[netz-bb] "Verknüpfungsprozesse verstärken und vertiefen!" - Rundbrief Nr. 4 von "In welcher Gesellschaft wollen wir leben?!"

Elisabeth Voss post at elisabeth-voss.de
So Apr 5 09:21:09 CEST 2020


*Initiative „In welcher Gesellschaft wollen wir leben?!"*
*Rundbrief Nr. 4  - April 2020 *

Liebe Freundinnen und Freunde!

*„Verknüpfungsprozesse verstärken und vertiefen!“* - das war bereits im 
letzten Jahr ein Schwerpunkt unserer Initiative. Daran hatten wir in den 
ersten Wochen 2020 weiter gewerkelt. Und wir werden gleich auf konkrete 
Schritte zurückkommen – und warum wir diesem Ansatz auch heute eine 
besondere Bedeutung geben.

Kein aktueller Text kommt an Corona und den Folgen vorbei. Eine 
unglaubliche und in der Form sicherlich für Alle *unerwartete globale 
Dynamik*, die mit der Ausbreitung des neuen Virus in Gang gekommen ist. 
Und nun fast überall auf dieser Welt den Alltag bestimmt. Ja, es ist 
fürchterlich, dass in vielen Krankenhäusern (des globalen Nordens) die 
Triage über Leben und Sterben bestimmt. Schlimmes steht bevor, wenn sich 
das Virus in den Flüchtlingslagern weltweit – für uns aktuell sichtbar 
auf Lesbos und anderen griechischen Inseln – und rund um den Globus 
weiterverbreitet und die Megastädte (des globalen Südens) erreicht.

Auf der einen Seite ist uns wichtig, die Ernsthaftigkeit der Krise im 
Hier und Jetzt anzuerkennen. Sie trifft die Menschen sehr 
unterschiedlich hart und sie macht solidarisches Handeln im Moment 
notwendig. Aber wir möchten auch den Blick nach vorne richten. „*Wie 
wollen wir morgen leben?* In der Krise ist die Chance zum Umsteuern so 
groß wie nie." So lautet die Schlagzeile auf der Titelseite der 
Frankfurter Rundschau am 30. März 2020. In vielen Medien werden im 
Angesicht der globalen Gesundheitskrise und der unerwarteten „Rückkehr 
der Politik" *Zukunftsfragen* gestellt, *die lange kein oder kaum ein 
Thema waren*. Wir sehen die *Ambivalenzen der aktuellen Situation* und 
haben dazu unten fragmentarisch einige Zitate lesenswerter Artikel 
zusammengestellt.

*/
/*

*/„Die Solidaritäten, die wir heute knüpfen, werden die Grundlage sein 
für die Kämpfe um eine Neuordnung der Welt nach Corona…“/*/, /heißt es 
in einem der Texte sehr treffend. Und genau deshalb geben wir der 
Verstärkung und Vertiefung der Verknüpfungsprozesse diese zentrale 
Bedeutung.* Gegenseitiges Wissen und Mitgefühl, voneinander lernen und 
respektvolles Streiten, Erfahrungen austauschen und gemeinsam kämpfen. 
In diesen lebendigen Prozessen entsteht und wächst Solidarität.* Wir 
möchten „Brücken, Überschneidungen und Verbindungen aber auch 
Widersprüche und Gegensätze zwischen den Bewegungen dokumentieren. Auf 
inhaltlicher wie auch auf praktischer Ebene..." So hatten wir es im 
letzten Jahr formuliert und so haben wir es in den letzten Wochen auf 
unserer Webseite in *drei ersten Cross-Over-Blöcken* begonnen:


*„Prekarisierung, Sozialer Streik und Gutes Leben“* lautet ein erstes 
Verknüpfungsthema, in dem „die Kämpfe gegen prekäre Arbeits- und 
Lebensbedingungen im Mittelpunkt stehen, siehe
http://welche-gesellschaft.org/prekarisierung-sozialer-streik-und-gutes-leben/

*„Recht auf Stadt/Mietpolitik und Antirassistische Kämpfe“* lautet ein 
zweiter Titel, der zum Ausgangspunkt macht, dass die Wohnungs- und 
Mietenfrage auch anhand rassistischer Ausgrenzung verhandelt wird, siehe
http://welche-gesellschaft.org/recht-auf-stadt-mietpolitik-und-antirassistische-kaempfe/

Schließlich haben wir einen Schwerpunkt zu *„Klima, Migration, globale 
Gerechtigkeit“* begonnen, in dem wir Texte, Materialien, Treffen und 
Aktionen dokumentieren, die Verbindungslinien suchen und herstellen 
zwischen Klima- und antirassistischen Kämpfen, zwischen Migration und 
selbstbestimmter Entwicklung, siehe
http://welche-gesellschaft.org/klima-migration-globale-gerechtigkeit/

