[atp-news] Treffen AKD und Vorträge

Petra Bursee (Adivasi-Tee-Projekt) petra.bursee at adivasi-tee-projekt.org
Die Jul 13 12:52:34 CEST 2004


Liebe FreundInnen und Mitglieder des ATP,
wie versprochen schicke ich hiermit meine Notizen vom letzten Treffen der Adivasi-Koordination. V.a. gab es drei Vorträge und Diskussionsrunden. 
Liebe Grüße, 
Petra Bursee


Treffen der Adivasi Koordination (AKD) , Berlin, 5./6. Juni 2004
 

anwesend sind: Theodor Rathgeber (AKD), Detlef Stüber (ASW), Sunil Das Gupta/ Indien, Klaus Röber (Indisches Komitee der Evangelischen Kirche), Bischof Nelson Lakra/ Indien, Elke Springer-Thiel (amnesty international), Bernd Krause (Gossner Mission), Johannes Laping (AKD, Fian), Mary Poorti/ Indien, SchülerInnen der Mahatma-Gandhi-Schule Berlin und zwei vom Indien-Forum und der Ökumenischen Kirche Berlin-Marzahn. 

 

Es gibt drei Vorträge. Dann geht es um Aktivitäten im Jahr 2004. Die Webseite der AKD ist weiter in Arbeit. Eine Tagung mit indischen Gästen findet parallel zu unserer 10-Jahres-Feier statt. 

 

(1) Zunächst berichtet Mary Poorti, eine indische Sozialarbeiterin vom Tribal Domestic Workers Fellowship in Delhi. 

Diese Organisation arbeitet mit Adivasi-Frauen, welche überwiegend aus dem tribal belt (Orissa, Jharkhand, Bihar, Westbengalen...) nach Delhi migrieren auf der Suche nach Arbeit, die sie dann v.a. als Hausangestellte dort finden. Jährlich migrieren Tausende Adivasi nach Delhi.

Diese Organisation hat einen sozialarbeiterischen Ansatz und versucht, den Frauen in Delhi zu helfen und sie zu unterstützen - mit Treffen, Gesprächen und Austausch, Trainings für bessere Arbeitschancen. Um die Migration in die Städte zu stoppen, müssen aber die Lebensbedingungen auf dem Land verbessert werden. Daneben muss in den Dörfern über die Arbeitsbedingungen in den Städten aufgeklärt werden, was einige NRO tun. Viele Mädchen und Frauen gehen im Glauben, gute Arbeit zu finden und werden dann als Hausangestellte ausgebeutet und nicht selten belästigt oder missbraucht. Nur selten wird davon berichtet, vieles ist nicht bekannt - die Dunkelziffer bei Vergewaltigungen etc. ist sehr hoch. Andererseits besteht in den Städten eine Nachfrage nach Hausangestellten, die Adivasi-Frauen gelten als besonders ehrlich und fleißig. Wenn neue Adivasi-Frauen ankommen (meist im Januar) stehen Hindu-Familien schon am Bahnhof und nehmen sie mit - keiner weiß, wohin sie kommen; häufig auch die eigenen Familien nicht. 

Organisationen kämpfen darum, den Status der Hausangestellten zu verbessern. In Delhi fängt das gerade erst an, in Maharashtra gibt es bereits Gewerkschaften und in Mumbai und Hyderabad sind die Hausangestellten schon als "domestic workers" anerkannt mit Rechten wie Arbeitszeit, Streik etc. Dies war auch ein Thema beim Weltsozialforum in Mumbai.  

 

(2) Bischof Nelson Lakra aus Assam berichtet über den Nordosten Indiens.

Im Nordosten werden als Adivasi, Indigene, häufig nur die "hill tribes" bezeichnet, nicht aber die eingewanderten Adivasi in den Tälern, die "tea garden tribes". Diese besondere Situation entstand dadurch, dass InderInnen (Nicht-Adivasi) frühzeitig in den unbewohnten Nordosten migriert sind. Mit der Teeindustrie im Nordosten förderten die Briten ab dem 19.Jh die Migration der Adivasi aus dem übrigen Indien, z.B. Bihar, nach Assam; besonders in den 20er und 30er Jahren - z.T. wurden sie zwangsverschleppt, um dort auf den Teeplantagen zu arbeiten. 1956 wurde die Migration von der Regierung gestoppt. Sie durften sich nur innerhalb der Gelände bewegen. Später haben sie Siedlungen auch außerhalb der Teeplantagen begründet. Heute haben sie allerdings durch Landverlust nur noch wenig Land - die Bodo haben es als ihr Land beansprucht, in der Ebene haben es ihnen eingewanderte Bangladeshis (Flüchtlinge in den 70er Jahren) abgenommen oder die Regierung hat das Land für die Teeindustrie beansprucht. Bis heute gibt es z.T. sehr blutige Konflikte zwischen den verschiedenen Gruppen in Assam um die Landrechte und Unabhängigkeitsbestrebungen. 50.000 Santals sind z.B. von Bodos vertrieben worden.  

Die eingewanderten Adivasi in Assam haben sich assimiliert an die Hindu-Kultur, 20-25% sind Christen. Nur 20% der "tea garden Adivasi" sind als ständige Anwohner anerkannt - 80% werden von der Regierung als Zeitarbeiter gesehen  und wissen so nicht, wo ihre Heimat ist. Sie verlieren ihre Identität, die 2. und 3. Generation spricht ihre Stammesprache nicht mehr. Es gibt keine starke Führung, das Überleben der Gemeinschaften als solche ist gefährdet. 

Weil die eingewanderten Adivasi nicht als STs anerkannt sind, erhalten sie keine Unterstützungen und sind sehr arm. Von den politischen Prozessen sind sie sehr isoliert. Im Jahr 1987 arbeiteten von insgesamt 80.000 Kinderarbeitern ganze 58.000 auf den Teeplantagen in Assam. 



(3) Zwei StudentInnen berichten über ihr Praxissemester bei ICITP (Indian Confederation of Indigenous and Tribal Peoples) in Jharkhand. 

Der ICITP ist sehr aktiv in verschiedenen Bereichen. Allgemein scheint der ICITP noch auf der Suche nach seinem Wesen zu sein bzw. in welchen Bereichen er tätig sein will. Momentan arbeiten viele Menschen in vielen verschiedenen Bereichen (Trainings, Lobbyarbeit, Sozialarbeit...), ein stärkerer Fokus könnte besser sein für die Außenwahrnehmung und die Aktivitäten.   



Bei einem Workshop von ICITP mit verschiedenen Adivasi-Vertretern im Oktober 2003 definieren die Adivasi gemeinsam ihre Probleme und ihre Werte:

 

Probleme der Adivasi:            Arbeitslosigkeit, Armut, Analphabetismus, Vertreibung, Landverlust, Identitätskrise, Alkoholismus, Privatisierung, Status, Dereservation, coversion, Aberglaube, Politische Beeinflussung. 

 

Werte der Adivasi Gesellschaft: caring, Teilen, Kooperation, Gemeinschaftseigentum, direkte Demokratie, Partizipation, menschliche Spiritualität, Harmonie mit der Natur

 

Gegenwärtige Gesellschaft: Wettbewerb, Individualismus, Konsum, Mehrheitssystem, Benachteiligung und Unterdrückung, Krieg und Terror, Fundamentalismus, Umweltzerstörung. 

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