[Debatte-Grundeinkommen] [Fwd: AW: kreutz in "sozialismus" zum bge]
Philipp Jacks
philipp at jungdemokraten.org
Di Nov 1 21:49:36 CET 2005
Hallo,
folgende Mail von Daniel Kreutz soll ich auf diesen Verteiler weiterleiten.
Beste Grüße,
Philipp Jacks
-------- Original-Nachricht --------
Betreff: AW: [Debatte-Grundeinkommen] kreutz in "sozialismus" zum bge
Datum: Thu, 27 Oct 2005 20:27:56 +0200
Von: Daniel Kreutz <daniel.kreutz at web.de>
An: <philipp at jungdemokraten.org>
Lieber Philipp Jacks,
vielen Dank für deine Mail. Ich würde mich freuen, wenn du meine
folgenden Anmerkungen an den gleichen Verteiler weiterleiten würdest, in
dem du dich kritisch mit mir auseinandergesetzt hast.
> ich halte es für ein Gerücht bzw. eine Fehlinformation, dass
> Linke bzw.
> Marxisten ein Bedingungsloses Grundeinkommen ablehnen. Es
> sind vielmehr
> (traditionell-linke bzw. linksdogmatische) (Ex-)SPDler,
> (Ex-)Grüne und
> Jusos die sich dagegen aussprechen.
Es hat keinen Sinn, Befürworter- oder KritikerInnen des BGE ideologisch
zu etikettieren. Es geht darum, sich mit den jeweiligen Argumenten zu
befassen.
> Ein m.E. prima linkes Konzept einer Sozialen Infrastruktur
> (dessen Teil ein Grundeinkommen wäre) hat die AG linksnetz (mit Joachim Hirsch)
> entwickelt:
> http://www.links-netz.de/ -> Sozialpolitik als Infrastruktur
Kannte den Text bisher nicht; habe ihn mal durchgesehen und merke an:
Meinetwegen mag das "links" sein, aber sinnvoll finde ich das überhaupt
nicht. Schon wegen des Systemwechsels zum steuerfinanzierten
Sozialsystem (ich bin bekennender Anhänger der Sozialversicherung). Zur
Kritik des Linksnetz-Textes gibt's einen Artikel von Andreas Bachmann
unter
http://www.labournet.de/diskussion/arbeit/realpolitik/allg/bachmann.html,
dem ich in der grundsätzlichen Tendenz zustimme.
> Des Weiteren wird das BGE als eine Reform im Sinne eines Radikalen
> Reformismus (siehe z.B. Joachim Hirsch oder Uli Brand)
> verstanden, der sich als Ziel setzt, die Welt zwar grundsätzlich aber durch
> Reformen zu verändern, da so u.a. die Gefahr einer Entrechtung und
> Entdemokratisierung nicht so stark gegeben ist.
Wer Reformen für soziale Gerechtigkeit gegen das Kapital (im Wege
breiter Mobilisierungen - anders wird's ja wohl nicht gehen) erreichen
will, muss immer damit rechnen, dass diejenigen, die ihre Interessen
dadurch bedroht sehen, nicht bloß zusehen, sondern ihre Herrschaft auch
mit Herrschaftsinstrumenten zu verteidigen suchen.
> Nun zu dem Kreutz-Artikel: Er ist hochgradig polemisch
Ich bekenne mich einiger pointierter Formulierungen bezüglich Roland
Blaschke schuldig (z.B. das ironische "der Begriffsklärer" ). Allerdings
habe ich mich über diese "Studie" wirklich geärgert. Ich empfinde sie
tatsächlich als intellektuelle Zumutung, wie sie mir schon lange nicht
untergekommen ist. Ansonsten habe ich politische Bewertungen erkennen
lassen, die ich sämtlich für sachlich begründet halte. Es würde mich
doch interessieren, was da warum als "Polemik" (im Sinne von
"unsachlich";) verstanden wird.