Wir laden ein, in diesen Verknüpfungsprozessen mitzuwirken. Lesen, 
verbreiten, beitragen – mit und in inhaltlichen Diskussionen wie in 
praktischen Kämpfen. „Wir sagen ´Kämpfe` und meinen den alltäglichen 
Prozess. Denn der Alltag entscheidet. Jedenfalls das Meiste." (aus 
unserem Manifest der Kämpfe)

Mit solidarischen Grüßen
aus dem kleinen Koordinierungskreis
von „In welcher Gesellschaft wollen wir leben?!"

http://welche-gesellschaft.org <http://welche-gesellschaft.org/>


*Eine subjektive Auswahl von Zitaten aus lesenswerten Texten:*


*Die Welt nach Corona wird jetzt ausgehandelt *

*Mario Neumann* (Medico International) und *Maximilian Pichl* (Jurist 
mit Fokus auf Asyl- und Polizeirecht, Universitäten Kassel und 
Frankfurt) am *20.03.2020* im Freitag online:

/„Der Covid-19-Virus trifft die Welt von außerhalb der politischen 
Machtstrukturen und wirbelt diese Welt der Programme, Strategien und 
Ideologien auf, er zwingt ihr einen wissenschaftlich abgesicherten 
Pragmatismus und gleichzeitig eine radikale Gegenwärtigkeit auf. In ihr 
werden sich die alten politischen Interessen neu konstituieren und 
artikulieren. Über diesen umgreifenden Prozess müssen wir reden und 
versuchen, ihn zu verstehen./

/„Die Zukunft wird nicht in der Rückkehr zu einer vor-coronalen 
Normalität bestehen, sondern Corona ist ein geschichtliches Ereignis, 
das bleibende Umwälzungen nach sich ziehen wird. Die Welt nach Corona 
wird jetzt ausgehandelt, die Weichen werden in der beginnenden 
Wirtschaftskrise, der Entwicklung der sozialen Infrastruktur, der 
Geltung von Menschenrechten und dem Fortgang der Demokratie gestellt.“/

/„Die ersten Zeichen der nachbarschaftlichen Solidarität, der Sorge und 
Rücksichtnahme sind zwar ein großer Hoffnungsschimmer, aber diese 
Stimmung wird noch auf eine harte Probe gestellt werden. Und sie ist 
auch jetzt schon ambivalent, ähnlich wie es die Erfahrungen aus dem 
Sommer der Migration 2015 waren.“/

/„Die neuen faschistischen Bewegungen, ihr Hass auf die Schwächsten und 
ihre Bereitschaft zum Kampf aller gegen alle haben sich nicht aufgelöst. 
/*/Die Solidaritäten, die wir heute knüpfen, werden die Grundlage sein 
für die Kämpfe um eine Neuordnung der Welt nach Corona./*/ Entscheidend 
wird dabei sein, wie in ihnen die globale Dimension der Krise auch 
global beantwortet wird, und ob in der Bearbeitung der sozialen Frage 
nationalistische und antimigrantische Politiken gestärkt werden. 
Solidarität kann zur nationalen Volksgemeinschaft oder zu 
transnationaler Solidarität werden.“/

https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/die-welt-nach-corona-wird-jetzt-ausgehandelt


*Das kommt nicht von außen *

*Kathrin Hartmann* (Autorin, u.a.: Grüner wird’s nicht. Warum wir mit 
der ökologischen Krise völlig falsch umgehen, 2020, Blessing Verlag) am 
*19.03.2020* im Freitag, Ausgabe 12/2020:

/„Corona hat dieselbe strukturelle Ursache wie die ökologische und 
soziale Krise, zu der der Klimawandel, die Naturzerstörung wie die 
maroden Gesundheitssysteme gehören. Sie ist in der kapitalistischen 
Produktion und Ausbeutung der Natur zu suchen, in der imperialen 
Lebensweise der reichen Länder des Nordens, in der neoliberalen 
Ideologie. “/

/„Wie die industrielle Tierhaltung für die wachsende Fleischproduktion 
dafür sorgt, dass sich Erreger auf Nutztiere und Menschen übertragen und 
ausbreiten können, beschreibt der britische Biologe Rob Wallace in 
seinem Buch Big Farms Make Big Flu: „Durch Züchtung genetischer 
Monokulturen von Nutztieren werden alle eventuell vorhandenen 
Immunschranken beseitigt, die die Übertragung verlangsamen könnten. “/

