[Debatte-Grundeinkommen] (kein Betreff)
zippi
zippi7 at gmx.de
Do Dez 1 23:58:14 CET 2005
Hallo zusammen,
Am 28.11.2005 um 00:32 schrieb Ernst Ullrich Schultz:
> In unserem Kopfe verdinglichen wir das Geld immer, als hätte es einen
> materiellen Wert, zumindestens einen realen Tauschwert. Das ist aber
> ein fundamentaler Irrtum. Geld ist Ausdruck unseres Geistes.
Das sehe ich anders. Geld ist ein sinnvolles universelles Tauschmittel.
Es drückt den Ertrag meiner Arbeitsleistung aus (dass sich Andere unter
Umständen einen Teil meiner Arbeitsleistung aneignen können ist
systemimmanent). Ob ich diese Leistung nun direkt mit der einer anderen
austausche oder Geld als Tauschmittel verwende ist ziemlich egal, nur
macht Geld die Sache sehr viel einfacher. Es geht doch vielmehr um ein
Bewertungsproblem. Dazu fiel mir grad ein schönes Zitat des Karl Marx
in die Hand: "Es werden zuviel Waren produziert (zynisch: auch
Arbeitskräfte - d.V.), um den in ihnen enthaltenen Wert und darin
eingeschlossenen Mehrwert unter den durch die kapitalistische
Produktion gegebenen Verteilungsbedingungen und
Konsumptionsverhältnissen zu realisieren und in neues Kapital
rückverwandeln zu können." Frau kann ergänzen, während andere Werte
(die nicht reinen Warencharakter haben) gänzlich aus dieser Sphäre
ausgeklammert werden.
> Künstler Max Meier erhält, wenn er gut ist und Glück hat 1000 Euro
> für ein Bild, ein bekannter Künstler, sagen wir Andy Warhol
> bekommt hundert Mal soviel Geld. Was hat das mit Wertschöpfung zu tun?
Sie vergessen, dass es sich bei nem Warhol um ein sehr knappes Gut
handelt. Jeder Wert und jede Ware hat eben auch eine immaterielle oder
ideelle Komponente. Und so subjektiv die Bewertung (ich möchte hier
nicht die Qualitäten eines Warhol beurteilen) auch ist, bleibt sie doch
über einen Markt objektiv messbar. Sagen wir mal so, besser
Distribution mit Hilfe von Geld als mit Mord und Totschlag.
> Die Zinswirtschaft, der aufgeblähte Geldmarkt, wo ist dort
> Wertschöpfung? Oder die bewegende Frage, was macht der Ackermann mit
> seinen 10 Mio Gehalt pro Anno? Das hat für ihn doch nur Prestigewert
> und um Macht zu demonstrieren, einen Bruchteil nur kann er
> ausgeben und das meiste davon "verdient" wiederum neues Geld.
Zins ist vielleicht keine "reale" Größe, drückt aber die Erwartungen an
zukünftige Wertschöpfung (bzw. erwartete Mehrwertabschöpfung) aus. Auch
Staatsverschuldung für öffentliche Investitionen intendiert ja, dass
der Standort in Zukunft mehr abwirft.
Nebenbei, "Heuschrecken-Argumentationen" finde ich persönlich
zweifelhaft, die "bösen Kapitalisten" verhalten sich systemkonform. Wer
A sagt muss auch B sagen.
Am 27.11.2005 um 18:25 schrieb Ralf Westphal:
> Statt Arbeitszwang also Konsumzwang?
Herr Schumacher hat hierauf ja schon geantwortet. Zu der Argumentation,
dass Konsum Arbeit ist, möchte ich noch folgendes hinzufügen. Konsum
ist objektiv Wertevernichtung, was natürlich auch eine Form von Arbeit
ist. Und natürlich sind wir gezwungen zu konsumieren, um zu leben. Ich
würde gern noch den Begriff Konsum hinterfragen. Was für eine Art
Konsum ist wünschenswert? Soll Konsum der Bedürfnisbefriedigung der
Menschen dienen, oder hauptsächlich "Motor der Wirtschaft" bzw. der
Kapitalvermehrung (Umverteilung) sein, und nur als Nebeneffekt
Wohlfahrtszuwächse generieren? Konsum als Selbstzweck des Wirtschaftens
ist m.E. abzulehnen.
Am 29.11.2005 um 18:58 schrieb Werner Schumacher:
> Das GE wird uns in den Vorhof der Hölle führen; und wenn ich die AKWs
> sehe, die Müllberge vor unseren Städten, die Verseuchung und Vergiftung
> von Mensch und Natur, dann wird es Zeit zu begreifen, dass wir dort
> auch
> hingehören.
Solange diese Sachen nicht als betriebswirtschaftliche Kosten, welche
die Preise erhöhen, behandelt werden, sondern auf die Gemeinschaft
abgewälzt werden, wird sich daran nichts ändern.
Am 01.12.2005 um 10:03 schrieb Ralf Westphal:
>> -----Original Message-----
> ...
