[Debatte-Grundeinkommen] Frage zur Abwesenheit eines Arbeitszwangs
Werner Schumacher
schumacher.marburg at freenet.de
Mi Nov 23 10:51:47 CET 2005
Sehr geehrter Herr Westphal,
>Woraus leitet sich die Abwesenheit eines Arbeitszwangs im Konzept des
>Grundeinkommens ab?
>
>
Den bisherigen Antworten möchte ich noch eine weitere hinzufügen:
Die konventionelle Industriegesellschaft hat es bis heute nicht
geschafft, einen ihrer blinden Flecke zu betrachten, nämlich den, Arbeit
und Erwerbsarbeit nicht zu unterscheiden. Arbeit ist alles, was in einer
Gesellschaft produziert wird, Erwerbsarbeit ist nur das, was
monetarisiert werden kann. Daraus folgt, in der Logik der Berechnung
eines BIP, dass alles, was man fiskalisch nicht erfasst, weil es monetär
nicht messbar ist, statistisch gar nicht gibt. Ein Nachhilfelherer, der
für seine Arbeit Geld bekommt würde damit einen Beitrag zum BIP leisten,
der Vater oder die Mutter, die die gleiche Arbeit ohne Geld machen,
leisten damit keinen Beitrag, was praktisch hieße, dass es
unentgeltliche Arbeit gar nicht gibt. Aber das ist schlicht Unsinn.
Deshalb ist Ihre Frage schlecht gestellt: es geht nicht um einen
Verzicht auf Arbeitszwang, sondern um einen Verzicht auf
Zwangserwerbsarbeit. Der Verzicht auf Zwangsarbeit ist schon deshalb
logisch, weil kein Mensch nicht arbeiten kann, denn auch der Konsum ist
ökonomisch notwendige Arbeit. Wer das bestreitet sollte sich vorstellen
was geschähe, wenn die Gesellschaft komplett in einen Hungerstreik träte.
Einfacher ausgedrückt: die konventionelle Industriegesellschaft will
folgenden Zusammenhang nicht sehen: Es wird immer noch an der Maxime
festgehalten, die besagt: wer nicht arbeitet, bekommt auch nichts zu
essen. Wer arber nichts zu essen bekommt, kann nicht arbeiten.
Der Zwang zur Erwerbsarbeit ist so überflüssig wie eine parlamentarische
Mehrheit für ein Gravitationsgesetz.
Mit besten Grüßen
Werner Schumacher
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