[atp-news] Vortrag zu sozialer Ungleichheit in Indien

Petra Bursee (Adivasi-Tee-Projekt) petra.bursee at adivasi-tee-projekt.org
Die Jul 13 12:48:30 CEST 2004


Liebe FreundInnen und Mitglieder des ATP,
hier schicke ich euch meine möglichst knappen Notizen zu einem sehr interessanten Vortrag, den ich besucht habe.
Liebe Grüße, 
Petra Bursee


Social Inequality and Special Representation of Marginalized Groups in India
Vortrag von Zoya Hassan, Professorin für Political Science, Jawaharlal Nehru Universität in Neu Delhi. 

Internationale Konferenz "Constitutions and Confessions. The Politics of Religion" in Potsdam, Juni 2004

 

In Indien gibt es zahlreiche Sonderrechte für bestimmte Gruppen: für scheduled castes (SCs), scheduled tribes (STs), other backward castes (OBCs) - von Quoten in Regierungen, öffentlichen Universitäten und bei öffentlichen Arbeitgebern, über Bestimmungen zur Beförderung hin zu Förderprogrammen für Infrastruktur in den Gebieten etc. 

Die Adivasi - bzw. die Gruppen, welche offiziell als STs anerkannt sind - genießen den Schutz der Verfassung und zahlreicher Sondergesetze und Bestimmungen. Diese Sonderbestimmungen wurden mit Inkrafttreten der Verfassung zunächst nur für 10 Jahre gewährt - sie sollten aufgehoben werden, sobald die Adivasi in die indische Gesellschaft integriert wären. Tatsächlich sind sie immer wieder verlängert worden - weil die gewünschte Integration noch nicht erreicht werden konnte. Statt der Aufhebung haben sich die Quotenregelungen in Indien immer weiter ausgeweitet, Quoten für Frauen, seit 1994 für die OBCs (in öffentlichen Unternehmen, nicht in Regierungen)...

 

In Wissenschaft und Politik sind Sonderbestimmungen ein großes Thema und stark umstritten. 

(1) Während die einen sagen, die Schutzbestimmungen sind notwendig, um die Benachteiligten zu fördern und erst so die tatsächliche (Chancen-)Gleichheit aller zu erreichen,

(2) sagen die anderen, in einer Demokratie sind alle gleich und sollten auch gleich behandelt werden, weshalb sie Sonderrechte ablehnen. 

Tatsächlich ist es sehr umstritten, ob die Sonderrechte der betroffenen Gruppe helfen oder ob sie eher schädlich sind. 

 

Zoya Hassan meint in ihrem Vortrag, Sonderrechte verbessern den Status als Minderheit, aber integrieren die Minderheit nicht wirklich. Sie schildert die Debatte um Sonderrechte unter den Muslimen in Indien. 

Man muss unterscheiden zwischen intergroup equality (Gleichheit zwischen verschiedenen Gruppen, also in diesem Fall zwischen Hindus und Muslimen) und intragroup equality (Gleichheit innerhalb einer Gruppe, innerhalb der muslimischen Gemeinschaft). 

Reichere/ höherkastige Muslime sind daran interessiert, dass die ganze muslimische Gemeinschaft als benachteiligt anerkannt wird. Sie argumentieren, die Muslime insgesamt seinen benachteiligt und bräuchten deshalb besondere Förderung. So kämen auch die bessergestellten ihre Förderung. Tatsächlich haben die benachteiligten/ ärmeren Muslime viel gemeinsam mit den BC (backward castes)-Hindus. Wenn es Förderungen für alle Muslime gäbe, wären diese benachteiligt, da die reichen Muslime die Förderung genauso in Anspruch nehmen könnten. 

Zoya Hassan spricht sich dafür aus, dass Reservierungen und Förderungen entsprechend ökonomischen und sozialen Kriterien zu gewähren sind, und nicht entsprechend der Zugehörigkeit zu einer Religion (wie es Muslime fordern) oder der Kaste/Gemeinschaft (wie es seit Jahren passiert). Dann kämen alle benachteiligten und armen Menschen in den Genuss einer Förderung - egal, ob sie einer höheren oder niedrigeren Kaste angehören oder welcher Gemeinschaft auch immer. Denn auch höherkastige Hindus können arm sein und niedrigkastige Hindus können mittlerweile durch Förderungen (z.B. dass der Vater eine öffentliche Anstellung durch eine Quotenregelung erhalten hat) wohlhabend geworden sein - und dennoch haben deren Kinder erneut einen Anspruch auf Förderung. Dies dürfte nicht automatisch geschehen, sondern immer nur für zunächst eine Generation. 

 

 

 

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