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  </head>
  <body>
    <p>STELLUNGNAHME<br>
      Berlin, der 03.11.2025</p>
    <p>Die Vorsitzende des Deutschen Bundesjugendrings (DBJR) Daniela
      Broda wurde als Sachverständige zur öffentlichen Anhörung zum
      Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Wehrdienstes –
      Wehrdienst-Modernisierungsgesetz (WDModG) des
      Verteidigungsausschusses am 10. November 2025 eingeladen. Der DBJR
      hat dazu eine schriftliche Stellungnahme abgegeben. </p>
    <h2><strong>Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Entwurf
        eines Gesetzes zur Modernisierung des Wehrdienstes –
        Wehrdienst-Modernisierungsgesetz (WDModG) des
        Verteidigungsausschusses am 10.11.2025</strong></h2>
    <p>Der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) ist die Arbeitsgemeinschaft
      der Jugendverbände und Landesjugendringe in Deutschland. Er
      vertritt die Interessen von rund sechs Millionen jungen Menschen,
      die sich in Jugendverbänden engagieren und damit einen zentralen
      Beitrag zur demokratischen, sozialen und zivilgesellschaftlichen
      Stabilität in Deutschland leisten. Die Positionen und Forderungen
      des DBJR beruhen auf demokratisch legitimierten Beschlüssen junger
      Menschen über ihre Jugendverbände und Jugendringe.</p>
    <h3><strong>Einordnung und Grundsatz</strong></h3>
    <p>Der DBJR teilt die Einschätzung, dass Europa und Deutschland vor
      wachsenden sicherheits- und verteidigungspolitischen
      Herausforderungen stehen. Die Bedrohungslage ist komplex – sie
      umfasst nicht nur militärische Risiken von außen, sondern auch
      Angriffe auf demokratische Institutionen, Desinformation,
      gesellschaftliche Spaltung und die Delegitimation
      zivilgesellschaftlicher Strukturen im Inneren.</p>
    <p>Komplexe Bedrohungslagen verlangen komplexe Antworten. Sicherheit
      im 21. Jahrhundert geht weit über militärische Aufwuchsfähigkeit
      hinaus. Wer Verteidigung modernisieren will, darf sich daher nicht
      auf die „einfachste Lösung“ beschränken – den Zugriff auf junge
      Menschen –, sondern muss auf langfristige Strukturen setzen und
      die Verantwortung und notwendige Beiträge dazu über alle
      Generationen hinweg gerecht verteilen. In der politischen Debatte
      wird diese „einfachste Lösung“ häufig mit dem Argument begründet,
      junge Menschen müssten „etwas zurückgeben“ oder man könne „ihnen
      auch etwas abverlangen“. Dieses Narrativ verkennt die Realität:
      Junge Menschen leisten längst einen erheblichen Beitrag zum
      Gemeinwohl – in Jugendverbänden, Freiwilligendiensten,
      Rettungsorganisationen oder Initiativen. Sie tragen bereits heute
      Verantwortung für die Gesellschaft, ohne dass man sie dazu
      verpflichten müsste. Junge Menschen „schulden“ der Gesellschaft
      auch nichts, nur weil sie jung sind. Der Beitrag zur Gesellschaft
      auch in Form des Engagements für die innere und äußere
      Verteidigung der Demokratie adressiert alle Altersgruppen
      gleichermaßen.</p>
    <p>Zugleich zeigt sich ein deutlicher Widerspruch zwischen der
      Rhetorik und der Realität des Gesetzesvorhabens. Während der
      Entwurf Freiwilligkeit betont, lassen politische Begründungen und
      Formulierungen – etwa zur „Verfügbarkeit“ junger Jahrgänge –
      erkennen, dass tatsächlich eine verpflichtende Struktur
      vorbereitet wird. Diese Diskrepanz und die daraus resultierende
      Unsicherheit für die persönliche Lebensplanung junger Menschen
      untergräbt Vertrauen. Sie vermittelt den Eindruck, staatliche
      Planungssicherheit werde über individuelle Selbstbestimmung
      gestellt – und das in einer Lebensphase, die ohnehin durch hohe
      gesellschaftliche und persönliche Belastungen gekennzeichnet ist.
