[Debatte-Grundeinkommen] Kleines BGE, Test-BGE

Reimund Acker reimund.acker at t-online.de
Mi Jan 4 20:06:45 CET 2006


Florian Hoffmann schrieb:
> [...] die Einkommensteuer (Solidar-Abgabe) fließt als allgemeines
> Grundeinkommen zum Zwecke der Ausgleichs und als Ausfluß eines allgemeinen
> Gerechtigkeitsdenken zu gleichen Teilen an die Menschen zurück.

Das GE soll also ausschließlich über die Einkommensteuer (Solidar-Abgabe)
finanziert werden.

> [...]
> Wenn sich das Parlament und
> die Parteien
> auf eine solche "Entmachtung" einlassen, schließlich nimmt man ihnen
> teilweise die Finanzhoheit, dann könnte man schon bald mit einem kleinen
> Betrag aus den Einnahmen der Einkommensteuer beginnen.

Ich bin gegen ein "kleines" GE, wenn es nicht existenzsichernd ist. Der
politische Aufwand zur Durchsetzung eines GE dürfte nicht wesentlich kleiner
sein, wenn das geforderte GE kleiner ist. Entscheidend ist m.E. den
Durchbruch in den Köpfen zu erzielen, der notwendig ist um sich mit einem
Verzicht auf Arbeitszwang oder Gegenleistung abzufinden. Daher sollten wir
für ein mindestens existenzsicherndes GE bereits im ersten Schritt kämpfen.
Danach sollten wir das GE solange schrittweise erhöhen, bis es keine
"Arbeitslosigkeit" im heutigen Sinne mehr gibt, weil genügend Menschen bei
ausreichendem GE freiwillig ganz oder teilweise auf bezahlte Arbeit
verzichten.

> Mit der Einführung eines kleinen BGE stellt sich jedoch auch die
> Frage nach
> der Steuergerechtigkeit neu. Denn wenn die Abgabe in ein BGE
> fließt, sollten
> alle Einkommen, die nicht BGE sind, mit einem einheitlichen Steuersatz
> belastet werden. Auch das ist eine politische Frage.

Der Einkommensmillionär muß also sein GE nicht versteuern?

> Die richtige
> Höhe kann
> man nur ausprobieren. Ich könnte mir vorstellen, dass man bei 20
> % beginnt,
> kann aber auch 50 % werden. Beispiel: Am Ende (in 30 Jahren?) läge das BGE
> bei € 2.000 Milliarden Sozialprodukt, 50 % Solidar-Abgabe, 20 %
> Mehrwertsteuer in der Summe theoretisch bei € 800 Milliarden p.
> a., also ca.
> € 900 monatlich, wobei ich diesen Betrag wegen des hohen Abgabensatzes für
> nicht erreichbar halte.

800€, nicht 900. Faustformel: Je 100€ GE pro Monat für jeden kosten ca. 100
Milliarden € pro Jahr.
Wenn 900€ GE nicht erreichbar wäre, bliebe das GE unterhalb der Armutsgrenze
von derzeit ca. 980€, d.h. ein Arbeitszwang (wg. Armut) bliebe für viele
Menschen bestehen. Andererseits bedeutet ein GE von 1000€ einen
einheitlichen Einkommenssteuersatz von 60% (bei einem Volkseinkommen von
1658 Mrd € in 2005).

> Für mich ist eine BGE-Einführung realistischerweise mit vielen
> Unwägbarkeiten verbunden. Niemand kann vorhersagen, wie sich das Verhalten
> der Menschen auch schon bei kleinen Beträgen ändern wird - und damit die
> Steuereinnahmen - und damit das BGE.

Das gilt auch ohne GE. Die meisten Unwägbarkeiten sind aber hier irrelevant.
Was müssen wir wissen? Man kann vorab Umfragen machen, um eine Vorstellung
von den zu erwartenden Änderungen der wichtigsten Entscheidungsparameter zu
bekommen. Zu Präsident Nixon's Zeiten wurde so z.B. festgestellt, das die
Einführung eines GE in USA keine nennenswerte Auswirkung auf die
Arbeitsbereitschaft der Bürger hätte.

> Über eine gesetzliche Regelung könnte
> man die Einführung dynamisieren, sobald gute Ergebnisse vorliegen
> und keine
> Fehlentwicklungen.

Das GE wäre m.E. hinreichend dynamisiert, wenn es an die (dynamische)
Armutsgrenze gekoppelt wäre.
Wenn dann weniger Leute arbeiten, fällt das Durchschnittseinkommen und damit
die Armutsgrenze und das GE. Das würde den Anreiz zur Aufnahme zusätzlicher
bezahlter Arbeit erhöhen, das Durchschnittseinkommen würde wieder steigen,
das GE ebenfalls, etc. Ein hübscher Regelkreis.

> Die Politik wird und muß immer versuchen, Risiken
> auszuschließen. Daher halte ich quasi die testweise Einführung
> für richtig.

Von welchen Risiken ist denn hier die Rede? Wann würde der Test als
mißlungen gelten?
Die testweise Einführung eines GE würde m.E. die Opposition gegen ein GE
unnötig stärken und den Kampf für ein GE schwächen, da wir signalisieren
würden, daß wir das Vorhaben für so risikoreich halten, daß wir jederzeit
bereit wären, es wieder abzublasen. Das verträgt sich nicht gut mit der im
Netzwerk verbreiteten Überzeugung, daß es so etwas wie ein Menschenrecht auf
ein existenzsicherndes Einkommen gibt. Worin auch sollte das Risiko
bestehen, wenn eine reiche Gesellschaft wie die unsere beschließt, ihre
Mitglieder auch dann nicht verhungern zu lassen, wenn sie nicht mit anderen
um nicht vorhandene Arbeitsplätze kämpfen wollen?

> Das läßt sich so allen Parteien verkaufen. Keine Partei wäre der Gefahr
> ausgesetzt, sich zu blamieren.

Wir müssen GE das nicht Parteien verkaufen, sondern an unsere Mitbürger.
Sobald das GE von genügend Menschen gefordert wird, sobald klar wird, daß
man mit dem Thema GE nennenswert viele Wählerstimmen und Machtzuwachs
gewinnen kann, wird sich auch eine Partei dafür finden. Wichtige
Veränderungen kommen m.E. nie von Parteien, sondern werden diesen durch
engagierte Menschen "von außen" aufgezwungen. Das war so bei der
Arbeiterbewegung, der Anti-Atombewegung, der Friedensbewegung, der
Frauenbewegung, der Umweltschutzbewegung, etc.; das wird auch bei einer
GE-Bewegung so sein, die wir hoffentlich bald anstoßen können.

Reimund Acker




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