> die meisten
> Einwände sind nicht ernstzunehmen, da er sich aus der breiten Palette
> der Grundeinkommens-Positionen nur diejenigen Pappkameraden aussucht,
> die er gebrauchen kann. Vernünftige und/oder durchdachte Positionen
> werden ignoriert.
Sollte das stimmen, würde sich der Vorwurf eher gegen die
Blaschke-Studie richten mit ihrem Anspruch, einen Überblick über die
Debatte zu geben. Sie ist immerhin von Anfang 2005 und der Autor ist
immerhin Sprecher des "Netzwerk Grundeinkommen". Dort wird nur ein
BGE-Modell genannt, dass den dort postulierten BGE-Kriterien (keine
Bedürftigkeitsprüfung, kein Arbeitszwang, oberhalb der Armutsgrenze)
entspricht: das der BAG SHI. Im Übrigen war ich, bevor ich für den
Artikel recherchierte, kein "Insider" der BGE-Debatte, sondern habe
versucht, mir "aus erster Hand" ein Bild zu machen.
> Ernstzunehmen ist die Kritik an der Vorstellung vom "Ende der
> Arbeitsgesellschaft" (die allerdings auch von den wenigsten
> BGE-BefürworterInnen vertreten wird).
Nach meiner Recherche ist dies keineswegs nur eine marginale
Minderheitenmeinung in der BGE-Diskussion, sondern eine im Mainstream
verankerte Position.
> Tatsache ist: immer mehr Arbeit kann von Maschinen übernommen werden.
Das ist ja schon so seit Beginn der Industrialisierung - streng genommen
sogar schon seit die Menschheit begann, ihre Arbeitsproduktivität durch
Werkzeuggebrauch zu erhöhen.
Ob "Automatisierung" zu Erwerbslosigkeit führt oder nicht, ist eine
Frage, wie die Gesellschaft auf eine Schrumpfung des erwerbsökonomisch
erforderlichen Arbeitszeitvolumens reagiert: durch Entlassungen, nicht
existenzsichernde Teilzeit oder durch Verkürzung der Vollzeit bei
gesicherten Einkommen.
Heute aber verstellt der Hinweis auf eine zunehmende Ersetzung von
Menschen durch Maschinen auch den Blick darauf, dass eine Menge
gesellschaftlich notwendiger Arbeit gar nicht (und/oder teils zu nicht
verantwortbaren Konditionen) stattfindet: Pflege, Bildung, Erziehung,
ökologisch notwendiger Umbau des Wirtschaftens, Kultur... Diese
brachliegenden Potenziale für reguläre Beschäftigung sollten dringend
gehoben werden.
> Deshalb ist das Recht auf Einkommen untrennbar mit einem Recht auf
> Arbeit zu verbinden.
Dies scheint mir allerdings unter den BefürworterInnen eines BGE
tatsächlich eine marginale Minderheitenmeinung zu sein. Der Mainstream
jedenfalls propagiert gerade die Notwendigkeit einer Entkoppelung von
Arbeit und Einkommen und lehnt Orientierungen auf eine Neue
Vollbeschäftigung ab. Da geht es um die anständige und durchaus
dauerhafte Alimentierung von Nicht-Erwerbsarbeit. Eine Entkoppelung von
Arbeit und Einkommen wäre auch IN SOWEIT durchaus richtig, als das
Grundrecht auf ein menschenwürdiges Leben auch dann zu garantieren ist,
wenn eine Existenzsicherung durch Erwerbsarbeit - aus welchem Grund auch
immer - nicht stattfindet.
> Dann wird nämlich das "Knappe Gut Erwerbsarbeit"
> (Kreutz)...
Die Anführungszeichen beim "knappen Gut" sind auch von Kreutz. In der
Geschichte des des Kapitalismus sind Phasen eines Ausgleichs von
Nachfrage und Angebot am Arbeitsmarkt eher selten.
