[Debatte-Grundeinkommen] Debatte-grundeinkommen Nachrichtensammlung, Band 16, Eintrag 24: 2. Re: Vermischtes zu meiner KritikamWernerschen GE

Matthias Dilthey info at psgd.info
Do Aug 3 00:06:36 CEST 2006


Sehr geehrter Herr Heimann, liebe Liste,

haben Sie bitte Verständnis, wenn ich den relativ komplexen Zusammenhang 
zwischen Kapitalverschiebung und Besteuerung nicht in allen Einzelheiten 
darlege. Es kommt mir hier weniger auf wissenschaftliche Korrektheit als 
vielmehr auf die Verständlichkeit der Zusammenhänge an.

Bei der Betrachtung gehe ich von folgenden Eckpunkten aus:

1. Der Markt von Waren und Dienstleistungen ist nachfragebeschränkt, das 
Angebot übersteigt die Nachfrage.
1.1. Die Nachfragebeschränkung erfolgt zum einen durch fehlende Kaufkraft,
1.2. zum anderen durch Sättigung. Der, der Kaufkraft hat, hat auch alles, was 
er benötigt. Eventuell überschüssiges Kapital wird angelegt.

2. Kapital ist in ausreichendem Maß vorhanden, die Kapitalmarktbeschränkung 
erfolgt über die Kreditnachfrage oder besser, über die Bonität der 
Kreditnehmer.

3. Der Kapitaleigner wird, gleiches Anlagerisiko vorausgesetzt, immer dort 
sein Kapital anlegen, wo die höchste Kapitalrendite zu erwarten ist.

4. Der Aktienmarkt entwickelt sich losgelöst vom bilanzmäßigen Wert der 
Anteilscheine und der Dividende.
Zur Erklärung: der "gesicherte" Wert einer Aktie ergibt sich aus dem 
korrigierten Anlagevermögen dividiert durch die Zahl der ausgegebenen Aktien.
Die eigentliche Kapitalrendite ergibt sich aus dem Einkaufspreis der Aktie und 
der darauf ausgeschütteten Dividende.
Die Kapitalrendite beim Aktienmarkt bestimmt sich jedoch überwiegend aus der 
Differenz zwischen Ankaufs- und Verkaufspreis bezogen auf den Ankaufspreis; 
die Dividende spielt keine nennenswerte Rolle. Die Handelspreise der Aktien 
sind (fast) ausschließlich von Erwartungen an die zukünftige Kursentwicklung 
geprägt, das bilanzmäßige Anlagevermögen der Unternehmung hat keinen oder 
wenig Einfluß auf die Kursentwicklung.


Aus der Nachfragebeschränkung (zu 1.) ergibt sich zwingend, daß der 
(volkswirtschaftlich betrachtet) maximal erzielbare Umsatz nicht nur 
stückzahlmäßig, sondern auch monetär begrenzt ist.

Für die erzielbare Kapitalrendite der (Gesamtheit aller) Unternehmungen 
bedeutet das, daß eine Steigerung der Kapitalrendite nicht über eine 
Umsatzausweitung oder Preissteigerung, sondern ausschließlich über 
Kostensenkung zu erreichen ist.
Zwar kommt es zu Verschiebungen innerhalb einzelner Unternehmungen oder 
Branchen; diese gleichen sich jedoch aus. Was der Eine mehr verdient, 
verdient der Andere weniger. Das beweisen die Konsumausgaben der privaten 
Haushalte, die sich in den letzten 5 Jahren in einer Bandbreite von gerade 
mal ca. 20 Mrd. Euro (bei einem Gesamtvolumen von über 1.000 Mrd.) auf und ab 
bewegt haben.

Somit ergibt sich (volkswirtschaftlich gesehen) folgende Kapitalrendite für 
Dienstleistungs- oder produzierende Unternehmungen:

(I) Kapitalrendite (A)= Gewinn (A) / Kapitaleinsatz (A)

(II) Gewinn (A) = Kaufkraft ./. Konsumsteuern ./. Kosten 


Bei den Kapitalanlagen sieht die Sache etwas anders aus:

(III) Kapitalrendite (B) = Gewinn (B) / Kapitaleinsatz (B)

(IV) Gewinn (B) = Verkaufspreis ./. Einkaufspreis ./. Kapitalsteuern


Um in beiden Fällen, also der Anlage in Produktionsmittel (A) und der Anlage 
in Kapitalanlagen (B) bei gleichem Kapitaleinsatz auch die gleiche 
Kapitalrendite zu erzielen muß gelten:

(II) = (IV):
Kaufkraft (A) ./. Konsumsteuern ./. Kosten = 
Verkaufspreis ./. Einkaufspreis ./. Kapitalsteuern

und (I) = (III): Gewinn (A) = Gewinn (B)


