[Pirateninfo] Fw: [TP] Dramatische Gentechnik-Missernten: Indien verbietet Verkauf von Monsantos Bt-Saatgut

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Mon Jul 11 12:33:54 CEST 2005


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http://www.telepolis.de/r4/artikel/20/20391/1.html

Asiatischer Dämpfer für grüne Gentechnologen
Gerhard Klas 10.07.2005

Wegen Missernten wurde in Indien der Verkauf von genvernändertem
Bt-Saatgut des US-Konzerns Monsanto verboten

Die grüne Gentechnologie - eine Bezeichnung für Gentechnik im
landwirtschaftlichen Sektor - feierten multinationale Konzerne,
Landespolitiker und einige Wissenschaftler im September 2004 als
Heilmittel für die geplagten Kleinbauern der Welt. Auf der ersten
großen, internationalen Konferenz zur grünen Gentechnologie (1) in
Europa, die in den Kölner Messehallen stattfand, freuten sich die
Veranstalter über Wachstumsraten für gentechnisch verändertes Saatgut:
28 Prozent in den Entwicklungsländern! Nicht zum Schaden der dortigen
Bauern, meinte der Organisator der Konferenz, Dr. Peter Welters vom
Unternehmen Phytowelt, "die Kleinbauern dort konnten speziell mit der
Bt-Technologie, die Pflanzen gegen Schädlinge resistent macht, ihr
Einkommen verbessern".

Die Kleinbauern "brauchen keine Chemikalen mehr für den Pflanzenschutz",
verkündete Welters und verwies noch auf den jüngsten Kronzeugen der
Gentechnologie, die Welternährungsorganisation FAO (2). Die schreibt
neuerdings der grünen Gentechnologie ebenfalls eine wichtige Rolle im
Kampf gegen den Hunger auf der Welt zu. Aber dieser Lobgesang auf die
Meriten der grünen Gentechnologie hat nun erstmals auch in Asien einen
deutlichen Dämpfer erfahren.

Nirgendwo in Südindien wird so viel Baumwolle angebaut wie im
Bundesstaat Andhra Pradesh. Mit seinem Genome-Valley (3) in der Nähe der
Hauptstadt Haiderabad gilt der Bundesstaat heute als eines der
wichtigsten Zentren der Gentechnologie in Südasien. Anfang der 80er
Jahre wurde Andhra Pradesh von der "grünen Revolution" erfasst, die mit
ihrer Orientierung auf Cash-Crops wichtige Voraussetzungen schuf, um
heute die grüne Gentechnologie einzuführen. Cash-Crops stehen seit der
grünen Revolution hoch im Kurs. Das sind landwirtschaftliche Produkte,
die Bauern nicht primär für den Eigenkonsum, sondern für den Verkauf
anpflanzen: Tabak, Tee, Reis und Baumwolle. Damals, in den 80er Jahren,
vertrieben die ersten Saatgutkonzerne ihre Waren und lieferten das
Zubehör: Kunstdünger und Pestizide, die zum Symbol der grünen Revolution
und des Fortschritts wurden. Monokultureller Anbau war angesagt, die
bäuerliche Subsistenzwirtschaft galt als rückständig.

Das Geschäft lief anfangs gut, doch dann kam die unvermeidliche Krise:
Die Pflanzenschädlinge wurden resistent, neue und teurere Pestizide
kamen auf den Markt. Vor allem Kleinbauern mit maximal fünf Morgen
Land - und das sind mehr als 90 Prozent der Bauern in Andhra Pradesh -
gerieten schnell in die Schuldenfalle. Mit der Marktöffnung Indiens
fielen im Laufe der 90er Jahre zudem die Preise für Baumwolle und andere
Cash-Crops.

Die meist zweistelligen Zinszahlungen an die Gläubiger trieben und
treiben viele Kleinbauern in den finanziellen Ruin. Seit Jahren begehen
immer mehr von ihnen Selbstmord. Die meisten trinken Pestizide, das
einstige Symbol des Fortschritts. Allein im Bundesstaat Andhra Pradesh
nahmen sich im vergangenen Jahr mehr als 2.000 Menschen das Leben,
darunter besonders viele Bauern aus den Baumwollregionen, die von
indischen Tageszeitungen als "Killing fields" bezeichnet werden.

