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<p>STELLUNGNAHME<br>
Berlin, der 03.11.2025</p>
<p>Die Vorsitzende des Deutschen Bundesjugendrings (DBJR) Daniela
Broda wurde als Sachverständige zur öffentlichen Anhörung zum
Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Wehrdienstes –
Wehrdienst-Modernisierungsgesetz (WDModG) des
Verteidigungsausschusses am 10. November 2025 eingeladen. Der DBJR
hat dazu eine schriftliche Stellungnahme abgegeben. </p>
<h2><strong>Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Entwurf
eines Gesetzes zur Modernisierung des Wehrdienstes –
Wehrdienst-Modernisierungsgesetz (WDModG) des
Verteidigungsausschusses am 10.11.2025</strong></h2>
<p>Der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) ist die Arbeitsgemeinschaft
der Jugendverbände und Landesjugendringe in Deutschland. Er
vertritt die Interessen von rund sechs Millionen jungen Menschen,
die sich in Jugendverbänden engagieren und damit einen zentralen
Beitrag zur demokratischen, sozialen und zivilgesellschaftlichen
Stabilität in Deutschland leisten. Die Positionen und Forderungen
des DBJR beruhen auf demokratisch legitimierten Beschlüssen junger
Menschen über ihre Jugendverbände und Jugendringe.</p>
<h3><strong>Einordnung und Grundsatz</strong></h3>
<p>Der DBJR teilt die Einschätzung, dass Europa und Deutschland vor
wachsenden sicherheits- und verteidigungspolitischen
Herausforderungen stehen. Die Bedrohungslage ist komplex – sie
umfasst nicht nur militärische Risiken von außen, sondern auch
Angriffe auf demokratische Institutionen, Desinformation,
gesellschaftliche Spaltung und die Delegitimation
zivilgesellschaftlicher Strukturen im Inneren.</p>
<p>Komplexe Bedrohungslagen verlangen komplexe Antworten. Sicherheit
im 21. Jahrhundert geht weit über militärische Aufwuchsfähigkeit
hinaus. Wer Verteidigung modernisieren will, darf sich daher nicht
auf die „einfachste Lösung“ beschränken – den Zugriff auf junge
Menschen –, sondern muss auf langfristige Strukturen setzen und
die Verantwortung und notwendige Beiträge dazu über alle
Generationen hinweg gerecht verteilen. In der politischen Debatte
wird diese „einfachste Lösung“ häufig mit dem Argument begründet,
junge Menschen müssten „etwas zurückgeben“ oder man könne „ihnen
auch etwas abverlangen“. Dieses Narrativ verkennt die Realität:
Junge Menschen leisten längst einen erheblichen Beitrag zum
Gemeinwohl – in Jugendverbänden, Freiwilligendiensten,
Rettungsorganisationen oder Initiativen. Sie tragen bereits heute
Verantwortung für die Gesellschaft, ohne dass man sie dazu
verpflichten müsste. Junge Menschen „schulden“ der Gesellschaft
auch nichts, nur weil sie jung sind. Der Beitrag zur Gesellschaft
auch in Form des Engagements für die innere und äußere
Verteidigung der Demokratie adressiert alle Altersgruppen
gleichermaßen.</p>
<p>Zugleich zeigt sich ein deutlicher Widerspruch zwischen der
Rhetorik und der Realität des Gesetzesvorhabens. Während der
Entwurf Freiwilligkeit betont, lassen politische Begründungen und
Formulierungen – etwa zur „Verfügbarkeit“ junger Jahrgänge –
erkennen, dass tatsächlich eine verpflichtende Struktur
vorbereitet wird. Diese Diskrepanz und die daraus resultierende
Unsicherheit für die persönliche Lebensplanung junger Menschen
untergräbt Vertrauen. Sie vermittelt den Eindruck, staatliche
Planungssicherheit werde über individuelle Selbstbestimmung
gestellt – und das in einer Lebensphase, die ohnehin durch hohe
gesellschaftliche und persönliche Belastungen gekennzeichnet ist.
