[Debatte-Grundeinkommen] Debatte-grundeinkommen Nachrichtensammlung, Band 9, Eintrag 8
zippi
zippi7 at gmx.de
Mi Dez 14 05:45:30 CET 2005
Hallo Zusammen,
Am 06.12.2005 um 19:40 schrieb Florian Hoffmann:
> vielen Dank für Ihre positive Grundaussage. Natürlich habe ich das
> Modell
> schon öfter formuliert, aber eine "Langfassung" gibt es nicht. Gerade
> die
> Tatsache, dass die "Kurzfassung" das Modell fast komplett darstellt,
> ist
> doch das schöne. Der Merz'sche Bierdeckel kann wieder seiner
> eigentlichen
> Bestimmung übergeben werden!
Mir geht es dabei darum, nicht über die theoretischen Grundlagen, die
dem Modell zu Grunde liegen spekulieren zu müssen. Jedes VWL-Modell hat
ja so seine Prämissen.
> Für "Umsätze aus wirtschaftlicher Tätigkeit" "statt Einkommensteuer
> eine
> Ertragssteuer" zu erheben, entspricht überhaupt nicht meinem Modell,
> weil
> gewerbliche Umsätze nur mit Umsatzsteuer belegt werden und nicht mit
> Einkommen/Körperschaftsteuer.
Hier folge ich, wie schon öfter erläutert, einer anderen theoretischen
Grundannahme. Ich plädiere für eine Besteuerung des marxschen
Mehrwertes, des Ertrags. Daraus lässt sich sogar eine Rechtfertigung
für die Verwendung der Steuer für ein BGE ableiten.
> Wenn gewerblich ausschließlich Umsätze besteuert werden, spielt der
> Anteil
> an Arbeitsleistung keine Rolle, abgesehen davon das sich
> Produkt-Preise auch
> aus der Knappheit ergeben, also durchaus Komponenten haben, die nichts
> mit
> einer Arbeitsleistung zu tun haben.
Danach gilt: Je knapper das Gut, umso werthaltiger die darin enthaltene
Arbeitsleistung (die auch von der Natur erbracht werden kann) für die
Käufer. Auf dem Tauschmarkt, der sinnvoller Weise mit Geld gestaltet
wird, werden letztlich Arbeitsleistungen getauscht.
> In meinem Modell gibt es keine Lohnsteuer, die vom sogenannten
> "Arbeitgeber"
> "abgeführt" wird. Es gibt einen ausbezahlten Lohn oder andere
> Einkünfte/Entnahmen, von dem über das Bankkonto des Entlohnten der
> Solidar-/Sozial-Beitrag abgezogen wird und der in den BGE-Topf fließt.
Gibt es in Ihrem Modell "nichtmarktlichen Geldtransfer"? Beispiel: Ich
borge einem Freund (per Überweisung) einen Geldbetrag. Er überweist ihn
später zurück. Verstehe ich Ihr Modell richtig, dass in dem Fall drei
Mal besteuert wird? Zugegeben, frau kann das (zumindest beim Verborgen)
als Einkommen betrachten.
Ich bin auch noch skeptisch, was die computergestützte Umsetzung
angeht. Solche Großprojekte klemmen doch oft an diversen Stellen
(Arbeitsagentur, Maut u.ä.). Und gibt es datenschutzrechtliche Sachen
zu beachten?
> Ich halte es für das Beste, Umweltpolitik und Sozialpolitik
> konzeptionell
> nicht zu vermengen. Unser Thema hier heißt Sozialpolitik. Unser
> Anliegen
> hier ist es, die katastrophale (globale und nationale) Entwicklung der
> Einkommens-/Geld-Verteilung aufzufangen und in neue Bahnen zu lenken.
hmm, ich möchte hier nicht weiter darüber streiten, aber m.E. ist
Umweltpolitik Sozialpolitik (Stichwort: lebenswerte Umwelt). Und
begrenzte Ressourcen zu verwenden, als wären sie unbegrenzt verfügbar
halte ich langfristig für nicht sozialverträglich.
> Eine Vermengung von Zielen führt jedoch dann wieder zu Verwaltungs- und
> Verständnis-Monster, die die eigentliche Lösung verhindern und nur
> nutzlose
> Bürokratie erzeugen.
Ich sehe das genau anders. Die Trennung von (verwandten) Politikfeldern
führt dazu, dass an einigen Stellen herumgedoktert wird,
schlimmstenfalls unkoordiniert. Damit werden komplizierte
Verwaltungskonstrukte gefördert und staatliche Kostenstellen
produziert, die sich dann auch noch um Zuständigkeitsbereiche zanken.
Ein konsistentes System wird schwerer realisierbar.
> Wer soll denn das in Worte fassen und umsetzen, was Sie
> hier (im besten Wollen, der Umwelt zu nützen) konzipiert haben?
