[Debatte-Grundeinkommen] Grundeinkommensdiskussion

ingmar.kumpmann at gmx.de ingmar.kumpmann at gmx.de
Mi Sep 28 23:11:19 CEST 2005


Lieber Michael Opielka,

ich hätte natürlich lieber nur Lob gehört.

Zu 1.: Am Anfang muss eine Idee stehen, die funktionieren kann, aber
politikfern ist in dem Sinne, dass zunächst die politische Durchsetzbarkeit
nicht einbezogen wird. Dass im Zuge politischer Auseinandersetzungen
Kompromisse notwendig werden können, ist realistisch. Aber wenn man eine
Forderung stellt, sollte man das Beste fordern und nicht mit dem Kompromiss
anfangen. Dann ist auch die Chance, etwas Gutes am Ende herauszubekommen,
deutlich größer.

Zu 2.: Wenn man den behördlichen Arbeitszwang wirklich abschaffen möchte,
sollte man keine neuen Ideen vorlegen, wie man Arbeitsunwillige noch
sanktionieren könnte.

Zu 3.: Es kann sein, dass das alles im Modell der
Grundeinkommensversicherung fast niemanden wirklich betrifft. Umso eher kann
man auf die Darlehensidee auch gleich ganz verzichten. Wenn von ihr ohnehin
kaum jemand betroffen ist, würde sie auch das Finanzierungsproblem nicht
entschärfen können.