Junge Menschen stehen heute unter erheblichem Druck: Sie tragen
weiterhin die Folgen der Pandemie, die gerade ihre Bildungs- und
Entwicklungschancen massiv eingeschränkt hat. Psychische
Belastungen und Zukunftssorgen nehmen zu, weil globale Krisen, der
Klimawandel und ökonomische Entwicklungen zusätzliche Instabilität
erzeugen. In dieser komplexen Gegenwart, in der Stabilität und
Orientierung ohnehin rar sind, wiegen staatliche Eingriffe in
individuelle Lebensentscheidungen umso schwerer. Eine nachhaltige
Sicherheitsarchitektur beruht aus Sicht des DBJR auf drei
Grundprinzipien: <strong>Weitsicht, Verhältnismäßigkeit und
Generationengerechtigkeit.</strong></p>
<p><strong>Weitsicht</strong> bedeutet, Sicherheits- und
Verteidigungspolitik als gesamtgesellschaftliche Aufgabe mit
langfristiger Perspektive zu begreifen. Eine weitsichtige
Sicherheitsarchitektur richtet den Blick nicht auf kurzfristige
Rekrutierungsquoten oder die Wiederbelebung überholter Strukturen,
sondern auf die Entwicklung zukunftsfähiger und widerstandsfähiger
Systeme. Dazu gehört, militärische, zivile und gesellschaftliche
Ressourcen gemeinsam zu denken und sinnvoll zu verzahnen – von
Katastrophenschutz und Daseinsvorsorge bis hin zur Stärkung des
Ehrenamts und der Freiwilligendienste. Weitsicht heißt auch, dass
der Staat alle Formen von Engagement gleichwertig anerkennt und
keine strukturellen oder gesellschaftlichen Ungleichgewichte
schafft, die einzelne Formen der Verantwortung bevorzugen. Eine
moderne Verteidigungspolitik stärkt echte Freiwilligkeit, statt
sie durch implizite Erwartung oder symbolischen Druck zu ersetzen.
Schließlich bedeutet Weitsicht, Vertrauen und Beteiligung als
tragende Säulen einer resilienten Sicherheitskultur zu verstehen:
Nur wer junge Menschen als Partner*innen ernst nimmt und mit ihnen
gemeinsam Zukunftsperspektiven aushandelt, kann auf ihre
Bereitschaft bauen, Verantwortung zu übernehmen.</p>
<p><strong>Verhältnismäßigkeit</strong> verlangt, staatliche
Sicherheitsinteressen im Einklang mit Freiheitsrechten,
Selbstbestimmung und gesellschaftlicher Teilhabe zu wahren. Sie
bedeutet, dass staatliches Handeln geeignet, erforderlich und
zumutbar sein muss – und die Grundrechte junger Menschen nur in
dem Maße berühren darf, wie es zwingend notwendig ist. In einer
freiheitlichen Demokratie darf Sicherheit nie auf Kosten der
Freiheit organisiert werden. Verhältnismäßigkeit heißt daher,
Vorsorgepflichten des Staates stets gegen die individuellen Rechte
auf Bildung, Selbstbestimmung und freie Lebensgestaltung
abzuwägen. Maßnahmen, die junge Menschen vorrangig als „verfügbare
Ressource“ behandeln oder einseitig in ihre Lebensplanung
eingreifen, widersprechen diesem Grundsatz.</p>
<p><strong>Generationengerechtigkeit</strong> bedeutet,
Verantwortung für Sicherheit, Freiheit und gesellschaftlichen
Zusammenhalt solidarisch über alle Altersgruppen hinweg zu tragen.
Wer heute politische Entscheidungen trifft, muss deren Folgen für
künftige Generationen mitbedenken – nicht abstrakt, sondern im
direkten Dialog mit jungen Menschen. Echte
Generationengerechtigkeit macht Beteiligung junger Menschen zu
einer selbstverständlichen Voraussetzung demokratischer
Entscheidungsprozesse. Generationengerechtigkeit heißt deshalb
auch, junge Menschen nicht als Verfügungsmasse
sicherheitspolitischer Maßnahmen zu behandeln, sondern als
gleichberechtigte Mitgestaltende einzubeziehen. Nur wenn sie aktiv
an den Entscheidungen beteiligt sind, die ihre Zukunft prägen,
entsteht eine Sicherheitsordnung, die Vertrauen in die Demokratie
stärkt und gesellschaftlichen Zusammenhalt über Generationen
hinweg sichert.</p>
<h3><strong>Bewertung des Gesetzesvorhabens</strong></h3>
<p>Aus Sicht des DBJR bleibt der vorliegende Gesetzentwurf hinter
den Maßstäben einer modernen und generationengerechten
Sicherheitsarchitektur zurück.</p>
<p><strong>Pflicht zur Bereitschaftserklärung für junge Männer</strong>
(vgl. § 15a WPflG-E „Bereitschaftserklärung“)</p>
<p>Die verpflichtende Bereitschaftserklärung für männliche
Wehrpflichtige ab dem Geburtsjahrgang 2008 stellt eine neue Form
staatlicher Erfassung dar. Auf behördliche Aufforderung hin müssen
Betroffene persönliche Angaben zu Qualifikationen, körperlicher
Leistungsfähigkeit und ihrem Interesse am Wehrdienst machen. Der
vermeintlich „vorbereitende“ Charakter dieser Maßnahme
verschleiert ihre tatsächliche Wirkung: Sie schafft
Erwartungsdruck, institutionalisiert Verfügbarkeiten und leitet
faktisch eine Struktur für mögliche spätere Einberufungen ein.