> Was ist denn die erste Folge, wenn Sie die Umweltbelastung hoch
> besteuern?:
> Hohe Steuereinnahmen, die den Staat nur dazu verführen, noch mehr
> Ressourcen
> zu verschwenden. Umweltpolitik mit Hilfe der Besteuerung geht immer
> schief!
Ich finde es nicht sehr kompliziert, 10 Konsumsteuersätze festzulegen,
denen Produkte ihrer gesamten Umweltwirkung nach zugeordnet werden.
Zugegeben, die Umsetzung erfordert einigen Aufwand. Aber wer sollte
denn sonst die (betriebswirtschaftlichen) Forderungen der Umwelt
einziehen? Ich glaube nicht, dass hier eine reine Markt-Lösung
ausreicht. Die Versicherer fangen ja schon an zu klagen und werden bald
staatliche Zuschüsse einfordern, oder keine Versicherungen gegen
Naturkatastrophen mehr anbieten.
Alle anderen Steuern, bis auf Ertrags- bzw. Einkommenssteuer fallen ja
ausserdem weg.
>> Aus welchen Einnahmequellen der Staat nun seine Ausgaben (inkl. BGE)
>> bestreitet, finde ich erstmal nebensächlich, obwohl ich auch eher
>> "zweckgebundene Steuern" favorisiere.
>>
>
>
> Zweckgebundene Steuern gehen überhaupt nicht. Geld fließt immer in
> einen
> Topf und vermengt sich. Die Vernunft sollte erst bei der Betrachtung
> der
> Ausgaben einsetzen.
Wenn ich mich richtig erinnere haben Sie geschrieben, die
Einkommenssteuer wird fürs BGE verwendet, dessen Höhe richtet sich nach
den Einnahmen aus dieser Steuer, Konsumsteuer wird für alle anderen
Staatsausgaben verwendet. Dies wäre schon eine gewisse
Zweckgebundenheit. Auch wenn Steuern natürlich per herrschender
Definition nicht zweckgebunden sind.
Im Sinne der Transparenz fänd ich es trotzdem witzig, wenn es eine
"Steuer zur Subventionierung des Siemenskonzerns zum Bau von
Atomkraftwerken in Finnland" gäbe (gut, dass läuft über vergünstigte
Landeskredite, aber lustig wärs doch)
Am 08.12.2005 um 14:48 schrieb Ralf Westphal:
> Für Geld gibt es aber keine in der Bevölkerung eingebauten Rezeptoren,
> die
> die Notwendigkeit zu mehr Geldausgabe wahrnehmen könnten. Oder: Der
> Rezeptor
> Intellekt ist so unterschiedlich ausgeprägt bzw. kann das komplexe
> System
> Markwirtschaft/Gesellschaft nur so schlecht wahrnehmen, dass er die
> Notwendigkeit einfach nicht sieht.
Ich möchte Geld nicht dafür ausgeben, dass die Wirtschaft brummt,
sondern um meine individuellen Lebensbedürfnisse zu befriedigen. Die
haben natürlich in unserer Wohlstandsgesellschaft im Vergleich zu
anderen Regionen der Welt ein recht hohes Niveau, im Vergleich zu
anderen Gesellschaftsmitgliedern ein niedrigeres. Im Gegenzug bin ich
bereit, etwas sinnvolles in die Gesellschaft einzubringen. Mein
Rezeptor ist nun vielleicht nicht kompatibel zur marktwirtschaftlichen
Konsumgesellschaft mit eingebautem Wachstumsparadigma, aber um die
scherts mich auch nicht so sehr.
> Wenn es nun also gut ist, dass Geld in den Umlauf kommt statt darauf zu
> sitzen, dann sollte das Geld eine Eigenschaft erhalten, die ich
> unmittelbar
> und sehr einfach wahrnehmen kann und die mich motiviert, es eben nicht
> festzuhalten, sondern es auszugeben, damit andere Werte schöpfen.
Wenn ich richtig informiert bin funktioniert der Kapitalmarkt so:
Die Ersparnisse der Einen sind die Investitionen der Anderen. Zinsen
auf Gespartes bekommen Sie, da mit Ihrem Geld Rendite erwirtschaftet
werden. Auf einen Mangel an lohnenden Geschäftsideen und veränderten
Produktionsbedingungen nun mit einem sinnlosen Konsum auf
Sättigungsmärkten zu antworten halte ich für fatal und anachronistisch.
> Da Geld im Zentrum unserer Marktwirtschaft im Grunde nun so
> widernatürlich
> ist, erscheinen mir Lösungen für die gegenwärtige Misere, die diese
> Widernatur nicht wahrnehmen und versuchen aufzulösen, als reine
> Symptomkuren.
Der "Sinn" von Marktwirtschaft/Kapitalismus ist die private
Akkumulation von Kapital, um damit noch mehr Kapital zu akkumulieren.
Geld ist hierfür zwar in gewissem Maße notwendige, aber nicht
hinreichende Bedingung. An der Stelle sollte frau lieber über
Privateigentum an Produktionsmitteln, über Besitz und Macht (und deren
Verteilung) reden.
viele Grüße
matthias
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