/„Covid-19 und seine Fol/gen/ sind nicht einfach eine Bedrohung von 
außen, sondern aus dem System heraus entstanden. Wenn wir nun vor leeren 
Supermarktregalen stehen oder uns darum sorgen, ob unsere Verwandten bei 
einer Infektion überhaupt behandelt werden, sollten wir begreifen, wie 
existentiell krisenanfällig der Kapitalismus ist und wie sehr die 
ökologische und die soziale Frage zusammenhängen. Es wichtiger denn je, 
darüber nachzudenken, wie wir dieses System ändern können. Das würde 
Umwelt und Klima wirklich helfen – genauso wie einem global gerechten 
Gesundheitssystem.“/

https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/das-kommt-nicht-von-aussen

Interview mit Rob Wallace in Marx21:

https://www.marx21.de/coronavirus-gefahren-ursachen-loesungen/


*Sozial handeln statt social distancing – Kollektivität statt Isolation!*

Die IL Düsseldorf hat einen Text aus Italien vom *Laboratorio Occupato 
Morion* (soziales Zentrum inmitten der roten Isolationszone Italiens in 
Venedig) übersetzt (Erstveröffentlicht am *12. März 2020* bei 
www.globalproject.info <http://www.globalproject.info/>):

/„Zuhause zu bleiben beispielsweise, impliziert das Privileg ein Zuhause 
zu haben. Etwas, das die Migrant*innen an der türkisch-griechischen 
Grenze nicht haben, die vom Militär und faschistischen Banden mit 
Push-Backs zurückgewiesen und umgebracht werden. Ein Zuhause ist etwas, 
dass weder die Migrant*innen in den Abschiebelagern haben (über die 
aktuellen Zustände dort erfährt man nichts) noch die einheimischen 
Wohnungslosen. Und auch nicht die Gefangenen in den Knästen, die zurecht 
revoltieren, die aber von der digitalen öffentlichen Meinung verurteilt 
werden, von Leuten, die von ihren gemütlichen Sofas aus sich einen 
Scheiß für diese Schwachen und Subalternen interessieren. Die Wut auf 
diejenigen, die nicht zu Hause bleiben, scheint uns unverhältnismäßig im 
Vergleich zu der Wut auf diejenigen, die unser öffentliches 
Gesundheitssystem seit Jahrzehnten demontiert haben. Und es erscheint 
uns bedeutsam, mit welcher Schwierigkeit jeder Versuch der 
Kontextualisierung verbunden ist. Warum sind wir zum Beispiel nicht so 
verärgert über die zehntausenden Todesfälle, die jedes Jahr durch 
Luftverschmutzung verursacht werden? Sie sind nicht weniger tot als die 
Anderen, sie sind keine virtuellen Toten.“/

/„Man könnte sagen, dass es in Wirklichkeit keinen Gegensatz gibt 
zwischen den Paradigmen der Biomacht und des Ausnahmezustands. Aus einer 
politischen Perspektive betrachtet können wir nicht übersehen, wie die 
Aufforderung, die kollektive Verantwortung für die Verlangsamung der 
Infektionsrate durch Isolation zu übernehmen, tatsächlich als 
selbstdisziplinierende Biomacht fungiert...“/

https://blog.interventionistische-linke.org/corona/dalli-alluntore-packt-den-giftsalber


*Private Akteure in der globalen Gesundheitspolitik*

*Anna Holzscheiter* (Prof. TU Dresden und Wissenschaftszentrum 
Berlin/WZB), wies bereits vor Corona am *11.11.2019* auf der 
Global-Health-Fachtagung „Win-win oder Win-lose?“ in Berlin darauf hin:

/„... dass gerade in der globalen Gesundheitspolitik, die Verflechtungen 
zwischen den großen privaten Stiftungen Gates, Wellcome Trust, Open 
Society Foundation und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren, den 
Medien und der Wissenschaft so dicht geworden sind, dass man von einem 
unsichtbaren Netz von Abhängigkeiten und Dominanz sprechen kann.“ /

https://www.plattformglobalegesundheit.de/wp-content/uploads/2020/03/dpgg-win-win-win-lose.pdf#page=6


*Nachhaltig wirtschaften – aber wie? Weniger Globalisierung und Wachstum 
durch Corona – eine Chance zum Umsteuern?"*

*Elisabeth Voß* (Solidarisch Wirtschaften für eine Welt ohne Grenzen) im 
*April 2020* in der Berliner Umweltzeitung Rabe Ralf:
/"Es geht nicht darum, die Wirtschaft zu retten, sondern es geht um 
Menschen. Um ein gutes Leben für alle, um würdige Arbeit ohne 
Ausbeutung, um das Recht auf Wohnen und – ganz aktuell – um eine 
Gesundheitsversorgung für alle. Die nächste Krise kommt bestimmt, umso 
wichtiger sind tragfähige Strukturen, die verhindern, dass sich doch 
wieder die Interessen der Stärkeren und wirtschaftlich Mächtigen 
durchsetzen."/

https://www.grueneliga-berlin.de/publikationen/der-rabe-ralf/aktuelle-ausgabe/nachhaltig-wirtschaften-aber-wie/


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