> ...gleichmäßig auf alle die wollen (!) verteilt und
> eine Spaltung
> der Gesellschaft in wohlhabende Arbeitende einerseits und an der
> Armutsgrenze lebende Grundeinkommenabhängige andererseits verhindert,
> die Arbeitszeit würde sich "automatisch" verkürzen und die
> Arbeitsplatzqualität würde steigen - also genau das, was
> Daniel Kreutz
> als notwendige Veränderungen vorschlägt.
"Dann wird nämlich" (Satzanfang)? Warum sollte eine solche
"Folgewirkung" eintreten, wenn Erwerbslose - ohne ansonsten geschurigelt
zu werden - eine Transferleistung knapp oberhalb der Armutsgrenze
erhielten? In den 1970er Jahren hatten wir eine Absicherung des
Lebensrisikos der Erwerbslosigkeit mit Arbeitslosengeld, -hilfe,
Unterhaltsgeld (Fortbildung/Umschulung) auf unvergleichlich höherem
Niveau und zu unvergleichlich besseren Konditionen (selbst bei
Sozialhilfe) als heute. Trotzdem war Erwerbslosigkeit auch damals ein
gesellschaftlicher Schrecken, in den sich niemand ohne Not stürzte. Auch
damals verkürzte sich die Arbeitszeit keineswegs "automatisch" - obwohl
es bedeutend bessere Durchsetzungsbedingungen für die Gewerkschaften
gab. Und der gewerkschaftliche Kampf um die Humanisierung der
Arbeitswelt war schwierig - nach Teilerfolgen (Lohnrahmen II BaWü)
ertrank er schließlich in der Erwerbslosigkeit.
Die Betonung von Erwerbsarbeit für die, "die wollen", hat für mich immer
einen schalen Beigeschmack: Wollen viele tatsächlich nicht, wie Clement
behauptet? Haben wir in großem Umfang verdeckte Erwerbsarbeitsunwillige,
die "legalisiert" statt verfolgt werden müssten? Soll es ein
vernünftiges Recht sein, sich wie ein Vermögensbesitzer aus der
notwendigen (Erwerbs-) Arbeit zu verabschieden und sich von dem
unterhalten zu lassen, was die Erwerbsarbeitenden erwirtschaften? Und
sollte man sich nicht auch mal fragen, warum wirtschaftsnahe
BGE-BefürworterInnen (z.B. Pelzer/Fischer) sich eher eine Verlängerung
der Arbeitszeiten als Folgewirkung des BGE erhoffen - mit der weiteren
Folge von noch mehr Erwerbslosigkeit? Ich halte die BGE-Idee tatsächlich
für eine "bürgerliche" Idee - nachbebildet der Vorstellung eines
Vermögensbesitzers, der es sich leisten kann, von den Zinsen
("Sozialdividende") zu leben.
Wenn man die dauerhafte Spaltung durch Massenerwerbslosigkeit abbauen
will, muss man vorrangig Kurs auf eine Neuverteilung der Erwerbsarbeit
zu auskömmlichen Einkommen (Lohnausgleich) nehmen. Zugleich gilt es,
einen wirksamen Schutz vor Armut als soziales Grundrecht zu verankern.
Aber das sind und bleiben zwei verschiedene Baustellen. Schließlich kann
auch eine alternative Reformpolitik für eine Neue Vollbeschäftigung, die
parallel mit Hilfe von Gesetzgebung und Tarifkampf verfolgt wird, die
Massenerwerbslosigkeit wird nicht im Handumdrehen verschwinden lassen -
insbesondere dort, wo "Beschäftigungshemmnisse" verortet werden. Und die
Verletzung der Menschwürde durch Armut und soziale Ausgrenzung bleibt
inakzeptabel, auch wo sie nur relativ wenige beträfe (weshalb einst das
BSHG geschaffen wurde).
> Ein weiterer enormer Vorteil eines BGE wird meist nicht genannt:
> Herrschaft beruht seit Jahrtausenden darauf, die Beherrschten (bzw.
