[Debatte-Grundeinkommen] [Fwd: Re: (Fwd) [genugfueralle-bge] Bericht über Ko ngress "Gru ndeinkomm]

Katrin Mohr kmohr at gwdg.de
Fr Okt 14 13:05:27 CEST 2005


Hallo,

anbei ein Bericht vom Wiener Kongress von Dagmar Paternoga von der 
Attac-AG "Genug für alle".

Beste Grüße,
KM

-------- Original Message --------

Hallo Leute,
hier mein Bericht über den Kongress "Grundeinkommen - in Freiheit tätig sein" v. 7.-9.10.2005 in Wien, an dem ich mit drei weiteren Leuten aus der Genug für Alle AG teilnahm, mit der Bitte um Weiterleitung.
 
Kongress "Grundeinkommen - in Freiheit tätig sein" v. 7.-9.10.2005 in Wien
Veranstalterinnen: Netzwerk Grundeinkommen, Deutschland; Netzwerk Grundeinkommen und sozialer Zusammenhalt, Österreich, Attac Deutschland und Attac Österreich
 
Der "Wiener" Kongress singt "Blow'n in the wind..."!
Zum Abschluß des dreitägigen Kongresses Grundeinkommen in Freiheit tätig sein" mit weit über 200 Teilnehmerinnen forderte Eduardo Suplicy, Senator der brasilianischen Arbeiterpartei, nachdem er die stufenweise Einführung eines Grundeinkommens in Brasilien vorgestellt hatte, die Teilnehmerinnen zum Singen auf.
 
Dies war der emotionale Abschluß des Kongresses, der am Freitagend in den Räumen der "Diplomatischen Akademie Wien" begann.
Zunächst stellten die Veranstalterinnen und Vertreterinnen  von BIEN, Schweiz, ihre Argumente für ein Grundeinkommen kurz dar: Es gibt ein Menschenrecht auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben; die Menschheit ist in der Lage, genug Nahrung für Alle herzustellen; Vollbeschäftigung kommt nie wieder; wir benötigen Alternativen bzw. Ergänzungen zu den auf Erwerbstätigkeit beruhenden sozialen Sicherungssystemen; ein Grundeinkommen sollte armutsfest und ohne Zwang zur Erwerbstätigkeit ausgezahlt werden.
 
In seinem Eröffnungsvortrag sprach sich Philippe van Parijs, Professor für Philosophie an der Uni Löwen/Belgien und Gründungsmitglied von BIEN (Basic Income Network) für ein Grundeinkommen nicht nur europaweit, sondern als Mitel der Armutsbekämpfung weltweit aus. Er verwies auf entsprechende breite Initiativen in Namibia und Südafrika sowie anderen Ländern des Südens.
 
Auf dem anschließenden Podiumsgespräch wurde die Ausbreitung von Armut in Deutschland und Österreich analysiert und festgestellt, dass nicht nur die hohe Langzeitarbeitslosigkeit, sondern auch immer mehr Menschen mit Erwerbstätigkeit kein armutsfestes Einkommen mehr erhalten. Stichwort: "working poor". Die Schere zwischen Arm und Reich vergrößert sich in beiden Ländern dramatisch. Daraus wurde die Schlußfolgerung gezogen, die  bürokratischen Kontrollapparate abzuschaffen und die daraus gewonnenen Ersparnisse für 
die Finanzierung eines Grundeinkommens heranzuziehen. 
 
Bei der  Diskussion mit dem Publikum ging es vor allem um Modelle mit oder ohne Bedarfsprüfung, der verschiedenen Vorstellungen zur Höhe eines Grundeinkommens, mit oder ohne Zwang zur ehrenamtlichen Tätigkeit. Kann ein Grundeinkommen in der jetzigen kapitalistischen Gesellschaft verwirklicht werden oder geht es dabei auch um eine Veränderung der Gesellschaftsform?
 
Der Samstag wurde in den Räumen der Wiener Universität mit insgesamt 18 Workshops fortgesetzt. Die zentralen Themen waren Krise der Arbeitsgesellschaft; Verbreitung eines Grundeinkommens europa- und weltweit; verschiedene Arbeitsbegriffe./.Tätigkeit, Menschenrechte, Menschenbild; Wissensgesellschaft; wie stehen die Gewerkschaften zum Grundeinkommen? Was bedeutet ein Grundeinkommen für Frauen (Genderaspekt)?; Produktion/Produktivität; gesellschaftskonform/gesellschaftsverändernd? und anderes mehr.
 
