[Debatte-Grundeinkommen] WASG gegen Grundeinkommen, PDS dafuer?

Wolfgang Strengmann strengmann at wiwi.uni-frankfurt.de
Fr Jun 17 13:47:28 CEST 2005


Zitat:
"Joachim Bischoff, Vorstandsmitglied der WASG, hadert mit den Bestrebungen der Sozialisten, 
Mindestrenten und ein „bedingungsloses Grundeinkommen“ einzuführen"

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WIRTSCHAFTSPOLITIK  / Trotz programmatischer Nähe ist die Partnerschaft für PDS und WASG ein 
Kulturschock
Schwierige Annäherung

HILMAR POGANATZ

Wer nach den wirtschaftspolitischen Gemeinsamkeiten zwischen der PDSund der Wahlalternative Arbeit 
und Soziale Gerechtigkeit (WASG) sucht, wird schnell fündig: Der Protest gegen Hartz IV hat sie 
zusammengeschweißt. Auf diesem Fundament wollen die frisch liierten Partner noch vor der 
Bundestagswahl in aller Eile ein gemeinsames Haus errichten. Ob der Boden darunter das neue Gebäude 
tragen kann, ist fraglich.
„Die gemeinsame Ablehnung der Agenda 2010 ist mir noch ein bisschen zu wenig“, mahnt die PDS-
Bundestagsabgeordnete Petra Pau an. „Bislang ging es zu viel um Juristerei und Namen, zu wenig um 
Inhalte“, kritisiert Pau. Ein „Ein-Punkt-Bündnis“ sei jedenfalls zu wenig für eine tatsächliche Opposition im 
Parlament.

Tatsächlich scheint der programmatische Diskussionsbedarf zwischen PDSund Wahlalternative noch 
immens zu sein, und zwar sogar in so zentralen Bereichen wie der sozialen Sicherung. Joachim Bischoff, 
Vorstandsmitglied der WASG, hadert mit den Bestrebungen der Sozialisten, Mindestrenten und ein 
„bedingungsloses Grundeinkommen“ einzuführen:„Das sind enorme Beträge“, sagt Bischoff. Der 
WASGwürde es ausreichen, das Arbeitslosengeld II(ALGII)um knapp ein Fünftel aufzustocken. Bischoff hat 
in dieser Hartz-IV-Kernfrage den Eindruck, dass die PDS„immer noch nach Wunschkatalog handelt und 
nach dem Sozialismus strebt“. Dass Bischoffs Wahlalternative sich mit „demokratischen Sozialisten“ 
verbündet, bestätigt ihm Petra Pau nur zu gern:„Das wird sich in absehbarer Zeit auch nicht ändern.“Hier 
verbirgt sich offenbar Sprengstoff für die neue Interessenkoalition, denn Bischoff hält sozialistische 
Positionen für „nicht politikrelevant“.

Bei solchen Fragen wird deutlich, dass die WASGder westdeutschen Gewerkschaftstradition entspringt, 
und die PDSals Nachfolgerin der DDR-Einheitspartei SEDeindeutig ostdeutsch geprägt ist. Trotzdem gibt es 
mannigfaltige programmatische Parallelen zwischen beiden Gruppen. So wollen beide Parteien ein 
Gegengewicht zum wirtschaftspolitischen Mainstream sein, den sie als „neoliberal“ verwerfen.

Statt auf Deregulierung und Marktliberalisierung setzen beide also auf mehr Staat. In zentralen Fragen der 
Wirtschaftspolitik argumentieren die Partner zumeist ähnlich:

Arbeitsmarkt:

Den Trend zur Privatisierung von Staatsunternehmen wollen WASGund PDSumkehren und stattdessen 
den öffentlichen Sektor ausweiten, um dadurch Arbeitsplätze zu schaffen. Außerdem will die WASGdie Ein-
Euro-Jobs abschaffen und die Arbeitszeit auf maximal 40 Stunden begrenzen ¯ Positionen, die auch die 
PDSvertritt. Laut WASGsollten ferner 20 Milliarden Euro in die „Förderung von Problemregionen fließen“, 
eine Forderung, die die PDSskeptisch betrachtet.

Auch bei Hartz IV gibt es Differenzen:Die Wahlalternative will das ALGIdrei Jahre lang auszahlen, und das 
darauf folgende ALGIIsoll um ein Fünftel höher liegen als heute. Die PDShingegen will die soziale 
Grundsicherung in sozialistischem Sinn von einer Versicherungsleistung zu einem Bürgerrecht entwickeln. 
Beide Gruppen treffen sich bei der Befürwortung von gesetzlichen Mindestlöhnen, und beide wollen die 
Ausweitung der Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung auf Beamte, Freiberufler und 
Selbstständige.

Konjunktur:

Beide Partner wollen die Binnennachfrage durch staatliche Investitionsprogramme anregen und dafür 
kurzfristig eine höhere Staatsverschuldung in Kauf nehmen.


Steuersystem:

PDSund WASGfinden auch hier viele Anknüpfungspunkte, auch wenn die WASGnoch kein differenziertes 
Steuermodell vorgelegt hat. Beide wollen stärkere Umverteilungseffekte von oben nach unten erzielen, etwa 
durch die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und eine Besteuerung von Börsen- und 
Devisengeschäften („Tobin Tax“). Die WASGwill den Spitzensteuersatz von 42 auf 47 Prozent anheben, die 
PDSsogar auf 50 Prozent.

Sozialversicherung:

Bei den drei Pfeilern Gesundheit, Rente und Pflege streben beide Partner eine „Bürgerversicherung“ unter 
Einbeziehung aller Einkommensarten an. Der Vorschlag der PDS ist insofern radikaler, als dass er vorsieht, 
den Arbeitgeberbeitrag nicht mehr von der Lohnsumme abzuziehen, sondern auf die vom Unternehmen 
erzielte Wertschöpfung umzustellen.

Die programmatischen Positionen der neuen Freunde erscheinen also teils verschieden, aber durchaus 
vereinbar. Schwierig dürfte es bei den anstehenden Verhandlungen jedoch werden, wenn es um die 
Stammklientel der ungleichen Partner geht. So sieht PDS-Frau Pau bei den westlichen Genossen „noch 
keine Hinwendung zu den besonderen Positionen des Ostens“.




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