> deren Interessen) zu spalten. Z.B. in Rentner, Jugendliche,
> Arbeitende,
> Studierende, Arbeitslose, Männer, Frauen usw. Die derzeitige
> Gestaltung
> des Sozialsystems führt dazu, dass es etliche voneinander unabhängige
> soziale Kämpfe gibt, die wenig effektiv sind und leicht
> zerschlagen bzw.
> ignoriert werden können. Bei einem Grundeinkommen könnte sich das
> HAUPTaugenmerk auf die Höhe (und die Bedingungen) des BGE
> konzentrieren.
Die Vorstellung, mit der Forderung nach einem BGE - oder auch nach einer
armutsfesten Grundsicherung - die sozialen Kämpfe "vereinheitlichen" zu
können, ist bestenfalls (!) völlig naiv. Sie verkennt völlig die Ziel-
und Wertvorstellungen, von denen unsere Mitmenschen (die "kleinen
Leute") geleitet sind, ob sie uns nun passen oder nicht. Und sie passen
teils auch. Den Rentnerinnen versprach der Sozialstaat, dass die Rente
endlich reicht, um den mit dem früheren Erwerbseinkommen erworbenen
Lebensstandard im Alter annähernd zu sichern. Den haben sie sich
erarbeitet. Sie wollen nicht im Alter alle auf das Niveau gedrückt
werden, dass auch demjenigen garantiert wird, der nie gearbeitet hat.
Und damit haben sie - sorry - Recht.
Solange die vorrangigen Lohnersatzleistungen (Rente,
Arbeitslosengeld/-hilfe) noch annähernd statussichernd waren, trat die
Forderung nach einer armutsfesten Grundsicherung für die gleichwohl von
Armut Betroffenen und Bedrohten in den Vordergrund. Die neoliberalen
Sozialreformen reduzieren mittlerweile insbesondere die
Sicherungsniveaus in den vorrangigen Systemen, die immer stärker auf ein
Fürsorgeniveau ("Sozialhilfe") absinken. Heute geht es nicht mehr "nur"
um Perspektiven für die Armen, sondern auch - und gerade - um soziale
Perspektiven für die soziale "Mitte" der Gesellschaft, denen auch der
Boden unter den Füßen wankt. Das schafft aber auch neue Chancen für
Alternativen, weil in der Sozialpolitik tatsächlich nicht mehr nur um
"Minderheiteninteressen" geht.
> Den von Kreutz beschworenen Interessenskonflikt zwischen
> denen die ein BGE fordern und denen die gegen Massenarbeitslosigkeit auf die
> Straße gehen existiert nicht wirklich. Ein BGE das mit einem Recht
> auf Arbeit verbunden ist führt "automatisch" zu mehr (bzw. besser verteilter)
> Beschäftigung.
Ich halte das weniger für einen "Interessenkonflikt", sondern für zwei
konkurrierende politische Zuspitzungen. Bei der Zuspitzung auf eine Neue
Vollbeschäftigung kann man immerhin hoffen, schließlich doch die
Gewerkschaften (einen Teil davon) zu gewinnen. Bei der Zuspitzung auf
BGE ist das nicht vorstellbar. Da bleibt man unter sich in einer
gesellschaftlichen Minderheitenposition.
> Der von Kreutz beschworene "verschwenderische bürokratische
> Aufwand" ist ein Null-Argument: die Verwaltung eines BGE könnte
> automatisch von einem Computer bewerkstelligt werden, die Steuern der Einzelnen
> werden nach wie vor über die Steuererklärung errechnet. Es ist also vielmehr die
> (wegen der ebenfalls von Kreutz verteidigten) bedarfabhängige
> Grundsicherung die enorme Bürokratie hervorruft und dementsprechend
> (Lohn-)Kosten verursacht.
Die Auszahlung an alle könnte vielleicht per Computer laufen. Nur die
Steuererklärungen hängen von den Umständen des Einzelfalls ab. Da muss
dann die an 80 Millionen ausgezahlte wieder gegengerechnet und bei 60
Millionen wieder einkassiert werden.