Viele Grüße
Ingmar Kumpmann





> --- Ursprüngliche Nachricht ---
> Von: "Michael Opielka" <michael.opielka at isoe.org>
> An: <ingmar.kumpmann at gmx.de>
> Kopie: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de,
> kontakt at grundeinkommen.de
> Betreff: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Grundeinkommensdiskussion
> Datum: Tue, 27 Sep 2005 16:54:52 +0200
> 
> Lieber Ingmar Kumpmann,
> 
>  
> 
> schön, dass Sie die Kritik sportlich und nicht persönlich nahmen.
> Geschieht
> leider viel zu oft.
> 
> Auf drei Fragen sollten Sie vielleicht noch antworten:
> 
> 1.       Macht es Sinn, ein unbedingtes Grundeinkommen in seiner
> Implementationsphase mit flexiblen Hürden zu versehen? (a) aus
> Fehlerfreundlichkeit, (b) zur Legitimationserhöhung?
> 
> 2.       Sind Schulden ein größeres Problem als die soziale Kontrolle via
> Arbeitszwang?
> 
> 3.       Wen betrifft das tatsächlich? Im Modell der
> „Grundeinkommensversicherung“ nur noch einen Bruchteil der heutigen
> ALGII-Empfänger. 
> 
> Kurz: die Grundeinkommensversicherung ist ein reformistisches Modell. Sie
> thematisiert aber die gesamtgesellschaftliche Solidarität klarer als die
> mir
> bislang bekannten Modelle.
> 
>  
> 
> Schöne Grüße
> 
> Michael Opielka
> 
>  
> 
>  
> 
> prof. dr. michael opielka
> 
> visiting scholar (fall 2004 - fall 2006)
> 
> uc berkeley, school of social welfare
> 120 haviland hall, 7400
> berkeley, ca 94720-7400
> 
> usa
> phone (001)510.642.4408  fax (001)510.643.6126
> 
> mail: opielka at berkeley.edu
> 
>  
> 
> home address:
> 
> university of applied sciences jena - faculty of social work
> 
> professor for social policy
> 
> p.o.b. 100314
> 
> d - 07703 jena
> 
> germany
> 
> phone +49(0)3641.205.816  fax +49(0)3641.205.801
> 
>  
> 
> -----Ursprüngliche Nachricht-----
> Von: ingmar.kumpmann at gmx.de [mailto:ingmar.kumpmann at gmx.de] 
> Gesendet: Dienstag, 27. September 2005 14:30
> An: michael.opielka at isoe.org
> Betreff: Grundeinkommensdiskussion
> 
>  
> 
> Lieber Herr Opielka,
> 
>  
> 
> vielen Dank für Ihre Antwort auf meinen Text zur Höhe und Finanzierung des
> 
> Grundeinkommens. Ich habe gerade die unten angehängte Antwort in den
> 
> E-Mail-Verteiler geschickt.
> 
> Eine kleine Bitte: Da ich nicht mehr an der Uni Göttingen arbeite, wird
> 
> meine Uni-E-Mail-Adresse (an die Sie mir geschrieben haben) demnächst
> 
> auslaufen. Bitte schreiben Sie mir nur unter dieser E-Mail-Adresse:
> 
> ingmar.kumpmann at gmx.de. Vielen Dank.
> 
>  
> 
> Viele Grüße
> 
> Ingmar Kumpmann
> 
>  
> 
>  
> 
>  
> 
>  
> 
> --- Weitergeleitete Nachricht ---
> 
> Von: ingmar.kumpmann at gmx.de
> 
> An: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
> 
> Kopie: kmohr at gwdg.de, kontakt at grundeinkommen.de
> 
> Betreff: Re: [Debatte-Grundeinkommen] WG: [Fwd: Grundeinkommen -
> 
> Finanzierung] - Kritik an der Ignoranz gegenüber dem Modell einer
> 
> "Grundeinkommensversicherung"
> 
> Datum: Tue, 27 Sep 2005 14:24:36 +0200 (MEST)
> 
>  
> 
> Liebe Freundinnen und Freunde,
> 
>  
> 
> ich habe mich über die Reaktion von Michael Opielka auf meinen Text zum
> 
> Grundeinkommen sehr gefreut. Der Dialog zwischen Vertretern/innen
> 
> verschiedener Fachrichtungen ist immer sehr aufschlussreich und trägt zum
> 
> umfassenden Verständnis von Problemen bei. Dass ich als Volkswirt mich mit
> 
> der Finanzierung beschäftige, ist vielleicht kein Zufall. Allerdings bin
> ich
> 
> mir ganz sicher, dass die Finanzierungsfrage zu den zentralen Fragen der
> 
> Grundeinkommensdiskussion gehören muss, wenn sie auch nicht die einzige
> 
> zentrale Frage ist.
> 
>  
> 
> Sicherlich sind meine grundsätzlichen Überlegungen zur Höhe des
> 
> Grundeinkommens zunächst politikfern. Dabei komme ich zu dem Ziel eines
> 
> nachhaltig finanzierbaren "möglichst hohen" Grundeinkommens. Dass in der
> 
> politischen Diskussion die Bezugnahme auf einen Warenkorb notwendig sein
> 
> wird, um diesem Ziel näher zu kommen, erwähne ich in meinem Text
> 
> ausdrücklich (S. 4, dritter Absatz). Opielka hat Recht, dass auch eine
> 
> Orientierung an relativen Einkommenshöhen dabei sinnvoll sein kann.
> 
>  
> 
> Opielka schlägt vor, das Grundeinkommen (unter der Bezeichnung
> 
> Grundsicherung) insbesondere an Personen, die dem Arbeitsmarkt nicht zur
> 
> Verfügung stehen wollen, zur Hälfte nur als Darlehen zu zahlen. Dies führt
> 
> jedoch dazu, dass die Lebensphase für den Gesamtumfang finanzieller
> 
> Unterstützung bedeutsam wird. Wer in seinem Modell beispielsweise vom 20.
> 
> bis 40. Lebensjahr Grundsicherung bezieht und danach bis zum 65.
> Lebensjahr
> 
> einer Erwerbsarbeit nachgeht, wird vermutlich die Grundsicherungsschulden
> 
> aus seinen Erwerbseinkommen voll zurückzahlen. Wer dagegen erst arbeitet
> 
> (von 20 bis 45) und danach von der Grundsicherung lebt (von 45 bis 65),
> wird
> 
> mit Grundsicherungsschulden in Rente gehen und diese Schulden entweder aus
> 
> seiner Rente zurückzahlen müssen (sofern diese nach verkürztem
> 
> Erwerbsarbeitsleben hoch genug ist) oder eben mit ins Grab nehmen. Für die
> 
> Frage, ob und inwieweit Grundsicherungsschulden zurückgezahlt werden, ist
> 
> die zeitliche Lage des Grundsicherungsbezuges relevant.
> 
>  
> 
> Man kann vor den Bezug einer Sozialleistung höhere oder niedrigere Hürden
> 
> aufbauen. Dies lässt sich auch nicht mit dem Hinweis, alle Modelle seien
> nun
> 
> einmal komplex, vom Tisch wischen. Bei der Grundsicherung, die das
> 
> Existenzminimum auch für die Schwächsten der Gesellschaft absichern soll,
> 
> müssen die Hürden niedrig sein. Ein Modell, das dazu führt, dass Menschen
> am
> 
> Ende Schulden haben, schreckt eher ab als eines, in dem solche Schulden
> 
> nicht entstehen. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass bei Verwirklichung
> von
> 
> Opielkas Modell mehr Anspruchsberechtigte vor der Beantragung von
> 
> Grundsicherung zurückschrecken würden, als in Modellen, in denen aus der
> 
> Grundsicherung keine Schulden resultieren.
> 
>  
> 
> Dass mein Text zum Grundeinkommen Opielkas Konzepts einer
> 
> Grundeinkommensversicherung, welches einen sehr umfassenden Umbau fast
> aller
> 
> sozialen Sicherungssysteme vorsieht, nicht hinreichend diskutieren kann,
> ist
> 
> auf Grund meines Themas sicher verständlich. Letztlich beschränke ich mich
> 
> auf die Frage nach der Zahlung des Grundeinkommens zur Hälfte als
> Darlehen,
> 
> weil dieser für die von mir diskutierte Finanzierungsproblematik besonders
> 
> relevant ist.
> 
>  
> 
> Ich freue mich auf die Fortsetzung der Diskussion.
> 
>  
> 
> Viele Grüße
> 
> Ingmar Kumpmann
> 
> 



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