      Junge Menschen stehen heute unter erheblichem Druck: Sie tragen
      weiterhin die Folgen der Pandemie, die gerade ihre Bildungs- und
      Entwicklungschancen massiv eingeschränkt hat. Psychische
      Belastungen und Zukunftssorgen nehmen zu, weil globale Krisen, der
      Klimawandel und ökonomische Entwicklungen zusätzliche Instabilität
      erzeugen. In dieser komplexen Gegenwart, in der Stabilität und
      Orientierung ohnehin rar sind, wiegen staatliche Eingriffe in
      individuelle Lebensentscheidungen umso schwerer. Eine nachhaltige
      Sicherheitsarchitektur beruht aus Sicht des DBJR auf drei
      Grundprinzipien: <strong>Weitsicht, Verhältnismäßigkeit und
        Generationengerechtigkeit.</strong></p>
    <p><strong>Weitsicht</strong> bedeutet, Sicherheits- und
      Verteidigungspolitik als gesamtgesellschaftliche Aufgabe mit
      langfristiger Perspektive zu begreifen. Eine weitsichtige
      Sicherheitsarchitektur richtet den Blick nicht auf kurzfristige
      Rekrutierungsquoten oder die Wiederbelebung überholter Strukturen,
      sondern auf die Entwicklung zukunftsfähiger und widerstandsfähiger
      Systeme. Dazu gehört, militärische, zivile und gesellschaftliche
      Ressourcen gemeinsam zu denken und sinnvoll zu verzahnen – von
      Katastrophenschutz und Daseinsvorsorge bis hin zur Stärkung des
      Ehrenamts und der Freiwilligendienste. Weitsicht heißt auch, dass
      der Staat alle Formen von Engagement gleichwertig anerkennt und
      keine strukturellen oder gesellschaftlichen Ungleichgewichte
      schafft, die einzelne Formen der Verantwortung bevorzugen. Eine
      moderne Verteidigungspolitik stärkt echte Freiwilligkeit, statt
      sie durch implizite Erwartung oder symbolischen Druck zu ersetzen.
      Schließlich bedeutet Weitsicht, Vertrauen und Beteiligung als
      tragende Säulen einer resilienten Sicherheitskultur zu verstehen:
      Nur wer junge Menschen als Partner*innen ernst nimmt und mit ihnen
      gemeinsam Zukunftsperspektiven aushandelt, kann auf ihre
      Bereitschaft bauen, Verantwortung zu übernehmen.</p>
    <p><strong>Verhältnismäßigkeit</strong> verlangt, staatliche
      Sicherheitsinteressen im Einklang mit Freiheitsrechten,
      Selbstbestimmung und gesellschaftlicher Teilhabe zu wahren. Sie
      bedeutet, dass staatliches Handeln geeignet, erforderlich und
      zumutbar sein muss – und die Grundrechte junger Menschen nur in
      dem Maße berühren darf, wie es zwingend notwendig ist. In einer
      freiheitlichen Demokratie darf Sicherheit nie auf Kosten der
      Freiheit organisiert werden. Verhältnismäßigkeit heißt daher,
      Vorsorgepflichten des Staates stets gegen die individuellen Rechte
      auf Bildung, Selbstbestimmung und freie Lebensgestaltung
      abzuwägen. Maßnahmen, die junge Menschen vorrangig als „verfügbare
      Ressource“ behandeln oder einseitig in ihre Lebensplanung
      eingreifen, widersprechen diesem Grundsatz.</p>
    <p><strong>Generationengerechtigkeit</strong> bedeutet,
      Verantwortung für Sicherheit, Freiheit und gesellschaftlichen
      Zusammenhalt solidarisch über alle Altersgruppen hinweg zu tragen.