Im Übrigen sollte niemand glauben, dass es mit einem Pauschalbetrag für
alle getan wäre. Das menschenliche Leben ist enorm reich an
Wechselfällen des Lebens und "besonderen" Bedarfskonstellationen, wo
auch ein BGE von 2.000 € nicht reichen würde (z.B. bei
Pflegebedürftigkeit, Behinderungen oder chronischen Erkrankungen mit
aufwändigem Hilfebedarf). Pauschalleistungen können immer nur
"Regelfälle" einfangen. Daneben muss es, wenn es sozial gerecht zugehen
soll, immer noch Systeme geben, die auf bestimmte besondere Bedarfslagen
reagieren können. Und dass ich es für außerordentlich ungerecht hielte,
Sozialversicherungsleistungen (Lohnersatz) durch BGE zu "ersetzen", habe
ich ja oben angedeutet. "Bürokratie" ist keineswegs bloß Blödsinn.
Sinnvolle öffentliche Aufgaben müssen ordentlich erledigt
(administriert) werden können, sonst leiden die darunter, die darauf
angewiesen sind. Nicht nur den "armen", sondern auch den "schlanken"
Staat der "Bürgergeld"-Liberalen können sich nur Reiche leisten.
> Dass es einen Teil von *notwendiger* Arbeit gibt sieht Kreutz
> richtig,
> dies sieht auch die Mehrheit der BGE-BefürworterInnen so. Ob nach der
> Einführung eines BGE diese Arbeit durch höhere Löhne oder (falls das
> nicht funktioniert) mit wenigen Wochenstunden Pflichtarbeit
> gelöst wird,
> kann nur die praktische Erfahrung zeigen. Sie ist jedenfalls kein
> Argument gegen das Grundeinkommen.
"Wenige Wochen Pflichtarbeit"? Was soll das denn sein? Arbeitsdienst?
Wieso "wenige Wochen"? Mir geht es darum, dass die notwendige Arbeit
möglichst gleichmäßig verteilt wird, damit andererseits auch das "Leben
im Leben" möglichst gleichmäßig verteilt ist.
> Zuletzt bleibt zu sagen: wenn die BGE-KritikerInnen mit dem
> derzeitigen
> System der Sozialselektion und der beitragsbasierten
> Sozialversicherungen nur halb so stark ins Gericht gehen
> würden wie mit
> dem Konzept des BGE, würde ich mich sehr freuen.
Dass "das" Konzept des BGE eine Fiktion ist, hat Blaschke immerhin
belegt. Es gibt einen Haufen Zeug - darunter vieles von (radikaler oder
moderater) neoliberaler Seite, das auf diesem Ticket segelt. "Das" BGE
ist eine Chimäre.
> Das heisst nicht, dass das BGE ohne weiteres einzuführen ist.
> Ohne eine
> breite gesellschaftliche Diskussion, bei der die Knackpunkte
> ausdiskutiert werden, wird es vermutlich (evtl. nicht von
> anfang an aber
> kurz danach) ein Grundeinkommen unter der Armutsgrenze, mit
> Arbeitszwang
> und allem anderen was wir nicht wollen geben.
Es wäre schon viel gewonnen, wenn die "linken" BGE-BefürworterInnen
vernehmbar sagen würden, was sie NICHT wollen - und endlich einen Strich
gegenüber Friedman-Mitschke-FDP-Bürgergeld-Pelzer/Fischer-Goetz Werner
zögen!
> Hier eine erste Beta-Version meiner Magisterarbeit über "Allgemeine
> Grundsicherung": http://www.phija.net/magister.pdf
Konnte ich mir bislang nicht ansehen.
Danke für deine kritischen Bemühungen und
viele Grüße
Daniel
> -----Ursprüngliche Nachricht-----
> Von: philipp at jungdemokraten.org [mailto:philipp at jungdemokraten.org]
> Gesendet: Dienstag, 25. Oktober 2005 19:11
> An: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de;
> daniel.kreutz at web.de
> Betreff: Re: [Debatte-Grundeinkommen] kreutz in "sozialismus" zum bge
>
>
>
> Hallo,
>
> ich halte es für ein Gerücht bzw. eine Fehlinformation, dass
> Linke bzw.
