[Trennmuster] Ligaturaufbruch (was: Alternative Trennmusterverwendung mit LuaTeX)
Guenter Milde
milde at users.sf.net
Sa Sep 26 17:44:41 CEST 2020
Liebe Trennfreunde,
On 25.09.20, Keno Wehr wrote:
> Zu 3:
> Für den Ligaturaufbruch liegt bereits eine vollständige Implementierung von
> Stephan im padrinoma-Projekt vor,
...
> Die gewählte Methode hat allerdings ein anderes Problem: Es können nur die
> Aufbruchstellen berücksichtigt werden, die in der Wortliste als Fugen (<
> oder =) markiert sind.
Was sich aber leicht auf die "endständigen Konfixe" (>) erweitern lässt.
> Im Duden (2006, S. 112) sind weitere Ligaturaufbrüche
> vorgesehen: »Eine Ligatur wird nur gesetzt, wenn die Buchstaben im Wortstamm
> zusammengehören.« Keine fl-Ligatur will der Duden in »ich schaufle« und
> keine ft-Ligatur in »ich kaufte« sehen.
> In der Dokumentation zum nicht mehr gepflegten Skript
> „prepare-ligature-wordlist.py“ schreibt Lukas Sommer:
> * Bei den anderen Suffixen gehen die Meinungen auseinander und es
> gibt keine einheitliche Praxis. Dies betrifft:
> * Flexionssuffixe, die nicht mit einer Silbengrenze
> zusammenfallen: „[er] kauf|t“
> * Flexionssuffixe, die mit einer Silbengrenze zusammenfallen:
> „[er] kauf|te“
> * weitere Suffixe: „käuf|lich“
Wobei diese Duden-Forderung relativ neu ist und m.E. auf einer
Fehlinterpretation der Regeln zur Alternativwahl beruht (siehe unten)
> Auch wenn hier unterschiedliche Auffassungen existieren, sollte ein Paket
> zum Ligaturaufbruch die strittigen Ligaturen doch zumindest optional
> aufbrechen können, zumal dies vom Duden gefordert wird.
Wir müssen zumindest noch die Alternativauswahl bei "normalen"
Trennstellen beachten.
Ein schönes Wochenende,
Günter
Die Verwendung bzw. der Aufbruch von Ligaturen weist eine Reihe von
Gemeinsamkeiten mit der Worttrennung und der Unterscheidung von Lang- und
Rund-s in gebrochenen Schriften auf.
*Ziel* ist einfache Rezeption geschriebener Texte durch ein der Wortstruktur
adäquates Layout. Aus den entsprechenden Konventionen entstanden mehr oder
weniger verbindliche Regeln.
* Zusammenhalten der Morpheme
:-: Worttrennung nur zwischen (formalen) „Sprechsilben“, die i.Allg. mit
Zäsuren beim Vorlesen übereinstimmen.
:fi: Verwendung von Ligaturen um optische Lücken zu vermeiden.
:ſ: Verwendung des Lang-S im Inneren der Morpheme.
* Wortfugen in Komposita und nach Präfixen werden hervorgehoben durch:
:-: Worttrennung auch entgegen den formalen Sprechsilbenregeln
(Plan-spiel, ab-arbeiten),
:fi: Aufbruch von Ligaturen (Stoff|igel, auf|fällig),
:ſ: Verwendung des Schluss-s (Achslaſt, Ausſage).
* Die Grenze vor Suffixen ist weniger geschützt
:-: Worttrennung und Morphemgrenze sind entkoppelt (hal-ten ↔ halt + -en),
Trennung im Abstand 1 erlaubt (Opi-oid, Steroi-de)
:fi: einige Ligaturen sind erlaubt (häu{fi}g, aber höf|lich)
:ſ: vor dem Suffix kann ein Lang-s stehen (er raſte, ein Sechſtel)²
²ein Sechstel laut Bertelsmann Deutſche Rechtſchreibung 1954
(http://unifraktur.sourceforge.net/unifraktur-forum/viewtopic.php?f=8&t=9)
Derivativsuffixe mit semantischem Gehalt werden analog zu Komposita und
Präfixen behandelt:
- Ligaturaufbruch (begreif|lich, fünf|fach, acht|los)
- Schluss-s (wachſen ↔ Wachstum, Biſchof ↔ Bistum)
Regeln zur Ligatur
------------------
vgl. auch dokumente/Trennregeln.txt, Abschnitt Ligaturtrennung
Ebenso wie die Regeln zur Silbentrennung sind die Regeln zur Ligatur dem
Wandel unterworfen. Eine verbindliche Regelung existierte in der DDR (TGL
10-081 in Verbindung mit dem Leipziger Duden). Aktuell ist die
Ligatursetzung eine Frage der Konvention, die „amtlichen Regeln des Rats für
deutsche Rechtschreibung“ enthalten keine diesbezüglichen Regeln.