Besonders kritisch ist, dass die Erhebung der Daten einem
doppelten Zweck dient: Sie soll einerseits das Interesse am
Wehrdienst fördern, andererseits im Spannungs- oder
Verteidigungsfall zur Priorisierung bei Einberufungen herangezogen
werden. Hier besteht die Gefahr, dass junge Menschen nicht
vollumfänglich über die Konsequenzen ihrer Angaben informiert
sind.</p>
<p>§ 15a Absatz 5 des Entwurfs erlaubt dem Staat, die
Bereitschaftserklärung „erneut anzufordern“, ohne Zeitraum oder
Anlass zu definieren. Unklar bleibt, ob dabei lediglich
Qualifikationen aktualisiert oder sämtliche Angaben einschließlich
der grundsätzlichen Bereitschaft erneut erhoben werden. Nach dem
Wortlaut des Gesetzes ist eine vollständige Neuabfrage anzunehmen,
was im Interesse junger Menschen wäre, damit diese sich zu allen
Angaben, insbesondere zur ihrem möglicherweise erklärten Interesse
an der Bundeswehr, neu verhalten können. Um eine tatsächliche
Korrekturmöglichkeit sicherzustellen, muss der Gesetzestext aus
Sicht des DBJR klarstellen, dass bei jeder erneuten Aufforderung
alle Angaben neu erhoben werden. Ein ausdrückliches Recht auf
Berichtigung oder Widerruf der Angaben ist bisher nicht
vorgesehen. Daher sollte §15a um ein einen Rechtsanspruch auf
jederzeitige Berichtigung der Angaben ergänzt werden, etwa durch
ein Onlineformular beim Bundesamt für das Personalmanagement.</p>
<p>Der DBJR betont weiterhin, dass die Entscheidung für einen
militärischen Dienst frei von ökonomischem Druck oder staatlichen
Erwartungen sein muss. Bildungszugang oder berufliche Förderung
dürfen nicht an militärisches Engagement gekoppelt werden. Die
Annahme, dass durch gezielte Ansprache, Beratung und Anreizsysteme
die Bereitschaft junger Menschen für einen freiwilligen
Militärdienst gesteigert werden kann, ist aus Sicht des DBJR zudem
widersprüchlich. Denn wenn man meint, der Militärdienst müsse
besonders beworben und attraktiver gemacht werden, um freiwillig
gewählt zu werden, bedeutet das zugleich, dass dieser Dienst von
sich aus nicht gleichwertig oder ansprechend genug ist. Würde man
dieses Argument konsequent auf alle Formen freiwilligen
Engagements anwenden, müssten soziale, ökologische oder kulturelle
Dienste mit denselben Mitteln gezielt gefördert wer-den, statt
über Dienstpflichten nachzudenken. Im Entwurf wird jedoch vor
allem der militärische Dienstbesonders unterstützt, während
zivilgesellschaftliches Engagement vergleichsweise wenig Beachtung
findet.</p>
<p>Sollte – entgegen der Forderung des DBJR – mit dem Gesetz eine
verpflichtende Bereitschaftserklärung eingeführt werden, fordert
der DBJR daher, dass junge Menschen im Rahmen dieses Verfahrens
umfassend und ausgewogen über sämtliche Formen des Engagements für
Staat und Gesellschaft informiert werden – ausdrücklich auch über
zivile und soziale Möglichkeiten, etwa in den
Freiwilligendiensten, im Katastrophenschutz oder im Rettungswesen.