>>> begreift sie anstandslos. Es besteht keine Notwendigkeit,
>> Bürger in ein
>>> Schlaraffenland zu versetzen, das sie ohne Gegenleistung mit allem
>>> Lebensnotwendigen versorgt.
>>>
>>>
>> Damit sprechen Sie eines der grundlegendsten Probleme an, die in der
>> Diskussion um das GE immer wieder reflektiert werden.
>
> Freut mich zu hören, dass auch andere diese Frage umtreibt.
Auch die Kommunisten treibt diese Frage um. Beziehen sie sich auf Karl
Marx, sind sie auf der sicheren Seite. Dieser wusste sehr genau, dass
alles was verbraucht wird (sei es nun materiell, immateriell, ideell
oder was auch immer), bereitgestellt (produziert) werden muss. Ihm ging
es darum, dass sich niemand sich privat die Arbeitsleistung Anderer
aneignet, wie es Produktionsmittelbesitzer tun.
Am 01.12.2005 um 10:03 schrieb Ralf Westphal:
> In puncto "Freiheit vom Zwang zur täglichen Broterwerbsarbeit, um das
> Überleben zu sichern" stimme ich mit der Idee vom (B)GE überein. Die
> Abwesenheit von Angst, ich könnte durch "Arbeitslosigkeit" verhungern
> oder
> aus der sozialen Gemeinschaft fallen, wäre eine ungeheure
> zivilisatorische
> Errungenschaft.
Da stimme ich Ihnen, wie auch in vielen anderen Punkten, zu. Ich sehe
dies als die Schlüsselfunktion des BGE zur gesellschaftlichen
Transformation.
> Mein persönliches Verständnis der menschlichen Natur lässt mich jedoch
> die
> Stirn runzeln, ob damit denn schon "das Ziel" erreicht wäre. Nach
> meiner
> Erfahrung können nämlich a) viele Menschen mit Abwesenheit von Zwängen
> (oder
> anders: vorgegebenen Strukturen) nicht umgehen und brauch b) die
> meisten
> Menschen recht konkrete "Rückkopplungsschleifen", um Errungenschaften
> dauerhaft zu schätzen.
> zu a) Wenn Menschen befreit sind von der Notwendigkeit, für ihr
> Überleben
> (auch auf einem gehobenen Niveau) zu sorgen, sind sie auch befreit von
> einem
> guten Teil an Sinn, den ihnen das bisherigen System durch die
> Arbeitsnotwendigkeit gegeben hat. Dieser Sinn hat sich ergeben aus dem
> Erfolg ihrer Arbeit, aus erarbeiteten Geld und aus ihrer sozialen
> Eingebundenheit während der Arbeit.
Es wurde den Menschen ja Jahrhunderte lang eingetrichtert, haben wir
Nachsicht. Wie schon ausgeführt wurde, Bildung ist hier von Nöten. Bei
der aktuellen Neujustierung des dt. Bildungssystems wird mir allerdings
schwarz vor Augen....
> zu b) Wie schon in einem anderen Posting an die Mailinglist beschrieben
> glaube ich, dass Errungenschaften oder erlangte Bequemlichkeiten einer
> gewissen "Rückkopplung" bedürfen, um erhalten zu bleiben. Es muss ein
> Bewusstsein existieren, dass sie Errungenschaften sind - sonst ist der
> Keim
> für ihren Verfall gelegt, da man sich nicht mehr um ihren Erhalt
> bemüht. Wer
> vergisst, was die Abwesenheit einer Errungenschaft bedeutet, der wird
> sorglos und setzt sie aufs Spiel. Denn jede Errungenschaft, aus der
> unreflektierte Selbstverständlichkeit wird, wird unsichtbar. Was aber
> unsichtbar ist, dafür wird nichts aktiv getan.
Nun haben unsere "Versorger" allerdings ein Interesse daran, möglichst
viel zu verkaufen (Strom, Wasser,
Gesundheitswiederherstellungsmaßnahmen etc at al). Wer verblendet hier
die "entfremdeten Massen" aus welchem Grund?
> Wo aber die
> Wahlbeteiligung sinkt, werden die Entscheidungen von immer weniger
> Menschen
> gefällt. D.h. die gewählten Repräsentanten repräsentieren immer weniger
> Menschen. Das aber ist das schiere Gegenteil der ursprünglichen
> Absicht,
> jedem Menschen eine Stimme zu geben. Die Demokratie torpediert also mit
> ihrer Freiheit, zu wählen oder eben auch nicht zu wählen, die
> Erreichung
> ihres ursprünglichen Ziels.
Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie verboten :-). Ich empfehle
zu diesem Thema "Thesen zur Transformation der Demokratie" von Johannes
Agnoli. (Aus: "KONTUREN" Nr. 31, Zeitschrift für Berliner Studenten),
super lesenswert....
> Ich denke, wir brauchen nicht nur eine neue Theorie der Ökonomie,
> sondern
> auch Einsicht in die conditio humana, um die Implikationen eines so
> radikalen Wandels zu verstehen.
