[Pirateninfo] Text zur Biopatent-Richtlinie

pcl at jpberlin.de pcl at jpberlin.de
Don Dez 16 19:36:33 CET 2004


Freitag Nr. 51 vom 10.12.2004
http://www.freitag.de/2004/51/04510202.php

Uta Wagenmann
Rot-grüne Nebelkerzen

KOMMENTAR*
Die Umsetzung der Biopatent-Richtlinie verändert wenig

Der Streit ist beigelegt. Mit den am Freitag vergangener Woche vom 
Bundestag verabschiedeten Gesetzesänderungen zur Umsetzung der 
umstrittenen EU-Biopatent-Richtlinie von 1998 ist klar: Stoffpatente, 
die sich auf ein ganzes menschliches Gen inklusive seiner Funktionen 
und möglicher Anwendungen erstrecken, wird das Deutsche Patentamt 
künftig nicht mehr erteilen dürfen. In letzter Minute wurden 
Änderungen an der Gesetzesvorlage der Regierung vorgenommen, die den 
Patentschutz auf konkrete gewerbliche Anwendungen beschränken. Auch 
die Patentierung menschlicher Keimzellen und Embryonen wird 
ausgeschlossen. Alles paletti, so scheint es.

Zunächst aber werden die Gesetzesänderungen nur wenig an der Praxis 
ändern. An die 90 Prozent der so genannten Biopatente erteilt schon 
seit Jahren das Europäische Patentamt EPA in München, denn im 
Zeitalter von Globalisierung und EU-Erweiterung ist für große 
Unternehmen ein in nationalen Grenzen gewährter Patentschutz 
uninteressant. Das EPA aber gewährt auf der Grundlage der EU-
Biopatentrichtlinie weitreichende Stoffpatente: Allein in diesem Jahr 
wurden bisher 116 Patente auf menschliche Gene, 40 auf Pflanzen und 
20 auf Tiere gewährt. Die verabschiedeten Regelungen werden also 
faktisch wenig Wirkung zeigen, solange das EU-Patentrecht unverändert 
fortbesteht.

Auch wenn sich die Grünen nun auf die Schulter klopfen, weil sie eine 
weite Auslegung der Brüsseler Vorlage durchgesetzt haben, täuschen 
sie sich und die Öffentlichkeit. Das europäische Patentabkommen hätte 
es nämlich erlaubt, die für den nationalen Geltungsbereich 
beschlossenen patentrechtlichen Bestimmungen auch auf die vom EPA 
erteilten Patente auszuweiten. Nur eine Handvoll SPD-Abgeordneter hat 
bis zur Abstimmung versucht, die rot-grünen Nebelkerzen auszublasen 
und eine entsprechende Änderung durchzusetzen - vergeblich.

Die an den Bedürfnissen der Industrie orientierten Kräfte in der 
Regierung haben sich auf wichtigen Feldern durchgesetzt. So erlaubt 
das deutsche Patentrecht jetzt erstmals ausdrücklich Patente auf 
Pflanzen und Tiere. Auch der von Kritikern der EU-Biopatent-
Richtlinie geforderte Zwang, einen Herkunftsnachweis in der 
Patentschrift zu erbringen, um Biopiraten die Geschäftsgrundlage zu 
entziehen, findet sich in den Gesetzesänderungen nicht wieder.

Trotzdem: Dass das Ende des Stoffpatents zumindest bei menschlichen 
Genen eingeläutet wurde, ist ein wichtiger Schritt. Zudem ist die 
Regierung aufgefordert, in Brüssel auf Neuverhandlungen der Biopatent-
Richtlinie zu bestehen - ein weiterer Erfolg. Ohne den Druck der 
Kritiker wird die Richtlinie aber sicher nicht substanziell 
verändert.