Nur auf dieser Grundlage kann eine selbstbestimmte und informierte
Entscheidung getroffen werden. Zugleich weist der DBJR darauf hin,
dass eine solche Informationspflicht keine tatsächliche
Gleichstellung zwischen militärischen und zivilen Diensten
bewirken würde. Für eine echte Wahlfreiheit ist vielmehr
erforderlich, dass insbesondere die Freiwilligendienste deutlich
besser ausgestattet und strukturell gestärkt werden. Gleiches gilt
für andere Formen des freiwilligen Engagements.</p>
<p>Darüber hinaus hält der DBJR es für unabdingbar, dass junge
Menschen im Rahmen einer solchen Bereitschaftserklärung auch über
ihr verfassungsrechtlich garantiertes Recht auf
Kriegsdienstverweigerung sowie über die entsprechenden Verfahren
informiert werden, um eine wirklich informierte und
selbstbestimmte Entscheidung zu ermöglichen.</p>
<p>Besorgniserregend bleibt die gezielte Fokussierung auf junge
Jahrgänge, die offenbar als besonders verfügbar und flexibel
gelten. Der Gesetzentwurf argumentiert offen, diese Altersgruppe
sei „noch nicht nachhaltig etabliert“ – eine Formulierung, die
eine problematische Haltung offenbart: Junge Menschen werden als
weniger schutzwürdig wahrgenommen, ihre Lebensentwürfe als
vorläufig abgewertet. Gerade in dieser Phase der Orientierung sind
sie jedoch besonders verletzlich. Ein staatlicher Eingriff in
dieser Zeit wirkt tief in individuelle Entscheidungs- und
Entwicklungsprozesse hinein und kann Biografien dauerhaft prägen.
Umso wichtiger ist es, junge Menschen in dieser Lebensphase
besonders vor solchen Zugriffen zu schützen und anzuerkennen, dass
Lebensplanungen und (Berufs)Biographien von älteren
Bevölkerungsgruppen ebenso Veränderungsprozessen unterliegen und
eine Bereitschaftsabfrage hier dann konsequenterweise ebenso
notwendig wäre. Dies wäre Ausdruck einer intergenerationellen
Gleichbehandlung und Anerkennung dessen, dass junge Menschen die
aktuelle sicherheitspolitische Lage nicht zu verantworten haben.</p>
<p>Damit stellt sich grundsätzlich die Frage, warum ausschließlich
junge Menschen über ihre Bereitschaft zu einem Dienst bei der
Bundeswehr Auskunft geben sollen. Diese einseitige Fokussierung
ist nicht sicherheitspolitisch begründet, sondern politisch
bequem. Junge Menschen verfügen über wenig institutionelles
Gewicht, um sich gegen solche Maßnahmen zu wehren. Selbst das
Wahlrecht als eine der grundlegendsten politischen
Beteiligungsmöglichkeiten wird ihnen bis zu diesem Zeitpunkt
vorenthalten. Würde der Gesetzentwurf stattdessen vorsehen, dass
auch ältere Jahrgänge eine entsprechende Erklärung abgeben müssen,
wäre die gesellschaftliche Debatte über Zumutbarkeit, Freiheit und
Selbstbestimmung vermutlich eine völlig andere. Der Entwurf nutzt
somit nicht die sicherheitspolitisch effektivste, sondern die
politisch am wenigsten widersprochene Option – und das auf Kosten
einer Generation, die ohnehin strukturell unterrepräsentiert ist.</p>
<p>Ferner widerspricht diese Haltung nicht nur dem Anspruch auf
Selbstbestimmung und Respekt gegenüber jungen Biografien – sie
steht auch exemplarisch für einen adultistischen Blick auf junge
Menschen: Politisch wird seit Jahren an den Bedarfen junger
Generationen gespart, zentrale Zukunftsfragen – von Klimaschutz
über Rentensystem bis hin zu Bildungsgerechtigkeit – bleiben
ungelöst. Während echte politische Antworten auf die Lebenslagen
und Perspektiven junger Menschen ausstehen, soll nun gerade diese
Generation herangezogen werden, um strukturelle Versäumnisse im
Sicherheitsbereich auszugleichen.</p>
<p>Auch wird innerhalb der Bundeswehr selbst zunehmend betont, dass
es nicht nur um Rekrutierung „an der Waffe“ geht – vielmehr
besteht ein wachsender Bedarf an qualifizierten Fachkräften, etwa
in Bereichen wie Logistik, Infrastrukturinstandhaltung oder
Technik. Ein nachhaltiger Aufbau von Kapazitäten und sogenannter
„Backbonestrukturen“ lässt sich jedoch nicht allein durch
Bereitschaftsabfragen bei jungen Menschen realisieren.</p>
<p><strong>Verordnungsermächtigung (§ 2a WPflG-E)</strong></p>
<p>Der DBJR spricht sich nachdrücklich gegen die Einführung der in §
2a WPflG-E vorgesehenen Verordnungsermächtigung aus. Der
Gesetzesentwurf ermöglicht durch die Einführung der
Verordnungsermächtigung der Bundesregierung nach Zustimmung durch
den Bundestag ein beschleunigtes Verfahren zu Wiedereinführung der