> Marxisten ein Bedingungsloses Grundeinkommen ablehnen. Es
> sind vielmehr
> (traditionell-linke bzw. linksdogmatische) (Ex-)SPDler,
> (Ex-)Grüne und
> Jusos die sich dagegen aussprechen.
>
> Ein m.E. prima linkes Konzept einer Sozialen Infrastruktur
> (dessen Teil
> ein Grundeinkommen wäre) hat die AG linksnetz (mit Joachim Hirsch)
> entwickelt:
>
> http://www.links-netz.de/ -> Sozialpolitik als Infrastruktur
>
> Des Weiteren wird das BGE als eine Reform im Sinne eines Radikalen
> Reformismus (siehe z.B. Joachim Hirsch oder Uli Brand)
> verstanden, der
> sich als Ziel setzt, die Welt zwar grundsätzlich aber durch
> Reformen zu
> verändern, da so u.a. die Gefahr einer Entrechtung und
> Entdemokratisierung nicht so stark gegeben ist.
>
> Nun zu dem Kreutz-Artikel: Er ist hochgradig polemisch und
> die meisten
> Einwände sind nicht ernstzunehmen, da er sich aus der breiten Palette
> der Grundeinkommens-Positionen nur diejenigen Pappkameraden aussucht,
> die er gebrauchen kann. Vernünftige und/oder durchdachte Positionen
> werden ignoriert.
>
> Ernstzunehmen ist die Kritik an der Vorstellung vom "Ende der
> Arbeitsgesellschaft" (die allerdings auch von den wenigsten
> BGE-BefürworterInnen vertreten wird).
>
> Tatsache ist: immer mehr Arbeit kann von Maschinen übernommen werden.
> Deshalb ist das Recht auf Einkommen untrennbar mit einem Recht auf
> Arbeit zu verbinden. Dann wird nämlich das "Knappe Gut Erwerbsarbeit"
> (Kreutz) gleichmäßig auf alle die wollen (!) verteilt und
> eine Spaltung
> der Gesellschaft in wohlhabende Arbeitende einerseits und an der
> Armutsgrenze lebende Grundeinkommenabhängige andererseits verhindert,
> die Arbeitszeit würde sich "automatisch" verkürzen und die
> Arbeitsplatzqualität würde steigen - also genau das, was
> Daniel Kreutz
> als notwendige Veränderungen vorschlägt.
>
> Ein weiterer enormer Vorteil eines BGE wird meist nicht genannt:
> Herrschaft beruht seit Jahrtausenden darauf, die Beherrschten (bzw.
> deren Interessen) zu spalten. Z.B. in Rentner, Jugendliche,
> Arbeitende,
> Studierende, Arbeitslose, Männer, Frauen usw. Die derzeitige
> Gestaltung
> des Sozialsystems führt dazu, dass es etliche voneinander unabhängige
> soziale Kämpfe gibt, die wenig effektiv sind und leicht
> zerschlagen bzw.
> ignoriert werden können. Bei einem Grundeinkommen könnte sich das
> HAUPTaugenmerk auf die Höhe (und die Bedingungen) des BGE
> konzentrieren.
>
> Den von Kreutz beschworenen Interessenskonflikt zwischen
> denen die ein
> BGE fordern und denen die gegen Massenarbeitslosigkeit auf die Straße
> gehen existiert nicht wirklich. Ein BGE das mit einem Recht
> auf Arbeit
> verbunden ist führt "automatisch" zu mehr (bzw. besser verteilter)
> Beschäftigung.
>
> Der von Kreutz beschworene "verschwenderische bürokratische
> Aufwand" ist
> ein Null-Argument: die Verwaltung eines BGE könnte
> automatisch von einem
> Computer bewerkstelligt werden, die Steuern der Einzelnen werden nach
> wie vor über die Steuererklärung errechnet. Es ist also vielmehr die
> (wegen der ebenfalls von Kreutz verteidigten) bedarfabhängige
> Grundsicherung die enorme Bürokratie hervorruft und dementsprechend
> (Lohn-)Kosten verursacht.
