[Debatte-Grundeinkommen] Zehn Thesen / Beitrag Tobias Crefeld

Tobias Crefeld tc-wasg at onlinehome.de
Mi Aug 30 17:18:05 CEST 2006


On Wed, 30 Aug 2006 10:37:42 +0200 "Florian Hoffmann"
<florian.hoffmann at intereasy.de> wrote:

> eine Erwiderung in aller Kürze:

Mir wäre recht, wenn hier nicht ständig neue threads aufgemacht
werden, sondern der Bezug gewahrt bleibt, auch wenn das die eigene
Position nicht ganz so weit in den Vordergrund rückt.


> 1. Existenzsicherung gehört nicht zu den Kriterien eines BGE.

Bei www.grundeinkommen.info tut es das. Auch Wikipedia nennt dies unter
dem Artikel Grundeinkommen. Falls BIEN das nicht tut, wäre zu klären,
warum.


> 2. Die Frage "Wie soll denn ...?" Muß jeder für sich beantworten. Zur
> Frage des Überlebens empfehle in Schirrmachers neues Buch "Minimum".

Ich drücke also jemand 100 EUR pro Monat in die Hand und sage ihm dann:
"Kauf Dir Herrn Schirrmachers Buch und schau dann selber zu, wie Du
damit Deine Miete zahlst."
 Warum eigentlich 100 EUR? Warum nicht 50 EUR? Die "Sozialdividende"
bietet in dieser Hinsicht eine nach unten offene Skala und das
Schirrmacherpamphlet ist als Paperback ziemlich billig (im doppelten
Sinne). 

Dann liest der Arme dort nach, dass er sich rechtzeitig reiche Spezln
hätte besorgen müssen, um sich von denen seinen Unterhalt finanzieren
zu lassen. Oder reich einheiraten. 

Erinnert irgendwie fatal an Hartz-IV. Da werden neuerdings auch die
24-Jährigen zwangseinquartiert bei ihren Eltern. Wenn das so
weitergeht, wird man in ein paar Jahren anfangen, Verwandte 2. Grades
und alle Verflossenen der letzten 10 Jahre zum Unterhalt zu
verpflichten. Das gibt dann Ahnenforschern ganz neue Aufgaben und die
ARGE können Heerscharen an Detektiven beschäftigen.


> 3. Erschreckend finde ich Deine Ablehnung einer Sozial-Dividende für
> "strukturell unterentwickelte Länder". Du schreibst wörtlich: "Hier
> muß man vielleicht mal ganz klar sagen, dass eine Nation sich ein BGE
> leisten können muß."

Bitte präzise bleiben: Ich schrieb nicht von einer "Sozialdividende",
sondern von einem BGE. 
Exakt dafür gilt meine Aussage. Erschreckend ist sie nur für Menschen,
die sich noch nie mit der Benachteiligung dieser Länder durch unsere
aktuelle Weltwirtschaftsordnung (und der Bevorzugung unserer Nation)
auseinandergesetzt hat. Wer sich dagegen gelegentlich mit Analysen zu
Arbeitslosigkeit und Armut auf http://www.ilo.org/ auseinandersetzt,
der versteht vielleicht eher die Zusammenhänge.

Nochmal: Es ist ein Fehler, mit dem BGE mehr Dinge erreichen zu wollen
und ihm mehr aufzubürden als es leisten kann. 


> Aha, wir sind die Reichen, die sich den Bauch vollschlagen dürfen.
> Für die Armen haben wir kein Rezept. Oder wie? Wo bleibt denn Dein
> soziales Gewissen? (Bewußte Irreführung kann man Dir bestimmt nicht
> vorwerfen!)
> 
> Gilt "sozial" nur für uns? Wie wär's denn mit einem sozialen Ausgleich
> (Länderausgleich)? Ist doch nichts ungewöhnliches, innerhalb
> Deutschlands seit Jahrzehnten (Jahrhunderten?) praktiziert!

Nunja, ich bin tatsächlich der Meinung, dass man erstmal vor der
eigenen Haustüre kehren sollte, bevor man über den Mist in
Nachbars Garten meckert. Ein in der sogenannten Entwicklungshilfe
immer wieder gehörter Vorwurf seitens der unterentwickelten Länder
lautet zurecht: "Beweist erstmal, dass Eure tollen Vorschläge bei Euch
funktionieren."

Ansonsten ist es ja bislang Dein Konzept, den Armen Almosen in
Form einer "Sozialdividende" zuzuwerfen und sie ansonsten an
irgendwelche oskuren Autoren zu verweisen.


> 4. Überleg' Dir mal, wie leicht wir in fremden Ländern millionenfach
> Existenzsicherung betreiben könnten - mit ein bisschen BGE!

Wie? Soll das BGE jetzt doch wieder existenzsichernd sein? Am Ende
überall, nur nicht hier? Seltsam.


BTW: Wenn jemand für sein Buch mit Zitaten wie "Wenn du einen Jungen
erziehst, erziehst du eine Person, wenn du ein Mädchen erziehst,
erziehst du eine Familie und eine ganze Gemeinschaft - ja, eine
Nation." Werbung machen läßt, dann kommt mir bei dieser runderneuerten
Frauen-der-Nation-wieder-an-den-Herd-Ideologie latent das K*tzen,
pardon.

Aber was will man von einem wie üblich rückwärts gewandten
FAZ-Herausgeber und Ignoranten moderner soziologischer Forschung mehr
erwarten? Eben. Nichts.


Gruß,
 Tobias.



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