      Wer heute politische Entscheidungen trifft, muss deren Folgen für
      künftige Generationen mitbedenken – nicht abstrakt, sondern im
      direkten Dialog mit jungen Menschen. Echte
      Generationengerechtigkeit macht Beteiligung junger Menschen zu
      einer selbstverständlichen Voraussetzung demokratischer
      Entscheidungsprozesse. Generationengerechtigkeit heißt deshalb
      auch, junge Menschen nicht als Verfügungsmasse
      sicherheitspolitischer Maßnahmen zu behandeln, sondern als
      gleichberechtigte Mitgestaltende einzubeziehen. Nur wenn sie aktiv
      an den Entscheidungen beteiligt sind, die ihre Zukunft prägen,
      entsteht eine Sicherheitsordnung, die Vertrauen in die Demokratie
      stärkt und gesellschaftlichen Zusammenhalt über Generationen
      hinweg sichert.</p>
    <h3><strong>Bewertung des Gesetzesvorhabens</strong></h3>
    <p>Aus Sicht des DBJR bleibt der vorliegende Gesetzentwurf hinter
      den Maßstäben einer modernen und generationengerechten
      Sicherheitsarchitektur zurück.</p>
    <p><strong>Pflicht zur Bereitschaftserklärung für junge Männer</strong>
      (vgl. § 15a WPflG-E „Bereitschaftserklärung“)</p>
    <p>Die verpflichtende Bereitschaftserklärung für männliche
      Wehrpflichtige ab dem Geburtsjahrgang 2008 stellt eine neue Form
      staatlicher Erfassung dar. Auf behördliche Aufforderung hin müssen
      Betroffene persönliche Angaben zu Qualifikationen, körperlicher
      Leistungsfähigkeit und ihrem Interesse am Wehrdienst machen. Der
      vermeintlich „vorbereitende“ Charakter dieser Maßnahme
      verschleiert ihre tatsächliche Wirkung: Sie schafft
      Erwartungsdruck, institutionalisiert Verfügbarkeiten und leitet
      faktisch eine Struktur für mögliche spätere Einberufungen ein.
      Besonders kritisch ist, dass die Erhebung der Daten einem
      doppelten Zweck dient: Sie soll einerseits das Interesse am
      Wehrdienst fördern, andererseits im Spannungs- oder
      Verteidigungsfall zur Priorisierung bei Einberufungen herangezogen
      werden. Hier besteht die Gefahr, dass junge Menschen nicht
      vollumfänglich über die Konsequenzen ihrer Angaben informiert
      sind.</p>
    <p>§ 15a Absatz 5 des Entwurfs erlaubt dem Staat, die
      Bereitschaftserklärung „erneut anzufordern“, ohne Zeitraum oder
      Anlass zu definieren. Unklar bleibt, ob dabei lediglich
      Qualifikationen aktualisiert oder sämtliche Angaben einschließlich
      der grundsätzlichen Bereitschaft erneut erhoben werden. Nach dem
      Wortlaut des Gesetzes ist eine vollständige Neuabfrage anzunehmen,
      was im Interesse junger Menschen wäre, damit diese sich zu allen
      Angaben, insbesondere zur ihrem möglicherweise erklärten Interesse
      an der Bundeswehr, neu verhalten können. Um eine tatsächliche
      Korrekturmöglichkeit sicherzustellen, muss der Gesetzestext aus
      Sicht des DBJR klarstellen, dass bei jeder erneuten Aufforderung
      alle Angaben neu erhoben werden. Ein ausdrückliches Recht auf
      Berichtigung oder Widerruf der Angaben ist bisher nicht
      vorgesehen. Daher sollte §15a um ein einen Rechtsanspruch auf
      jederzeitige Berichtigung der Angaben ergänzt werden, etwa durch
      ein Onlineformular beim Bundesamt für das Personalmanagement.</p>
