
> Auszahlung des GEs nicht "reicher" werden. Die Wirtschaft als 
> Arbeitgeber kann also, so Werner,  Gehalts- und Lohnauszahlungen in 
> beträchtlichem Ausmaß einsparen, und zwar (netto) pro ArbeitnehmerIn 
> in der Höhe des GEs. Belaufen sich Erwerbseinkünfte hingegen auf einen 
>  geringeren Betrag als 750 Euro, so erspart sich die Wirtschaft nur 
> diesen geringeren Betrag; die BürgerIn verfügt in diesem Fall 
> über Gesamt-Einkünfte genau in der Höhe des GEs.
>  
> Stellt man analoge Überlegungen für alle 30 Millionen abhängigen 
> Erwerbstätigen in der Wirtschaft an, so kann man unter Zugrundelegung 
> von Einkommensstatistiken leicht ausrechnen, welche (Netto-) Gehalts- 
> und Lohnzahlungen die Wirtschaft durch GE-Auszahlungen insgesamt 
> einspart. Rechnet man noch die GEs-Auszahlungen für die 4,2 Millionen 
> Selbstständigen hinzu, so ergeben sich, wie gesagt, - bei einem GE 
> von  750 Euro monatlich - gigantische 256 Milliarden Euro an 
> Wirtschaftssubvention. Diese Summe  vergrößert sich bei einer Erhöhung 
> auf ein GE von 1500 Euro auf sage und schreibe 419 Milliarden Euro 
> jährlich. Und das bei einem Gesamt-Staatsbudget von ca. 500 Milliarden 
> Euro!
>  
> Entscheidend ist hier: Diese Ausgaben für das Wernersche GE müssen aus 
> dem Staatshaushalt finanziert werden, sie reissen tiefe Löcher in die 
> Staatskassa, sie  verursachen astronomisch hohe Haushaltsdefizite: So 
> resultiert für ein GE von 750 Euro monatlich (berechnet für 70 
> Millionen BürgerInnen)  summa summarum ein jährliches 
> Gesamt-Staatshaushalts-Defizit von 286 Milliarden Euro! (Im Jahr 2003 
> hatten wir ein Staats-Defizit von 65 Milliarden und dies war schon 
> viel zu hoch!)  Die Höhe dieses Defizits entspricht, wie man sieht, in 
> etwa der Höhe der Wirtschaftssubvention. Womit die Eingangsthese 
> bestätigt ist, dass das hier betrachtete Defizit entscheidend durch 
> die substitutive (!) Auszahlung des GEs verursacht wird. Bei 
> einem Hochgehen auf ein GE von monatlich 1500 Euro erhöht sich das 
> Defizit des Staatshaushaltes sogar auf 850 Milliarden Euro! Nichts 
> könnte somit falscher sein als das Wernersche, auf sein eigenes Modell 
> gemünzte  Wort , "dass alle zur Zahlung eines bedingungslosen 
> Grundeinkommens erforderlichen Geldströme schon heute fließen".
>  
> Diese Zahlen sprechen für sich!  Man fühlt sich wie auf einen anderen 
> Stern versetzt!
>  
> Wenn Werner übrigens angesicht der Finanzierungsproblematik  manchmal 
> vage andeutet, dass die hier erläuterten exorbitanten 
> Haushalts-Defizite durch zukünftig zu erwartende Produktivitätsgewinne 
> ausglichen werden könnten, so halte ich dies - in mehreren Hinsichten 
> - für reines, unbegründetes Wunschdenken...  
>  
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