2002 kam dann das Bt-Baumwollsaatgut auf den Markt. Nach Angaben des
Herstellers und US-Multis Monsanto (4) sei es resistent gegen den
Baumwollkapselwurm, den ärgsten Feind der Pflanze. Begleitet wurde die
Einführung der Bt-Pflanze mit einer groß angelegten Werbekampagne im
Fernsehen, im Radio und in den Tageszeitungen. Hunderte von
Saatguthändlern reisten übers Land, priesen die Vorzüge des Bt-Saatguts
an: Höhere Ernteerträge, kein Pestizideinsatz. Die Kleinbauern schienen
wieder hoffen zu können. Zwar erfüllten sich größtenteils schon in den
ersten zwei Jahren nicht die Versprechen, mit denen das Saatgut beworben
wurde: Auch bei der Bt-Baumwolle mussten Pestizide eingesetzt werden.
Aber die Ernte war noch erträglich.

Im vergangenen Jahr kam es dann zum Desaster. "Auf 25.000 Morgen Land,
auf denen Kleinbauern die Bt-Baumwolle gepflanzt hatten, gab es eine
völlige Missernte", beklagt sich Shri Raghuveera Reddy, der
Agrarminister des Bundesstaates. Nach seinen Angaben stehen
10.000-12.000 Familien vor dem Nichts. Während der Konzern bis heute an
der These festhält, es läge am falschen Umgang der Bauern mit dem
Saatgut und mangelnder Bewässerung, erklärten die mitgliederstarken
Bauernorganisationen das Saatgut des Konzerns dafür verantwortlich und
machten Druck auf die Regierung ihres Bundesstaates. Ohne wütende
Demonstrationen von Kleinbauern verging kaum eine Woche. Im Mai dieses
Jahres sah sich nun auch das Genetic Engineering Approval Committee (5),
die zentrale Zulassungsbehörde für Gentechnik in Neu Delhi - ansonsten
bekannt für ihren großzügigen Umgang mit Anträgen ausländischer
Investoren - gezwungen, die Genehmigung für das Bt-Saatgut aus dem Jahre
2002 nicht zu verlängern. Das Verkaufsverbot gilt für die Saatgutsorten
Mech-12 Bt, Mech-162 Bt und Mech-184 Bt, mit Ausnahme des Mech-12 Bt
jedoch nur für Andhra Pradesh, nicht für andere Bundesstaaten in Indien.

Die Regierung in Andhra Pradesh hat Monsanto sogar aufgefordert, den
Bauern 8,5 Millionen Euro als Entschädigung zu zahlen. Die Coalition in
Defence of Diversity, ein Zusammenschluss von 140 Bauerngewerkschaften
und Nichtregierungsorganisationen in Andhra Pradesh mit einer
grundsätzlich kritischen Haltung gegenüber der grünen Gentechnologie,
zeigte sich erfreut über diese Regierungsbeschlüsse. In einer
Langzeitstudie (6) verweist der Zusammenschluss darauf, dass die
Bt-Bauern in den vergangenen drei Jahren im Schnitt sogar 60 Prozent
weniger verdient haben als diejenigen, die auf das herkömmliche Saatgut
gesetzt haben. Die Coalition in Defence of Diversity fordert die
Bundesstaatsregierung nun auf, Andhra Pradesh so bald wie möglich zur
ersten gentechnikfreien Zone in Asien zu machen.

Doch dafür stehen die Chancen schlecht, ebenso wie für angemessene
Entschädigungszahlungen an die Kleinbauern. Monsanto sieht sich nicht in
der Pflicht und verfolgt eine Politik, die sich seit dem Desaster von
Bhophal 1984 ins kollektive Gedächtnis der Inder eingebrannt hat und
Erinnerungen an die Kolonialzeit weckt: Trotz formaler Unabhängigkeit
Indiens - das Leben seiner Bewohner ist weniger wert als die
Gewinnmargen der ausländischen Investoren. Monsanto, weltweit Nummer
Eins im Geschäft mit dem gentechnisch veränderten Saatgut, schert das
nicht. Der US-Konzern hat bereits zwanzig indische Unternehmen als
Lizenznehmer für seine Bt-Baumwolle gefunden und zudem angekündigt, eine
"Bt-Baumwolle II" auf den Markt zu bringen.

LINKS

(1) http://www.abic2004.org
(2) http://www.fao.org/
(3) http://www.genomevalley.org/default.htm
(4) http://www.monsantoindia.com/language/tamil/tm_partnerships.html
(5) http://www.envfor.nic.in/divisions/csurv/geac/geac_home.html
(6) http://www.ddsindia.com/PDF/BT_Cotton_-_A_three_year_report.pdf