[Trennmuster] Akronym

Johannes Hielscher jhielscher at posteo.de
Sa Apr 25 01:30:06 CEST 2020


Am Fri, 24 Apr 2020 23:06:59 +0200
schrieb Keno Wehr <wehr at abgol.de>:

> > In Deinem letzten Commit findet sich u.a.
> >
> >    Akrobat;A·kro<bat # < griech. ἀκρόβατος (auf Zehenspitzen
> > gehend) < ἄκρος + βαίνειν
> >
> > Mit der gleichen Ableitung haben wir auch
> >
> >    Akronym;A·kro-nym # < griech. ἄκρος + ὄνυμα
> >
> > Sollte das nicht daher
> >
> >    A·kro<nym
> >
> > sein?  
> 
> Sehr gute Frage.
> Beim »Akrobaten« beginnt der zweite Wortteil mit »b«, daher ist klar,
> wo die Fuge (das Präfixende) ist.
> Beim »Akronym« lässt sich das »o« lässt nicht eindeutig einem
> Wortteil zuordnen.
> Allerdings taucht das griechische Konfix »onym« (Name) auch in
> anderen Wörtern auf: an<onym, Ant<onym, aut<onym, Hyper<onym,
> Krypt-onym, Met<onym, Pseud<onym, Syn<onym.
> 
> Ich fände es merkwürdig, beim »Akronym« das »o« auf einmal dem ersten 
> Teil zuzuschlagen. Man geht in solchen Fällen in der Regel von einem 
> verkürzten Präfix aus (wie in aut<onym). Das hieße in unserem Falle 
> allerdings »Akr<onym« zu markieren. Da mir das zu ungewöhnlich
> vorkam, habe ich mich analog zur »Gastralgie« für
> Sprechsilbentrennung ohne besondere Auszeichnung entschieden.
> Korrigiert werden müssten meiner Meinung nach noch »Hiero<nymus« und 
> »homo<nym«.
> 
> > Und noch was: sollte nicht
> >
> >    Ap-hel
> >
> > die primäre Trennung in der Liste sein, weil etymologisch so
> > richtig? 
> 
> Noch bessere Frage.
> Der Duden bietet ja hier gleich zwei verschiedene Trennungen an, die 
> beide von unserer abweichen.
> 
> Das Wort ist aus dem griechischen Präfix »apo« und »helios« (Sonne) 
> gebildet. Das »h« ist im Griechischen allerdings kein eigener
> Buchstabe, sondern wird als kleiner Kringel (sogenannter Spiritus
> asper) über dem anlautenden Vokal dargestellt: ἥλιος (hier noch mit
> dem Wortakzent zusammentreffend). Das deutet darauf hin, dass die
> Griechen im h keinen vollwertigen Konsonanten gesehen haben. (Die
> Schreibweise mit dem Spiritus stammt meines Wissens auch erst aus
> byzantinischer Zeit, vorher wurde das h wohl gar nicht markiert). Das
> erklärt gelegentliche fachsprachliche Schreibvarianten griechischer
> Fremdwörter ohne h, die auf den ersten Blick als Fehler erscheinen:
> fachsprachlich »Katode« neben »Kathode« (von »kata« und »hodos«). Und
> dies erklärt wohl auch die zunächst absurd erscheinende
> Duden-Trennung »Aph-el«. Das »el« ist hier »helios« ohne anlautendes
> h und ohne Endung.
> 
> Würde der zweite Wortteil als konsonantisch anlautend wahrgenommen,
> so würde das Präfix »apo« unverändert erhalten bleiben, wie in 
> »Apo<kalypse« oder »Apo<logie« etc. Vor Vokalen wird »apo« im 
> Griechischen zu »ap« verkürzt (dazu ist mir kein im Deutschen
> geläufiges Beispiel bekannt). Nun wirkt sich das anlautende »h« des
> zweiten Wortteils doch insofern aus, als da nicht einfach »ap«
> sondern »aph« entsteht, wobei das »ph« für ein griechisches Phi
> steht. Dies war im Altertum nicht wie heute ein »f«, sondern ein
> aspiriertes »p«; der Hauchlaut vor dem zweiten Wortteil hat sich also
> mit dem vorangehenden Konsonanten verbunden. Dies ist der Grund,
> weshalb ich hier keine etymologisch eindeutige Fuge erkennen kann und
> die bisherige Trennung im Sinne einer Sprechsilbenregelung bei
> Aussprache von »ph« als »f« erhalten habe.
> 
> Wenn eine andere Trennung gewünscht wird, können wir es aber gerne 
> ändern, schließlich ist dieser Fall eindeutig uneindeutig.

Das ist ja ein Graus, dabei ist ein kleiner Astronom gestorben…
Das Narrativ mit dem die Silbe wechselnden Spiritus asper kommt mir da
sehr an den Haaren herbeigezogen vor, selbst wenn sie eine gewisse
sprachgeschichtliche Relevanz haben sollte.

Meinen Augen wäre es aus folgenden Gründen lieber, die Trennung
Ap-hel zu sehen: Konsistenz mit dem Gegenteil (Peri-hel); die Tatsache,
dass das „ph“ (anders als in den meisten griechischen Wörtern) eben kein
φ war – falls dort getrennt werden sollte, hätte ich bei einem „Aph-“ am
Zeilenende keinen Grund und keinen Kontext, davon auszugehen, dass es
sich bei dem ph nicht um ein Ex-φ handelt; zudem sind beides
Fachbegriffe und in ihrer Branche so weit geläufig (es existiert
schlicht kein deutscheres Wort dafür), dass sie m. E. nach gar nicht
mehr als Fremdwörter zählen; in der Aussprache in der Praxis verändern
Peri- und Ap- den Klang des -hel hernach nicht (so wie sie das auch
nicht beim -astron tun), das h gehört also zumindest für die
Planetariums-Sprecher unter uns auf jeden Fall immer zum hinteren
Wortteil.

Schönen Gruß
Johannes


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