    <p>Der DBJR betont weiterhin, dass die Entscheidung für einen
      militärischen Dienst frei von ökonomischem Druck oder staatlichen
      Erwartungen sein muss. Bildungszugang oder berufliche Förderung
      dürfen nicht an militärisches Engagement gekoppelt werden. Die
      Annahme, dass durch gezielte Ansprache, Beratung und Anreizsysteme
      die Bereitschaft junger Menschen für einen freiwilligen
      Militärdienst gesteigert werden kann, ist aus Sicht des DBJR zudem
      widersprüchlich. Denn wenn man meint, der Militärdienst müsse
      besonders beworben und attraktiver gemacht werden, um freiwillig
      gewählt zu werden, bedeutet das zugleich, dass dieser Dienst von
      sich aus nicht gleichwertig oder ansprechend genug ist. Würde man
      dieses Argument konsequent auf alle Formen freiwilligen
      Engagements anwenden, müssten soziale, ökologische oder kulturelle
      Dienste mit denselben Mitteln gezielt gefördert wer-den, statt
      über Dienstpflichten nachzudenken. Im Entwurf wird jedoch vor
      allem der militärische Dienstbesonders unterstützt, während
      zivilgesellschaftliches Engagement vergleichsweise wenig Beachtung
      findet.</p>
    <p>Sollte – entgegen der Forderung des DBJR – mit dem Gesetz eine
      verpflichtende Bereitschaftserklärung eingeführt werden, fordert
      der DBJR daher, dass junge Menschen im Rahmen dieses Verfahrens
      umfassend und ausgewogen über sämtliche Formen des Engagements für
      Staat und Gesellschaft informiert werden – ausdrücklich auch über
      zivile und soziale Möglichkeiten, etwa in den
      Freiwilligendiensten, im Katastrophenschutz oder im Rettungswesen.
      Nur auf dieser Grundlage kann eine selbstbestimmte und informierte
      Entscheidung getroffen werden. Zugleich weist der DBJR darauf hin,
      dass eine solche Informationspflicht keine tatsächliche
      Gleichstellung zwischen militärischen und zivilen Diensten
      bewirken würde. Für eine echte Wahlfreiheit ist vielmehr
      erforderlich, dass insbesondere die Freiwilligendienste deutlich
      besser ausgestattet und strukturell gestärkt werden. Gleiches gilt
      für andere Formen des freiwilligen Engagements.</p>
    <p>Darüber hinaus hält der DBJR es für unabdingbar, dass junge
      Menschen im Rahmen einer solchen Bereitschaftserklärung auch über
      ihr verfassungsrechtlich garantiertes Recht auf
      Kriegsdienstverweigerung sowie über die entsprechenden Verfahren
      informiert werden, um eine wirklich informierte und
      selbstbestimmte Entscheidung zu ermöglichen.</p>
    <p>Besorgniserregend bleibt die gezielte Fokussierung auf junge
      Jahrgänge, die offenbar als besonders verfügbar und flexibel
      gelten. Der Gesetzentwurf argumentiert offen, diese Altersgruppe
      sei „noch nicht nachhaltig etabliert“ – eine Formulierung, die
      eine problematische Haltung offenbart: Junge Menschen werden als
      weniger schutzwürdig wahrgenommen, ihre Lebensentwürfe als
      vorläufig abgewertet. Gerade in dieser Phase der Orientierung sind
      sie jedoch besonders verletzlich. Ein staatlicher Eingriff in
      dieser Zeit wirkt tief in individuelle Entscheidungs- und
      Entwicklungsprozesse hinein und kann Biografien dauerhaft prägen.