Nachdem der Gewinn zu (A) von der Kaufkraft beschränkt wird, darf der Gewinn 
aus Kapitalanlagen (B) zuzüglich Konsumsteuern und Kosten die Kaufkraft nicht 
übersteigen, sollen beide Investitionsformen (A), (B) gleich attraktiv sein:

Kaufkraft = Gewinn (B) + Konsumsteuer + Kosten

daraus folgt

Kaufkraft ./. Gewinn (B) = Konsumsteuer + Kosten

Nachdem aber der 
Gewinn (B) = (Verkaufspreis ./. Einkaufspreis) ./. Kapitalsteuern,

ergibt sich bei konstantem Rohgewinn (Verk. ./. EK) von (B) und konstanter 
Kaufkraft, daß die Kapitalsteuern proportional der Summe aus Konsumsteuern 
und Kosten sein müssen, um bei beiden Investiotionsformen gleiche 
Kapitalrendite zu erzielen.

Wird die Proportionalität gestört, in dem z.B. die Konsumsteuer stark 
angehoben und gleichzeit die Kapitalsteuer gesenkt wird, so verbessert sich 
die Kapitalrendite bei Kapitalanlagen und verschlechtert sich gleichzeitig 
die Kapitalrendite bei Unternehmensinvestitionen.

Das führt zu einem Kapitalabfluß bei den Unternehmensinvestitionen und einem 
Zufluß bei den Kapitalanlagen. (Siehe Punkt 3.)

Würde jetzt der Aktienmarkt den gängigen Handels-Marktgesetzen folgen, würde 
die erhöhte Nachfrage den Einkaufspreis der Aktien steigen lassen und die 
Marge zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis dadurch sinken. Das hätte zur 
Folge, daß die Kapitalrendite sinken würde und sich die Unternehmens- und 
Kapitalmarkt-Renditen wieder auf gleiches Niveau einpendeln.

Da aber der Aktienkurs hauptsächlich von der Menge "anlagefreien Kapitals" 
abhängig ist, führt ein Ungleichgewicht zwischen Verbrauchssteuern und 
Kapitalsteuern zu einem kapitalmäßigem Ausbluten der fremdfinanzierten, 
nicht-börsennotierten Unternehmungen.
Börsennotierte Unternehmungen können sich über die Ausgabe neuer Aktien mit 
zusätzlichem Kapital versorgen, da die Aktien vom Verkaufswert ja nicht die 
bilanzmäßigen Werte wiedergeben, sondern die zu erwartenden Börsenwerte.

Das Werner´sche BGE-Modell verzichtet komplett auf eine Besteuerung von 
Kapitalanlagen und schichtet diese Steuerausfälle komplett auf die 
Verbrauchssteuern um.
Das wird zur Folge haben, daß nicht-börsennotierte Unternehmungen kein, oder 
nicht mehr bezahlbares, Fremdkapital erhalten.


Ich hoffe mir ist es gelungen, die Zusammenhänge etwas zu verdeutlichen und 
möchte nochmal betonen, daß es sich bei meiner Darstellung um eine extreme 
Vereinfachung der überaus kompexen Gesetzmäßigkeiten handelt.


Matthias Dilthey






Am Dienstag, 1. August 2006 12:39 schrieb heimann444 at compuserve.de:
> sehr geehrter Herr Dilthey,
> leider habe ich Ihren Gedanken zur Kapitalverschiebung bezüglich des
> Wernerschen Gedanken nicht verstanden, ich bitte Sie mir diesen noch
> nachvollziebar zu erläutern.
>
> Erwartungsvolle Grüße
> Wolfgang Heimann
>
> ----- Originalnachricht -----
> Von: Matthias Dilthey <info at psgd.info>
> Datum: Mittwoch, 19. Juli 2006 10:02 pm
> Betreff: Re: [Debatte-Grundeinkommen]Debatte-grundeinkommen
> Nachrichtensammlung, Band 16, Eintrag 24: 2. Re: Vermischtes zu meiner
> 	KritikamWernerschen GE
>
> > Sehr geehrte Frau Horster,
> >
> > das Werner´sche Modell mit nur einer Steuer (in Form der jetzigen
> > MwSt) kann
> > nicht funktionieren. Dieses Modell verschiebt die Kapitalrendite
> > weg von
> > Produktions-Anlagevermögen hin zu Kapitalanlagen.
> > Somit verbleibt dem produzierenden Gewerbe (erstmal) nicht
> > genügend Kapital,
> > um die Produktion aufrecht erhalten zu können.
> >
> > Nun könnte man einwenden, daß dann eben die Preise steigen werden
> > und so das
> > Produzierende Gewerbe die notwendige Kapitalrendite erwirtschaften
> > kann.Dem steht aber entgegen, daß die "einfachen Leute" trotz BGE
> > nicht genügend
> > Kaufkraft haben, das notwendige Preisniveau zu bezahlen.

> >
> > Matthias Dilthey



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