Wehrpflicht ohne formales Gesetzgebungsverfahren. Gleichzeitig
sind die Voraussetzungen für den Erlass der Verordnung nicht
ausreichend definiert. Dadurch kann eine öffentliche
Auseinandersetzung über die sogenannte „verteidigungspolitische
Lage“ kurzfristig umgangen werden und die Planungssicherheit für
junge Menschen wird untergraben.¹</p>
<p><strong>Fehlende Beteiligung junger Menschen</strong></p>
<p>Trotz der weitreichenden Auswirkungen auf junge Menschen wurden
ihre Perspektiven im gesamten Gesetzgebungsverfahren bislang nicht
systematisch einbezogen. Ein Dialog mit jungen Menschen hat
bislang schlicht nicht stattgefunden. Einen derart tiefgreifenden
Eingriff in ihre Lebensplanung und Freiheitsrechte ohne aktive
Beteiligung vorzunehmen, widerspricht grundlegenden Prinzipien
demokratischer Teilhabe. Dieses Gesetzesvorhaben der
Bundesregierung greift vermutlich wie kein anderes so massiv in
die Freiheitsrechte und Lebensplanungen junger Menschen ein. In
Anbetracht der massiven Auswirkungen auf junge Menschen ist dieses
Vorgehen der Bundesregierung beteiligungsfeindlich und wertet
junge Menschen als bloßes Objekt staatlichen Handelns ab.</p>
<p>Immer wieder wird in der politischen Debatte – vor allem von
erwachsenen Entscheidungsträger*innen – das Argument bemüht, junge
Menschen selbst wünschten sich eine Pflicht. Dieses Narrativ dient
inzwischen häufig als Legitimationsgrundlage für verpflichtende
Elemente im vorliegenden Gesetzentwurf oder gar für eine
Wiedereinführung der Wehrpflicht. Es spiegelt jedoch nicht die
tatsächlichen Haltungen junger Menschen wider.² Zugleich zeigt
sich ein deutlicher Generationeneffekt: Die Zustimmung zur
Wehrpflicht steigt mit dem Alter der Befragten, während die
ablehnende Haltung am stärksten unter denjenigen ausgeprägt ist,
die selbst potenziell betroffen wären.³</p>
<p>Zugleich fehlt jungen Menschen weitgehend die Möglichkeit, ihre
Sorgen, Bedarfe und Einwände in die politische Debatte
einzubringen. Bis zur Volljährigkeit sind sie vom Wahlrecht
ausgeschlossen, und auch jenseits dessen existieren kaum
verbindliche Beteiligungsstrukturen, die ihre Perspektiven in
sicherheits- oder verteidigungspolitische Entscheidungsprozesse
einbeziehen.</p>
<p>Wie deutlich dieses Defizit ist, zeigte bislang der Umgang des
Bundesministeriums der Verteidigung mit eigenen
Beteiligungsankündigungen. Ende 2024 hatte das Ministerium selbst
zu einem Servicedesign-Workshop eingeladen, um gemeinsam mit
jungen Menschen Möglichkeiten einer beratenden Mitwirkung an der
Konzeption eines neuen Wehrdienstes zu entwickeln. Das Format
sollte ausdrücklich dazu dienen, „junge Menschen als Fachleute in
eigener Sache“ einzubeziehen – wurde jedoch kurzfristig abgesagt
und bis heute nicht ersetzt. Auf massives Drängen der
Jugendverbände hin findet nun ein Austausch zwischen
Bundesminister Boris Pistorius und Vertretungen aus
Jugendverbänden statt. Dieser Schritt ist grundsätzlich zu
begrüßen, kann jedoch – auch gemessen an den Qualitätsstandards
für Kinder- und Jugendbeteiligung⁴ – nicht als Beteiligungsformat
im engeren Sinne verstanden werden. Er kommt zu spät, um Einfluss
auf zentrale Weichenstellungen zu nehmen, und bleibt in seiner
Anlage auf ein Austauschformat beschränkt. Aus Sicht des DBJR
braucht es insbesondere für derart in das Leben junger Menschen
einschneidende Gesetzesvorhaben vor dem formalen
Gesetzgebungsprozess eine wirksame und echte Jugendbeteiligung auf
Augenhöhe.</p>
<p>Der DBJR stellt fest: Der Gesetzentwurf greift tief in das
Selbstbestimmungsrecht junger Menschen ein und schafft
strukturelle Voraussetzungen für eine mögliche Reaktivierung der
Wehrpflicht – ohne offene, transparente und
beteiligungsorientierte gesellschaftliche Debatte. Die politische
Einbindung der noch nicht Wahlberechtigten bleibt bislang
unzureichend. Junge Menschen werden politisch adressiert, wenn es
um ihre Bereitschaft zum Einsatz geht – aber bislang nicht
systematisch beteiligt, wenn über die Bedingungen dieses Einsatzes
entschieden wird.</p>
<p><br>
<br>
¹ Ein von Greenpeace Deutschland beauftragtes unabhängiges
verfassungsrechtliches Gutachten weist darüber hinaus auf
erhebliche ver-fassungsrechtliche Bedenken hin. Es kommt zu dem
Ergebnis, dass § 2a WPflG-E gegen den Gesetzesvorbehalt und das
Bestimmtheitsgebot des Grundgesetzes verstoßen könnte.