      Umso wichtiger ist es, junge Menschen in dieser Lebensphase
      besonders vor solchen Zugriffen zu schützen und anzuerkennen, dass
      Lebensplanungen und (Berufs)Biographien von älteren
      Bevölkerungsgruppen ebenso Veränderungsprozessen unterliegen und
      eine Bereitschaftsabfrage hier dann konsequenterweise ebenso
      notwendig wäre. Dies wäre Ausdruck einer intergenerationellen
      Gleichbehandlung und Anerkennung dessen, dass junge Menschen die
      aktuelle sicherheitspolitische Lage nicht zu verantworten haben.</p>
    <p>Damit stellt sich grundsätzlich die Frage, warum ausschließlich
      junge Menschen über ihre Bereitschaft zu einem Dienst bei der
      Bundeswehr Auskunft geben sollen. Diese einseitige Fokussierung
      ist nicht sicherheitspolitisch begründet, sondern politisch
      bequem. Junge Menschen verfügen über wenig institutionelles
      Gewicht, um sich gegen solche Maßnahmen zu wehren. Selbst das
      Wahlrecht als eine der grundlegendsten politischen
      Beteiligungsmöglichkeiten wird ihnen bis zu diesem Zeitpunkt
      vorenthalten. Würde der Gesetzentwurf stattdessen vorsehen, dass
      auch ältere Jahrgänge eine entsprechende Erklärung abgeben müssen,
      wäre die gesellschaftliche Debatte über Zumutbarkeit, Freiheit und
      Selbstbestimmung vermutlich eine völlig andere. Der Entwurf nutzt
      somit nicht die sicherheitspolitisch effektivste, sondern die
      politisch am wenigsten widersprochene Option – und das auf Kosten
      einer Generation, die ohnehin strukturell unterrepräsentiert ist.</p>
    <p>Ferner widerspricht diese Haltung nicht nur dem Anspruch auf
      Selbstbestimmung und Respekt gegenüber jungen Biografien – sie
      steht auch exemplarisch für einen adultistischen Blick auf junge
      Menschen: Politisch wird seit Jahren an den Bedarfen junger
      Generationen gespart, zentrale Zukunftsfragen – von Klimaschutz
      über Rentensystem bis hin zu Bildungsgerechtigkeit – bleiben
      ungelöst. Während echte politische Antworten auf die Lebenslagen
      und Perspektiven junger Menschen ausstehen, soll nun gerade diese
      Generation herangezogen werden, um strukturelle Versäumnisse im
      Sicherheitsbereich auszugleichen.</p>
    <p>Auch wird innerhalb der Bundeswehr selbst zunehmend betont, dass
      es nicht nur um Rekrutierung „an der Waffe“ geht – vielmehr
      besteht ein wachsender Bedarf an qualifizierten Fachkräften, etwa
      in Bereichen wie Logistik, Infrastrukturinstandhaltung oder
      Technik. Ein nachhaltiger Aufbau von Kapazitäten und sogenannter
      „Backbonestrukturen“ lässt sich jedoch nicht allein durch
      Bereitschaftsabfragen bei jungen Menschen realisieren.</p>
    <p><strong>Verordnungsermächtigung (§ 2a WPflG-E)</strong></p>
    <p>Der DBJR spricht sich nachdrücklich gegen die Einführung der in §
      2a WPflG-E vorgesehenen Verordnungsermächtigung aus. Der
      Gesetzesentwurf ermöglicht durch die Einführung der
      Verordnungsermächtigung der Bundesregierung nach Zustimmung durch
      den Bundestag ein beschleunigtes Verfahren zu Wiedereinführung der
      Wehrpflicht ohne formales Gesetzgebungsverfahren. Gleichzeitig
      sind die Voraussetzungen für den Erlass der Verordnung nicht
      ausreichend definiert. Dadurch kann eine öffentliche
      Auseinandersetzung über die sogenannte „verteidigungspolitische
      Lage“ kurzfristig umgangen werden und die Planungssicherheit für
      junge Menschen wird untergraben.¹</p>
    <p><strong>Fehlende Beteiligung junger Menschen</strong></p>
    <p>Trotz der weitreichenden Auswirkungen auf junge Menschen wurden
      ihre Perspektiven im gesamten Gesetzgebungsverfahren bislang nicht
      systematisch einbezogen. Ein Dialog mit jungen Menschen hat
      bislang schlicht nicht stattgefunden. Einen derart tiefgreifenden
      Eingriff in ihre Lebensplanung und Freiheitsrechte ohne aktive