Generell akzeptiert scheinen die „Präambel“
Ligaturen dürfen die sprachliche Richtigkeit nicht stören.
die Faustregel
Getrennt gesprochene Buchstaben werden nicht in Ligatur gesetzt.
und die folgenden Regeln
1. Eine Silbengrenze innerhalb eines Morphems (Trennstellen nach
§§ 109 - 112 der amtlichen Regeln, in der Wortliste „-“) ist kein Grund
auf eine Ligatur zu verzichten:
Af-fe, Fal-le, Reſ-te, hef-tig
2. *Keine* Ligatur steht in der Wortfuge von Zusammensetzungen und Wörtern
mit Präfix (Trennstellen nach § 108 der amtlichen Regeln, in der
Wortliste „=“ und „<“).
straf=frei, Auf<lage
Ausgenommen sind assimilierte Präfixe (in der Wortliste „-“).
Affekt, Offerte, kollaborieren, Attraktion, aſſoziieren
3. In *Zweifelsfällen* (Entscheidung zwischen zwei möglichen Ligaturen), wird
die Ligatur so gesetzt, wie das Wort nach Sprechsilben gegliedert ist.
Of{fi}zier oder O{ffi}zier, aber nicht O{ff}izier
Mu{ff}lon oder Mu{ffl}on, aber nicht Muf{fl}on
Souf{fl}eur oder Sou{ffl}eur aber nicht Sou{ff}leur
aſ{ſi}miliert oder a{ſſi}miliert aber nicht a{ſſ}imiliert
Diese Regel hat aufgrund ungünstig gewählter Beispiele für Verwirrung
gesorgt (siehe Diskussion unten).
*Umstritten* ist die Behandlung von Suffixen/Endungen
* Im „Fraktur-Duden“ (Leipzig 1934) und dem „Handbuch für Schriftsetzer“
(1938) werden Ligaturen nur an „Zusammensetzungen“ verboten.
* 1971 formuliert der Duden
Eine Ligatur wird nur gesetzt, wenn die Buchstaben im Wortstamm
zusammengehören.
Ausnahmen werden nicht genannt. Allerdings betreffen alle Beispiele für
getrennte Ligaturen ein Zusammentreffen von drei ligierfähigen Buchstaben:
gehoff|t, muff|ig, süff|ig
Ob eine Dreifachligatur gesetzt werden dürfte und ob ohne
„Zweifelsfall“ fi ebenfalls aufzulösen ist bleibt ungeklärt:
streif|ig / strei{fi}g, spezif|isch / spezi{fi}sch
* In der 19. Aufl. (Mannheim 1986) (zitiert im README von rmligs) wird
erstmals explizit ein Verbot der Ligaturen zwischen Wortstamm und Endung
genannt:
Keine Ligatur steht zwischen Wortstamm und Endung (Ausnahme: fi)
ich schauf|le, ich kauf|te, höf|lich; *aber* strei{fi}g, a{ffi}g
Der Reformduden (Mannheim 2006) übernimmt diese Regel samt Beispielen
unverändert.
Ob *ft* wegen der seltenen Verwendung nicht in die Ausnahmeregel
aufgenommen wurde oder getrennt werden muss ist unklar.
Im Duden 2006 erscheint der Hinweis „Die Ligaturen ſi und ſt werden wie
Antiqua-fi behandelt.“ Damit wäre dann ft in der Endung aufzubrechen
(kauf|ten), aber ſt nicht (hauſten).
* Die Regel für *Zweifelsfälle* hat für mancherlei Verwirrung gesorgt, weil
die gegebenen Beipiele ein Verbot von Suffixtrennungen suggerieren:
Das Handbuch für Schriftsetzer (1938) gibt eine verständliche, explizite
Erklärung:
In den Fällen, wenn ffi ffl ſſi zusammentreffen, kann der Setzer in
Zweifel kommen, welche Ligatur er bevorzugen soll, ob ff oder fi, ff
oder fl, ſſ oder ſi; hier entscheidet die Silbengrenze, ...
aber die Beispiele mischen Fälle, wo die Alternative bereits nach obigen
Regeln unzulässig ist mit Fällen, wo eine Silbentrennung zwischen zwei
zulässigen Ligaturen entscheidet:
... man setzt also stets auf|finden, raf|finiert, auf|fliegen,
Aſ|ſistent, Eſ|ſig, Klaſ|ſiker, dreſ|ſieren, Diſ|ſident, zuläſ|ſig,
ferner vortreff|lich, ſtoff|lich.
So auch spätere Quellen:
Duden 71: kni{ff}lig, Mu{ff}lon, Schnü{ff}ler, Souf{fl}eur
Duden 86: Rohstoff|frage, Sauerstoff|flasche, kniff|lig, schaff|ten
Duden 06: Rohsto{ff}frage, Schi{ff}fahrt, kni{ff}lig, scha{ff}ten
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