[Debatte-Grundeinkommen] Bad Schmiedeberg

Tobias Crefeld tc-wasg at onlinehome.de
Di Dez 26 15:29:19 CET 2006


On Fri, 22 Dec 2006 08:14:16 +0100 "Wolfgang Strengmann-Kuhn"
<strengmann at t-online.de> wrote:

> Eine Stadt schafft Hartz IV einfach ab. 
> Meines Erachtens geht das stark in Richtung Grundeinkommen.
> Oder?
> Zumindest zeigt es, dass und wie ein Grundeinkommen funktionieren
> kann.
> 
> Ein zentraler Punkt ist sicher, wie freiwillig die Buergerarbeit ist.
> Von den Medienberichten her scheinen die Betroffenen aber begeistert
> zu sein.

Der Tenor des Beitrags ist eigentlich: Seht her, es geht doch auch mit
den Instrumentarien von Hartz4 - der dafür angezapfte europäische
Sozialfond, usw. wird ja eher im Nebensatz erwähnt. Von "Abschaffung"
ist also nicht die Rede. Es ist letztlich eine sozialversicherte
Variante von ABM. Was aber bringt die Sozialversicherung? Im Falle von
Arbeitslosigkeit nach längerer "Bürgerarbeit" erwerben sie Anspruch auf
ALG-1 - 80% von 800 EUR? Ziemlich sinnlos.

Ein Grundeinkommen im allgemeinen Sinn ist bereits die Sozialhilfe
gewesen. Nur eben nicht bedingungslos und seit ALG-2 auch mit
Arbeitszwang. Das Konzept, alles über Versicherungssysteme von der
Erwerbstätigkeit abhängig zu machen, bleibt dabei unangetastet.

Es geht aber noch weiter. Die 800 EUR im Monat (lt. taz) sind
vielleicht in Sachsen-Anhalt geeignet, das Überleben zu sichern, im
Raum München sind sie es schon nicht mehr und beiderorts sind sie
ungeeignet, eine umfassende, gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.
Von einer Existenzsicherung kann also keine Rede sein - es ist wieder
nur eine vorübergehende Lösung auf dem Weg in die Verarmung. Insgeheim
geht auch dieses Konzept davon aus, dass "Bürgerarbeit" nur eine
Durchlaufstation ist, weil sie auf 30 h/Woche limitiert ist, damit die
"Bürgerarbeiter" noch 8,5 h pro Woche Zeit haben, sich eine "richtige"
Arbeit zu suchen.


Bei aller Sympathie dafür, den Leuten eines kleinen Orts zu ungeahnter
Popularität und Ansehen zu verhelfen und somit ein Licht am Horizont
anzubieten: Mit einem BGE hat das nichts zu tun. 

Ich hielte es auch für eine Scheinlösung, wenn man sowas als Einstieg
bezeichnen wollte. Wir müssen letztlich dahin, dass die Mehrheit in
diesem Land begreift, dass ein Einkommen, das aufgrund ausreichender
Höhe echte gesellschaftliche Teilhabe bietet, ein grundgesetzlich
verankerter Anspruch ist. Ebenso wie das GG Zwangsarbeit verbietet.
Alles, was dahinter zurückbleibt, zementiert den Status der
Arbeitslosigkeit als eine "vorübergehende" Ausweglösung. Das hielte ich
nicht für im Sinne des BGE, sorry.

Vor diesem Hintergrund sehe ich auch die Forderungen von Teilnehmern
dieses Netzwerks kritischer, erstmal einen Einstieg a la Althaus auf
einem niedrigeren Einkommensniveau zu probieren, um dann später
aufzustocken. Es mag zwar dem Stil unserer neueren Bundespolitik
entsprechen, erstmal loszufahren und dann zu überlegen, wo man hin
will, aber diese Politik ist nicht umsonst über weite Strecken zumindest
sozial- und finanzpolitisch gescheitert. Das wirtschaften planvoll
wirtschaften heißt, lernt man zumindest hier in Bayern schon in den
ersten Stunden Wirtschaft an den weiterführenden Schulen.


Gruß,
 Tobias.





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