      Beteiligung vorzunehmen, widerspricht grundlegenden Prinzipien
      demokratischer Teilhabe. Dieses Gesetzesvorhaben der
      Bundesregierung greift vermutlich wie kein anderes so massiv in
      die Freiheitsrechte und Lebensplanungen junger Menschen ein. In
      Anbetracht der massiven Auswirkungen auf junge Menschen ist dieses
      Vorgehen der Bundesregierung beteiligungsfeindlich und wertet
      junge Menschen als bloßes Objekt staatlichen Handelns ab.</p>
    <p>Immer wieder wird in der politischen Debatte – vor allem von
      erwachsenen Entscheidungsträger*innen – das Argument bemüht, junge
      Menschen selbst wünschten sich eine Pflicht. Dieses Narrativ dient
      inzwischen häufig als Legitimationsgrundlage für verpflichtende
      Elemente im vorliegenden Gesetzentwurf oder gar für eine
      Wiedereinführung der Wehrpflicht. Es spiegelt jedoch nicht die
      tatsächlichen Haltungen junger Menschen wider.² Zugleich zeigt
      sich ein deutlicher Generationeneffekt: Die Zustimmung zur
      Wehrpflicht steigt mit dem Alter der Befragten, während die
      ablehnende Haltung am stärksten unter denjenigen ausgeprägt ist,
      die selbst potenziell betroffen wären.³</p>
    <p>Zugleich fehlt jungen Menschen weitgehend die Möglichkeit, ihre
      Sorgen, Bedarfe und Einwände in die politische Debatte
      einzubringen. Bis zur Volljährigkeit sind sie vom Wahlrecht
      ausgeschlossen, und auch jenseits dessen existieren kaum
      verbindliche Beteiligungsstrukturen, die ihre Perspektiven in
      sicherheits- oder verteidigungspolitische Entscheidungsprozesse
      einbeziehen.</p>
    <p>Wie deutlich dieses Defizit ist, zeigte bislang der Umgang des
      Bundesministeriums der Verteidigung mit eigenen
      Beteiligungsankündigungen. Ende 2024 hatte das Ministerium selbst
      zu einem Servicedesign-Workshop eingeladen, um gemeinsam mit
      jungen Menschen Möglichkeiten einer beratenden Mitwirkung an der
      Konzeption eines neuen Wehrdienstes zu entwickeln. Das Format
      sollte ausdrücklich dazu dienen, „junge Menschen als Fachleute in
      eigener Sache“ einzubeziehen – wurde jedoch kurzfristig abgesagt
      und bis heute nicht ersetzt. Auf massives Drängen der
      Jugendverbände hin findet nun ein Austausch zwischen
      Bundesminister Boris Pistorius und Vertretungen aus
      Jugendverbänden statt. Dieser Schritt ist grundsätzlich zu
      begrüßen, kann jedoch – auch gemessen an den Qualitätsstandards
      für Kinder- und Jugendbeteiligung⁴ – nicht als Beteiligungsformat
      im engeren Sinne verstanden werden. Er kommt zu spät, um Einfluss
      auf zentrale Weichenstellungen zu nehmen, und bleibt in seiner
      Anlage auf ein Austauschformat beschränkt. Aus Sicht des DBJR
      braucht es insbesondere für derart in das Leben junger Menschen
      einschneidende Gesetzesvorhaben vor dem formalen
      Gesetzgebungsprozess eine wirksame und echte Jugendbeteiligung auf
      Augenhöhe.</p>
    <p>Der DBJR stellt fest: Der Gesetzentwurf greift tief in das
      Selbstbestimmungsrecht junger Menschen ein und schafft
      strukturelle Voraussetzungen für eine mögliche Reaktivierung der
      Wehrpflicht – ohne offene, transparente und
      beteiligungsorientierte gesellschaftliche Debatte. Die politische
      Einbindung der noch nicht Wahlberechtigten bleibt bislang
      unzureichend. Junge Menschen werden politisch adressiert, wenn es
      um ihre Bereitschaft zum Einsatz geht – aber bislang nicht
      systematisch beteiligt, wenn über die Bedingungen dieses Einsatzes
      entschieden wird.</p>
    <p><br>
      <br>
      ¹ Ein von Greenpeace Deutschland beauftragtes unabhängiges
      verfassungsrechtliches Gutachten weist darüber hinaus auf
      erhebliche ver-fassungsrechtliche Bedenken hin. Es kommt zu dem
      Ergebnis, dass § 2a WPflG-E gegen den Gesetzesvorbehalt und das
      Bestimmtheitsgebot des Grundgesetzes verstoßen könnte.
