[Debatte-Grundeinkommen] Frage zur Abwesenheit eines Arbeitszwangs

Werner Schumacher schumacher.marburg at freenet.de
Mo Nov 28 20:54:00 CET 2005


Lieber Herr Westphal,
Ihre Entgegnung ist ein schönes Beispiel dafür, was alles passieren 
kann, wenn Kommunikation funktioniert. Denn Kommunikation ist ja nicht 
das, was man gesagt oder geschrieben hat, sondern das, was verstanden wird.

>Des
>Bürgers oberste Pflicht ist der Konsum. 
>
Nein, so etwas möchten sich Alpträumer wünschen, nur die können so etwas 
verstehen, aber davon war und ist nirgends die Rede.

>Statt Arbeitszwang also Konsumzwang?
>  
>
Nein. Es geht um Freiheit satt Vollbeschäftigung - es geht um soziale 
Freiheit. Es geht darum umzustellen von den endlosen und nichtsnutzigen 
Tiraden über soziale Sicherheit auf praktische Erfahrungen mit sozialer 
Freiheit. Denn die fehlen uns gänzlich.
Meine Argumente die Notwendigkeit den Konsum betreffend sind eigentlich 
nur erkenntnistheoretischer Art: Konsumieren Sie mal ein, zwei Wochen 
rein gar nichts, null, nichts: kein Brot, kein Wasser, keine Luft - 
einfach nichts. Und sagen Sie mir anschließend, wie es Ihnen dabei 
ergangen ist. Wenn Sie mir dann auch nur igend etwas sagen können, gibt 
es wirklich keine Notwendigkeit des Konsums.
Gibt es sie aber doch, brauchen wir die daraus resultierenden Einsichten 
für eine Theorie der Ökonomie. Und eine solche Theorie der Ökonomie hat 
es dann hinsichtlich des Unterschieds von Angebot und Nachfrage mit 
einem doppelten Unterschied zu tun: Erstens: kein Angebot auf der einen 
Seite ohne Nachfrage auf der anderen Seite (und andersherum); und 
zweitens: jedes Angebot liefert zugleich den Grund für einen Nachfrage 
auf der gleichen Seite (und andersherum). Nur die Gleichzeitigkeit von 
Angebot und Nachrfrage macht Ökonomie möglich, aber beides muss 
hergestellt, muss produziert werden können, beides muss zur Welt kommen, 
beides ist Ergebnis von Arbeitsleistung. Wer das anders sieht, kann die 
Welt nicht verstehen, oder sollte auf eine experimentelle 
Lebensgestaltung umstellen, welche die Herkunft der Nachfrage einfach 
ignoriert.

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schumacher

>Hallo, Herr Schuhmacher!
>
>Nun höre ich es schon zum zweiten Mal mehr oder weniger explizit: Des
>Bürgers oberste Pflicht ist der Konsum. Konsumiert er nicht - und ich meine
>die Geldausgabe jenseits von Brot und Milch und Miete -, dann bricht das
>System zusammen.
>
>Statt Arbeitszwang also Konsumzwang?
>
>Ich denke, ich verstehe, woher der Gedanke kommt, aber er will mir nicht so
>recht schmecken. Ist ein System, das mich zum Konsumieren zwingt, ein
>wünschenswertes System? 
>
>Wie gesagt, ich bin ja dafür, dass Menschen für das Recht auf (B)GE etwas
>leisten sollen. Aber ob Konsum eine, hm, "pädagogisch wertvolle" Leistung
>ist, wage ich zu bezweifeln. 
>
>Vor allem ist ein Konsumzwang schwer quantifizierbar. Wieviel sollte ein
>Mensch zwangsweise pro Monat konsumieren müssen? 80% seines GE? Oder eher
>120%, damit er sich aktiv an der Gesellschaft mit Arbeit beteiligt?
>
>Aber vielleicht verstehe ich auch etwas falsch.
>
>Gruß
>
>Ralf Westphal
>
>-----Original Message-----
>From: debatte-grundeinkommen-bounces at listen.grundeinkommen.de
>[mailto:debatte-grundeinkommen-bounces at listen.grundeinkommen.de] On Behalf
>Of Werner Schumacher
>Sent: Mittwoch, 23. November 2005 10:52
>To: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
>Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Frage zur Abwesenheit eines Arbeitszwangs
>
>Sehr geehrter Herr Westphal,
>
>  
>
>>Woraus leitet sich die Abwesenheit eines Arbeitszwangs im Konzept des
>>Grundeinkommens ab?
>> 
>>
>>    
>>
>Den bisherigen Antworten möchte ich noch eine weitere hinzufügen:
>Die konventionelle Industriegesellschaft hat es bis heute nicht 
>geschafft, einen ihrer blinden Flecke zu betrachten, nämlich den, Arbeit 
>und Erwerbsarbeit nicht zu unterscheiden. Arbeit ist alles, was in einer 
>Gesellschaft produziert wird, Erwerbsarbeit ist nur das, was 
>monetarisiert werden kann. Daraus folgt, in der Logik der Berechnung 
>eines BIP, dass alles, was man fiskalisch nicht erfasst, weil es monetär 
>nicht messbar ist, statistisch gar nicht gibt. Ein Nachhilfelherer, der 
>für seine Arbeit Geld bekommt würde damit einen Beitrag zum BIP leisten, 
>der Vater oder die Mutter, die die gleiche Arbeit ohne Geld machen, 
>leisten damit keinen Beitrag, was praktisch hieße, dass es 
>unentgeltliche Arbeit gar nicht gibt. Aber das ist schlicht Unsinn.
>Deshalb ist Ihre Frage schlecht gestellt: es geht nicht um einen 
>Verzicht auf Arbeitszwang, sondern um einen Verzicht auf 
>Zwangserwerbsarbeit. Der Verzicht auf Zwangsarbeit ist schon deshalb 
>logisch, weil kein Mensch nicht arbeiten kann, denn auch der Konsum ist 
>ökonomisch notwendige Arbeit. Wer das bestreitet sollte sich vorstellen 
>was geschähe, wenn die Gesellschaft komplett in einen Hungerstreik träte.
>Einfacher ausgedrückt: die konventionelle Industriegesellschaft will 
>folgenden Zusammenhang nicht sehen: Es wird immer noch an der Maxime 
>festgehalten, die besagt: wer nicht arbeitet, bekommt auch nichts zu 
>essen. Wer arber nichts zu essen bekommt, kann nicht arbeiten.
>Der Zwang zur Erwerbsarbeit ist so überflüssig wie eine parlamentarische 
>Mehrheit für ein Gravitationsgesetz.
>
>Mit besten Grüßen
>Werner Schumacher
>
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