Insbesondere die unklare Definition einer
„verteidigungspolitischen Lage“ eröffne der Bundesregie-rung
weitreichende Handlungsspielräume ohne ausreichende
parlamentarische Kontrolle. Damit, so das Gutachten, drohe ein
zentraler Grundsatz des Rechtsstaats – die demokratische
Legitimation schwerer Grundrechtseingriffe – ausgehöhlt zu werden
(<a
href="https://www.green-peace.de/publikationen/Rechtsgutachten_zum_neuen_Wehrpflichtgesetz.pdf)"
target="_blank" rel="noreferrer" class="moz-txt-link-freetext">https://www.green-peace.de/publikationen/Rechtsgutachten_zum_neuen_Wehrpflichtgesetz.pdf)</a>.</p>
<p>² Eine im September 2025 von Table.Media beauftragte
Forsa-Umfrage zeigt deutlich: 63 Prozent der 14-29-Jährigen lehnen
die Wiederein-führung eines verpflichtenden Wehrdienstes ab –
selbst für den Fall, dass die Bundeswehr nicht genügend
Freiwillige gewinnen sollte. Nur 27 Prozentz befürworten eine
allgemeine Pflicht für Männer und Frauen, weitere 8 Prozent
ausschließlich für Männer (<a
href="https://cdn.table.media/assets/briefings/security/table.briefings-forsa-umdrage-neuer-wehrdienst-wasserzeichen.pdf)"
target="_blank" rel="noreferrer" class="moz-txt-link-freetext">https://cdn.table.media/assets/briefings/security/table.briefings-forsa-umdrage-neuer-wehrdienst-wasserzeichen.pdf)</a>. </p>
<p>³ <a
href="https://de.statista.com/infografik/35048/umfrage-zur-wiedereinfuehrung-der-wehrpflicht-in-deutschland-nach-altersgruppen/"
target="_blank" rel="noreferrer" class="moz-txt-link-freetext">https://de.statista.com/infografik/35048/umfrage-zur-wiedereinfuehrung-der-wehrpflicht-in-deutschland-nach-altersgruppen/</a>;
<a
href="https://www.zdfheute.de/politik/deutschland/wehrpflicht-bundeswehr-politbarometer-junge-menschen-jugendliche-100.html"
target="_blank" rel="noreferrer" class="moz-txt-link-freetext">https://www.zdfheute.de/politik/deutschland/wehrpflicht-bundeswehr-politbarometer-junge-menschen-jugendliche-100.html</a>;
<a
href="https://presse.wdr.de/plounge/tv/das_erste/2025/07/20250703_ard_deutschlandtrend_wehrpflicht.html"
target="_blank" rel="noreferrer" class="moz-txt-link-freetext">https://presse.wdr.de/plounge/tv/das_erste/2025/07/20250703_ard_deutschlandtrend_wehrpflicht.html</a> </p>
<p>⁴ <a href="https://standards.jugendbeteiligung.de/ "
target="_blank" rel="noreferrer">https://standards.jugendbeteiligung.de/</a></p>
<p> </p>
<p><strong>Pressekontakt</strong><br>
Deutscher Bundesjugendring<br>
Matthias Starz<br>
030/40040-412<br>
<a class="moz-txt-link-abbreviated" href="mailto:medien@dbjr.de">medien@dbjr.de</a></p>
<pre class="moz-signature" cols="72">
</pre>
</body>
</html>