      Insbesondere die unklare Definition einer
      „verteidigungspolitischen Lage“ eröffne der Bundesregie-rung
      weitreichende Handlungsspielräume ohne ausreichende
      parlamentarische Kontrolle. Damit, so das Gutachten, drohe ein
      zentraler Grundsatz des Rechtsstaats – die demokratische
      Legitimation schwerer Grundrechtseingriffe – ausgehöhlt zu werden
      (<a
href="https://www.green-peace.de/publikationen/Rechtsgutachten_zum_neuen_Wehrpflichtgesetz.pdf)"
        target="_blank" rel="noreferrer" class="moz-txt-link-freetext">https://www.green-peace.de/publikationen/Rechtsgutachten_zum_neuen_Wehrpflichtgesetz.pdf)</a>.</p>
    <p>² Eine im September 2025 von Table.Media beauftragte
      Forsa-Umfrage zeigt deutlich: 63 Prozent der 14-29-Jährigen lehnen
      die Wiederein-führung eines verpflichtenden Wehrdienstes ab –
      selbst für den Fall, dass die Bundeswehr nicht genügend
      Freiwillige gewinnen sollte. Nur 27 Prozentz befürworten eine
      allgemeine Pflicht für Männer und Frauen, weitere 8 Prozent
      ausschließlich für Männer (<a
href="https://cdn.table.media/assets/briefings/security/table.briefings-forsa-umdrage-neuer-wehrdienst-wasserzeichen.pdf)"
        target="_blank" rel="noreferrer" class="moz-txt-link-freetext">https://cdn.table.media/assets/briefings/security/table.briefings-forsa-umdrage-neuer-wehrdienst-wasserzeichen.pdf)</a>. </p>
    <p>³ <a
href="https://de.statista.com/infografik/35048/umfrage-zur-wiedereinfuehrung-der-wehrpflicht-in-deutschland-nach-altersgruppen/"
        target="_blank" rel="noreferrer" class="moz-txt-link-freetext">https://de.statista.com/infografik/35048/umfrage-zur-wiedereinfuehrung-der-wehrpflicht-in-deutschland-nach-altersgruppen/</a>;
      <a
href="https://www.zdfheute.de/politik/deutschland/wehrpflicht-bundeswehr-politbarometer-junge-menschen-jugendliche-100.html"
        target="_blank" rel="noreferrer" class="moz-txt-link-freetext">https://www.zdfheute.de/politik/deutschland/wehrpflicht-bundeswehr-politbarometer-junge-menschen-jugendliche-100.html</a>;
      <a
href="https://presse.wdr.de/plounge/tv/das_erste/2025/07/20250703_ard_deutschlandtrend_wehrpflicht.html"
        target="_blank" rel="noreferrer" class="moz-txt-link-freetext">https://presse.wdr.de/plounge/tv/das_erste/2025/07/20250703_ard_deutschlandtrend_wehrpflicht.html</a> </p>
    <p>⁴ <a href="https://standards.jugendbeteiligung.de/&nbsp;"
        target="_blank" rel="noreferrer">https://standards.jugendbeteiligung.de/</a></p>
    <p> </p>
    <p><strong>Pressekontakt</strong><br>
      Deutscher Bundesjugendring<br>
      Matthias Starz<br>
      030/40040-412<br>
      <a class="moz-txt-link-abbreviated" href="mailto:medien@dbjr.de">medien@dbjr.de</a></p>
    <pre class="moz-signature" cols="72">
</pre>
  </body>
</html>