[Pirateninfo] Linux-Mgz (2nd try)
Petra Heinze
petra.heinz at gmx.de
Mon Apr 12 15:55:38 CEST 2004
Erschienen im Linux-Magazin 04/2004
http://www.linux-magazin.de/Artikel/ausgabe/2004/04/gnu/gnu.html
Die monatliche GNU-Kolumne
Brave GNU World
Georg C.F. Greve
[...]
Indigene Völker und das geistige Eigentum
Dass sich das so genannte geistige Eigentum nicht nur auf Software
beschränkt, sondern auch auf andere Branchen, ist weitgehend bekannt.
Das beweisen die Biopatente. Auf dem Weltgipfel zur
Informationsgesellschaft[9] fanden dazu Diskussionen mit
Bevölkerungsgruppen statt, die sonst nur wenig Gehör in der Welt finden.
So auch mit den Vertretern der indigenen Völker. Als indigene Völker
gelten nach der Definition der UNESCO[10] solche Gemeinschaften, die in
Kontinuität zu den vorkolonialen und vorinvasorischen Ureinwohnern einer
Region stehen und sich insbesondere selbst als unterschiedlich zu den in
diesen Regionen vorherrschenden Gesellschaften sehen.
Da indigene Völker nicht-dominante Bereiche der Gesellschaft darstellen
und zumeist über sehr wenig formalen politischen Einfluss sowohl auf
lokaler als auch globaler Ebene verfügen, gehören sie oft zu jenen, die
sich am wenigsten gegen die Begleitphänomene der Globalisierung wehren
können.
Bei den Biopatenten haben einige Pharmafirmen zum Sturm auf die
traditionellen Arzneien geblasen, um sie in großem Stil global zu
vermarkten. Die Konzerne machen dabei den indigenen Völkern die Nutzung
ihrer traditionellen Ressourcen unmöglich, entweder über ihre globale
Marktmacht oder mit juristischen Auseinandersetzungen.
Das Basmati-Patent
Bekanntes Beispiel dafür ist das Basmati-Patent der US-Firma Rice Tec,
der im September 1997 ein Patent auf Basmati-Reis zugesprochen wurde.
Bei der darauf folgenden juristischen Auseinandersetzung ging es darum,
wer das Recht haben solle, den traditionellen indischen Basmati-Reis
anzubauen. Auch wenn die Auseinandersetzung in dieser Frage zugunsten
Indiens ausging, zeigt sie doch die Mechanismen.
Das Phänomen bezeichnen Gegner oft als Biopiraterie, obwohl
beispielsweise Richard Stallman in einem seiner Artikel sehr gut
darlegt, warum Bioprivatisierung ein passenderer Begriff wäre[11].
Unabhängig von ihrer Bezeichnung lassen diese Vorgänge große Probleme
erkennen. Es ist höchste Zeit, sie genauer zu untersuchen.
Totale Kontrolle?
Die Forderung der indigenen Völker und ihrer Fürsprecher in diesem
Zusammenhang ist meist, die "vollständige Kontrolle" und den
"vollständigen Besitz" aller ihrer "kulturellen, intellektuellen und so
genannten natürlichen Ressourcen" zugesprochen zu bekommen. Das klingt
zunächst nachvollziehbar, einleuchtend und gerecht.
Tatsächlich steht aber aus mehreren Gründen zu befürchten, dass ihre
Erfüllung das Problem weiter verschärft. Denn die meisten Formen von
begrenzten geistigen Monopolen (siehe[12]), etwa der Patente und
Copyrights, sind stark auf eine einzelne Person als Besitzer
ausgerichtet. Es wird also eine neue Art des geistigen Eigentums
gefordert, bei dem ein Volk das alleinige Recht auf bestimmte kulturelle
und intellektuelle Vorgänge beanspruchen kann.
Nimmt man die Forderung wörtlich, so ergibt sich - überspitzt -, dass
nur Bayern Bier nach dem Reinheitsgebot brauen, nur Finnen Saunen bauen
und nur Sizilianer Pizza backen dürfen. Unabhängig davon, dass dies die
Legitimation dafür schafft, anderen das Wissen dieser Länder
vorzuenthalten, ist zu bezweifeln, ob eine solche gesellschaftliche
Monopolisierung im Interesse irgendeiner Gesellschaft ist.
Dabei manifestiert sich das Problem immer dann, wenn juristische
Vorstöße gemacht werden, die versuchen den indigenen Völkern die Nutzung
traditioneller Ressourcen zu untersagen. Solange sie ihre Ressourcen auf
die althergebrachte Weise verwenden können, geht ihnen weder etwas
verloren, noch haben sie etwas hinzugewonnen.
Die Ursache des Problems ist die übertriebene Monopolisierung und deren
Durchsetzung. Die oben angesprochene Forderung läuft darauf hinaus zu
versuchen, ein durch übertriebene Monopolisierung geschaffenes Problem
durch noch mehr Monopolisierung zu lösen.
Die Handelsware Kultur
Dabei werden die kulturellen Wurzeln zu einem Handelsgut, das zuerst
wegen seines wirtschaftlichen Werts geschätzt wird und für das der
Profit maximiert werden sollte. Der kulturelle Wert tritt hinter dem
monetären zurück, eine Denkweise, die kommende Generationen mit auf den
Weg bekommen. Der Handel mit dieser "Ware" ist aber oft die einzige
Möglichkeit, überhaupt an Nahrung, Wasser, Bildung und medizinische
Versorgung zu kommen. Die Chance, faire Konditionen in einem Vertrag zu
erhalten, hängt jedoch ganz wesentlich von der Freiheit ab, einen
Vertrag nicht schließen zu müssen.
Es steht also zu befürchten, dass die indigenen Völker zum Teil im
wahrsten Sinne des Wortes um ihr Leben handeln müssen. Wer sich näher zu
diesem Thema informieren will, findet unter[13] einen
Diskussionsbeitrag, den der Autor dieser Kolumne verfasst hat.
[...]
[9] FSF Europe WSIS: [http://www.germany.fsfeurope.org/projects/wsis/]
[10] UNESCO, Indigenous Peoples:
[http://portal.unesco.org/culture/admin/ev.php?URL_ID=2946&URL_DO=DO_TOPIC&URL_SECTION=201]
[11] Richard Stallman, "Biopiracy or Bioprivateering?":
[http://www.stallman.org/articles/biopiracy.html]
[12] Georg C.F. Greve, "Brave GNU World": Linux-Magazin 01/04, S. 78
[13] Georg Greve, "On ,Intellectual Property' and Indigenous Peoples":
[http://www.germany.fsfeurope.org/documents/iprip.html]