[Debatte-Grundeinkommen] Grundeinkommensdiskussion

Michael Opielka michael.opielka at isoe.org
Di Sep 27 16:54:52 CEST 2005


Lieber Ingmar Kumpmann,

 

schön, dass Sie die Kritik sportlich und nicht persönlich nahmen. Geschieht
leider viel zu oft.

Auf drei Fragen sollten Sie vielleicht noch antworten:

1.       Macht es Sinn, ein unbedingtes Grundeinkommen in seiner
Implementationsphase mit flexiblen Hürden zu versehen? (a) aus
Fehlerfreundlichkeit, (b) zur Legitimationserhöhung?

2.       Sind Schulden ein größeres Problem als die soziale Kontrolle via
Arbeitszwang?

3.       Wen betrifft das tatsächlich? Im Modell der
„Grundeinkommensversicherung“ nur noch einen Bruchteil der heutigen
ALGII-Empfänger. 

Kurz: die Grundeinkommensversicherung ist ein reformistisches Modell. Sie
thematisiert aber die gesamtgesellschaftliche Solidarität klarer als die mir
bislang bekannten Modelle.

 

Schöne Grüße

Michael Opielka

 

 

prof. dr. michael opielka

visiting scholar (fall 2004 - fall 2006)

uc berkeley, school of social welfare
120 haviland hall, 7400
berkeley, ca 94720-7400

usa
phone (001)510.642.4408  fax (001)510.643.6126

mail: opielka at berkeley.edu

 

home address:

university of applied sciences jena - faculty of social work

professor for social policy

p.o.b. 100314

d - 07703 jena

germany

phone +49(0)3641.205.816  fax +49(0)3641.205.801

 

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ingmar.kumpmann at gmx.de [mailto:ingmar.kumpmann at gmx.de] 
Gesendet: Dienstag, 27. September 2005 14:30
An: michael.opielka at isoe.org
Betreff: Grundeinkommensdiskussion

 

Lieber Herr Opielka,

 

vielen Dank für Ihre Antwort auf meinen Text zur Höhe und Finanzierung des

Grundeinkommens. Ich habe gerade die unten angehängte Antwort in den

E-Mail-Verteiler geschickt.

Eine kleine Bitte: Da ich nicht mehr an der Uni Göttingen arbeite, wird

meine Uni-E-Mail-Adresse (an die Sie mir geschrieben haben) demnächst

auslaufen. Bitte schreiben Sie mir nur unter dieser E-Mail-Adresse:

ingmar.kumpmann at gmx.de. Vielen Dank.

 

Viele Grüße

Ingmar Kumpmann

 

 

 

 

--- Weitergeleitete Nachricht ---

Von: ingmar.kumpmann at gmx.de

An: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de

Kopie: kmohr at gwdg.de, kontakt at grundeinkommen.de

Betreff: Re: [Debatte-Grundeinkommen] WG: [Fwd: Grundeinkommen -

Finanzierung] - Kritik an der Ignoranz gegenüber dem Modell einer

"Grundeinkommensversicherung"

Datum: Tue, 27 Sep 2005 14:24:36 +0200 (MEST)

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

 

ich habe mich über die Reaktion von Michael Opielka auf meinen Text zum

Grundeinkommen sehr gefreut. Der Dialog zwischen Vertretern/innen

verschiedener Fachrichtungen ist immer sehr aufschlussreich und trägt zum

umfassenden Verständnis von Problemen bei. Dass ich als Volkswirt mich mit

der Finanzierung beschäftige, ist vielleicht kein Zufall. Allerdings bin ich

mir ganz sicher, dass die Finanzierungsfrage zu den zentralen Fragen der

Grundeinkommensdiskussion gehören muss, wenn sie auch nicht die einzige

zentrale Frage ist.

 

Sicherlich sind meine grundsätzlichen Überlegungen zur Höhe des

Grundeinkommens zunächst politikfern. Dabei komme ich zu dem Ziel eines

nachhaltig finanzierbaren "möglichst hohen" Grundeinkommens. Dass in der

politischen Diskussion die Bezugnahme auf einen Warenkorb notwendig sein

wird, um diesem Ziel näher zu kommen, erwähne ich in meinem Text

ausdrücklich (S. 4, dritter Absatz). Opielka hat Recht, dass auch eine

Orientierung an relativen Einkommenshöhen dabei sinnvoll sein kann.

 

Opielka schlägt vor, das Grundeinkommen (unter der Bezeichnung

Grundsicherung) insbesondere an Personen, die dem Arbeitsmarkt nicht zur

Verfügung stehen wollen, zur Hälfte nur als Darlehen zu zahlen. Dies führt

jedoch dazu, dass die Lebensphase für den Gesamtumfang finanzieller

Unterstützung bedeutsam wird. Wer in seinem Modell beispielsweise vom 20.

bis 40. Lebensjahr Grundsicherung bezieht und danach bis zum 65. Lebensjahr

einer Erwerbsarbeit nachgeht, wird vermutlich die Grundsicherungsschulden

aus seinen Erwerbseinkommen voll zurückzahlen. Wer dagegen erst arbeitet

(von 20 bis 45) und danach von der Grundsicherung lebt (von 45 bis 65), wird

mit Grundsicherungsschulden in Rente gehen und diese Schulden entweder aus

seiner Rente zurückzahlen müssen (sofern diese nach verkürztem

Erwerbsarbeitsleben hoch genug ist) oder eben mit ins Grab nehmen. Für die

Frage, ob und inwieweit Grundsicherungsschulden zurückgezahlt werden, ist

die zeitliche Lage des Grundsicherungsbezuges relevant.

 

Man kann vor den Bezug einer Sozialleistung höhere oder niedrigere Hürden

aufbauen. Dies lässt sich auch nicht mit dem Hinweis, alle Modelle seien nun

einmal komplex, vom Tisch wischen. Bei der Grundsicherung, die das

Existenzminimum auch für die Schwächsten der Gesellschaft absichern soll,

müssen die Hürden niedrig sein. Ein Modell, das dazu führt, dass Menschen am

Ende Schulden haben, schreckt eher ab als eines, in dem solche Schulden

nicht entstehen. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass bei Verwirklichung von

Opielkas Modell mehr Anspruchsberechtigte vor der Beantragung von

Grundsicherung zurückschrecken würden, als in Modellen, in denen aus der

Grundsicherung keine Schulden resultieren.

 

Dass mein Text zum Grundeinkommen Opielkas Konzepts einer

Grundeinkommensversicherung, welches einen sehr umfassenden Umbau fast aller

sozialen Sicherungssysteme vorsieht, nicht hinreichend diskutieren kann, ist

auf Grund meines Themas sicher verständlich. Letztlich beschränke ich mich

auf die Frage nach der Zahlung des Grundeinkommens zur Hälfte als Darlehen,

weil dieser für die von mir diskutierte Finanzierungsproblematik besonders

relevant ist.

 

Ich freue mich auf die Fortsetzung der Diskussion.

 

Viele Grüße

Ingmar Kumpmann

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