Teilgenommen habe ich an einem Workshop, in dem die Idee von FIAN, Foodfirst Information and Action Network,  ein weltweites Grundeinkommen zur Armutsbekämpfung einzuführen, diskutiert wurde.
FIAN bezieht sich auf den World-Food-Report der UN, der bestätigt, dass die weltweite Landwirtschaft problemlos 12 Milliarden Menschen, also das Doppelte der Weltbevölkerung ernähren könnte. Trotzdem leiden heute mehr als 800 Milionen Menschen an Hunger. Das bedeutet eine Verletzung der Menschenrechte. Das Recht, sich zu ernähren ist im internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte verankert. FIAN hat ein Modell entwickelt, wonach mit der Zahlung von einem US-Dollar an jede 
Einwohnerin der entsprechenden Länder der Hunger abgeschafft werden könnte.Finanziert werden könnte das mit einer entsprechenden Steuererhebung in den Ländern sowie einem Beitrag aus der sogenannten Entwicklungshilfe der Industriestaaten. Bei der anschließenden Diskussion wurden von den Teilnehmerinnen weitere Vorschläge zur Finanzierung eines solchen Modells wie Ressourcenhandel, Steuer auf Flugbenzin etc. genannt.
 
Eduardo Suplicy verwies auf das einzige verwirklichte Modell , dem Alaska Permanent Fund.  In Alaska wird seit 1982 ein minimales Grundeinkommen an alle Bewohnerinnen ausgezahlt. Finanziert wird dieses Modell aus den jährlichen Dividenden der Öleinkommen. Durch das Grundeinkommen ist es zu einer Umverteilung der Einkommen gekommen. So stiegen die Einkommen der Reichen um 7 %, die der armen Bevölkerung jedoch um 28 %.
 
Wer noch nicht zu müde war, hatte am Samstagabend die Möglichkeit, in "Philosphischen Cafés" in Wiener Kaffeehäusern weiter zu den Themen "Grundeinkommen aus feministischer Perspektive", "Ideologie der Arbeit in der abendländischen Tradition", "Arbeit und Grundeinkommen", "Religiöse Momente im modernen Arbeitsverständnis"; "Arbeit und die Unwahrscheinlichkeit der Nachfrage" zu parlieren und zu diskutieren.
 
Das Zusammentreffen von so unterschiedlichen Vertreterinnen aus der katholischen Soziallehre kommend, mit marxistischem Hintergrund, aus der Ökologiebewegung, der radikalen Linken usw. zeigte bei aller Differenz der Analyse und Argumente sowie unterschiedlichen Vorstellungen über Modelle eines Grundeinkommens doch auf, dass man/frau sich einig ist, dass die vom Netzwerk Grundeinkommen vorgeschlagenen Kriterien: Recht auf Einkommen für alle; auf inidividueller Basis, unabhängig von Arbeit und sonstigem Einkommen" 
von (fast) allen Teilnehmerinnen getragen werden.
 
Bei dem Vernetzungstreffen wurde angeregt, im nächsten Jahr einen europäischen Kongress zum Grundeinkommen durchzuführen. Philippe van Parijs kündigte den nächsten internationalen Kongress zum Grundeinkommen/Basic Income für September 2006 in Kapstadt/Südafrika an.
 
In den Pausen fanden zahlreiche Gespräche informeller Art statt und es wurde mir wieder einmal deutlich, wie wichtig der persönliche Austausch und persönliche Begegnungen trotz aller Möglichkeiten der elektronischen Kommunikation sind. Ich habe wichtige Anregungen für meine politische Arbeit bei Attac mitgenommen und kann nur allen empfehlen, solche Möglichkeiten des internationalen Austauschs wahrzunehmen. Auch die konkrete Erfahrung, dass sich Menschen europa- und weltweit für eine Alternative zum 
Neoliberalismus engagieren, hat mir  Mut und Kraft gegeben.
 
EINE ANDERE WELT IST MÖGLICH!
 
Da mein persönlicher Bericht nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, möchte ich auf das ab 12. Oktober im Netz unter www.grundeinkommen.at vorliegende Protokoll verweisen.
 
Mein besonderer Dank richtet sich an die Organisatorinnen der Katholischen Sozialakademie Österreich, die uns eine stressfreie Teilnahme und gute Übernachtungsmöglichkeiten geboten haben.
Dagmar Paternoga
Genug für Alle AG
Attac Bonn






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