>
> Dass es einen Teil von *notwendiger* Arbeit gibt sieht Kreutz
> richtig,
> dies sieht auch die Mehrheit der BGE-BefürworterInnen so. Ob nach der
> Einführung eines BGE diese Arbeit durch höhere Löhne oder (falls das
> nicht funktioniert) mit wenigen Wochenstunden Pflichtarbeit
> gelöst wird,
> kann nur die praktische Erfahrung zeigen. Sie ist jedenfalls kein
> Argument gegen das Grundeinkommen.
>
> Zuletzt bleibt zu sagen: wenn die BGE-KritikerInnen mit dem
> derzeitigen
> System der Sozialselektion und der beitragsbasierten
> Sozialversicherungen nur halb so stark ins Gericht gehen
> würden wie mit
> dem Konzept des BGE, würde ich mich sehr freuen.
>
> Das heisst nicht, dass das BGE ohne weiteres einzuführen ist.
> Ohne eine
> breite gesellschaftliche Diskussion, bei der die Knackpunkte
> ausdiskutiert werden, wird es vermutlich (evtl. nicht von
> anfang an aber
> kurz danach) ein Grundeinkommen unter der Armutsgrenze, mit
> Arbeitszwang
> und allem anderen was wir nicht wollen geben.
>
> Hier eine erste Beta-Version meiner Magisterarbeit über "Allgemeine
> Grundsicherung": http://www.phija.net/magister.pdf
>
> Herzliche Grüße aus Kölle,
> Philipp
>
>
>
>
>
>
> Ralf Bindel schrieb:
>
> > hallo,
> >
> > werner rätz hatte den beitrag von daniel kreutz schon in die liste
> > gepostet. hier aber wegen meiner anfrage auf antwort auf
> diese polemik
> > der beitrag noch mal zur ansicht.
> >
> > wir hatten gestern in bochum auch christoph butterwegge zu
> gast, der die
> > diskussion um bge in der alternativen linken auch für eher
> > kontraproduktiv hält. nahezu alle soziologen,
> sozialwissenschaftler und
> > wirtschaftswissenschaftler bzw. interessierte mit marxistischem
> > hintergrund lehnen das bge und jegliche diskussion darüber
> schlicht ab.
> > sie befürchten eine weitere spaltung der linken und
> befürworten eine
> > eher reformorientierte debatte. auch dass unternehmerprof
> götz werner
> > die position der grundeinkommensbefürworter medienbeherrschend
> > übernimmt, wird mit großer skepsis gesehen.
> schlagkräftigstes arguemt
> > gegen das bge bleibt immer noch die technische
> realisierbarkeit, sprich
> > finanzierbarkeit. butterwegge sprach gestern von einem bge
> von ca. 400
> > euro/monat und einem etat von 600 mrd. euro/jahr bei einem jetzigen
> > bundesetat von 300 mrd. euro inkl. kompletter infrastruktur
> (wenn ich
> > mich recht an seine zahlen erinnere). wie gesagt, an den
> linken bzw.
> > marxistischen schreibtischen herrscht einmütige ablehnung.
> da die wasg
> > wohl eine deutlich positive positionierung einer
> zukünftigen gemeinsamen
> > linkspartei erreichen möchte, gibt es auch unwillkommenen
> streit mit der
> > pds über das bge.
> >
> > deswegen fände ich es schön, auf die typischen argumente
> der linken um
> > kreutz, butterwegge und co. eindeutige antworten zu finden.
> vielliecht
> > macht sich ja jemand die mühe?
> >
> > schöne grüße,
> >
> > ralf
> >
> >
> >
> --------------------------------------------------------------
> ----------
> >
> > _______________________________________________
> > Debatte-grundeinkommen Mailingliste
> > JPBerlin - Politischer Provider
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