Da Ihre Einsicht in die conditio humana (aus nachvollziehbaren Gründen)
sehr negativ zu sein scheint finde ich das sehr aristokratisch. Aus
libertärer Perspektive schwingt bei einigen Ihrer Ausführungen
sozialistische Bevormundung mit ("wir sagen den Menschen, was gut für
sie ist"). Korrigieren Sie mich bitte, falls da wieder ein
Kommunikationsproblem vorliegt.
> Trotz aller Armut in Deutschland sind wir - das sollte festgehalten
> werden -
> von diesem Bild weit entfernt.
> Krummrückige Proletariermassen in lichtlosen Hinterhöfen gehören der
> Vergangenheit an.
Das die "Proletarier" heutzutage größtenteils im "Überbau"
(Distribution, Verwaltung usw.) beschäftigt sind, ist wohl klar.
Angemessene Lebensbedingungen sind eben auch relativ. Allerdings,
vergessen wir den Rest der Welt nicht, BGE für Alle!
> Wer arm ist, hat Pech - könnte man sagen. Das Gegenteil ist dann aber:
> Wer
> reicht ist, hat Glück. ...
> An ersterem könnte etwas dran sein (wenn man der aktuellen
> Glücksforschung
> folgt).
Ich denke, dass Glücksgefühl resultiert aus der durch Reichtum
bedingten Existenzsicherung. Die Glücksforschung hat ja auch
herausgefunden, dass wer Arbeit hat glücklich ist, auch das hat wohl
ursächlich etwas mit Existenzsicherung zu tun, wobei wir wieder beim
Erwerbsarbeitszwang-Paradigma wären.
> Es wird und muss immer "reiche" Menschen geben. So ist die menschliche
> Natur
> - und der Kommunismus, der das nicht wahr haben wollte, ist daran
> gescheitert.
Es gab noch niemals irgendwo Kommunismus! Ich denke auch, dass dieser
nur weltweit funktionieren kann. Und Kommunismus hat auch nichts mit
Fünfjahresplänen zu tun, sondern ist vielmehr die freie Assoziation der
Individuen, ein zumindest anstrebenswertes "Ziel", wie ich finde.
Am 01.12.2005 um 14:10 schrieb Bernd Hückstädt:
> Auch bei Joytopia haben wir bereits wertvolle Erfahrungen und
> Erkenntnisse.
> Und ich bin immer wieder positiv überrascht, wie Gedanken, die wir
> bereits vor Jahren dachten, jetzt langsam ins allgemeine Gedankengut
> sickern. In soweit kann ich ganz gut damit leben, wenn unsere Arbeit
> jetzt oft noch als Unsinn abgetan wird.
Ich wollte Sie ja nicht persönlich diffamieren. Aber neben meinen schon
geäusserten Bedenken stösst mir auf, dass die Vordenker solcher
Tauschringe gegen die "jüdische Zinswirtschaft" schrieben.
Am 01.12.2005 um 15:54 schrieb Bernd Kowarsch:
> Arbeitsteilung führt zu Solidarität. Das den Bedarf übersteigende Ein-
> kommen entbindet von ihr. beG übersteigt keinen Bedarf und vermag also
> auch, anders als privates Vermögen, nicht von der Solidarität zu ent-
> binden, sehr wohl aber durch die Möglichkeit der Selbstbestimmmung zu
> ihrer Entwicklung beizutragen. Auch Solidarität lässt sich m.e. nicht
> erzwingen.
Die gängige Apologetik von Freiheit meint wirtschaftliche Freiheit,
dass ist zu kurz gedacht, nach Max Stirner gibt es drei Ebenen von
Freiheit (die politische, die soziale, die humane - und alle sind
kontraproduktiv zur individuellen, denn: "Die Freiheit im Sinne des
Liberalismus ist nicht etwa individuelle Freiheit, sondern enge Bindung
an das Gesetz, so wie auch der wahre Eigentümer in diesem System nicht
eigentlich der Einzelne, sondern das Volk, die Masse ist. ... Das
Bürgertum bekennt sich zu einer Moral, welche aufs engste mit seinem
Wesen zusammenhängt. ... Stirner entlarvt den liberalen Rechtsstaat als
eine verlogene Macht, die ausschließlich die Besitzenden schützt,
wohingegen die Proletarier und Besitzlosen nur die Nachteile dieser -
ach, so wohltätigen! - Staatsmacht zu spüren bekommen. ... Wird die
Arbeit frei, so ist der Staat verloren.") (Richard Reschika,
Philosophische Abenteuerer - "Mir geht nichts über mich!", Max Stirners
Philosophie des absoluten Egoismus). Bitte trennscharf zu neoliberalem
Egoismus deuten.
> Es darf in Zukunft keinen Privatbesitz mehr geben. Ein Erfordernis
> menschlicher Entwicklung. Und der Kapitalismus wird daran scheitern.
> Es gibt Wissens- und Machtunterschiede. Das Macht, anstatt zu Ver-
> antwortungsbewußtsein, zu Herrschaft führte ist das Problem. Macht
> ist zu verteilen. Besitz ist Macht.
Plato hat sich geirrt. Bleiben wir doch bitte bei Heraklit´s das Werden
ist das Sein.
viele Grüße
matthias
-------------- nächster Teil --------------
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